Erschienen in:
04.05.2023 | Übersichten
Chirurgische Fallbeschreibungen im Corpus Galenicum
verfasst von:
Prof. Dr. med. Dr. phil. Werner Golder
Erschienen in:
Die Chirurgie
|
Ausgabe 7/2023
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Zusammenfassung
Hintergrund
Die Fallbeschreibungen im Opus des griechisch-römischen Arztes Galen von Pergamon sind bisher überwiegend unter literarischen und sozialhistorischen Gesichtspunkten untersucht worden. Die auf die medizinischen Aspekte fokussierte Analyse ist noch unvollständig.
Fragestellung
Welche Kompetenz bei der Erkennung und Behandlung chirurgischer Erkrankungen vermitteln die galenischen Kasuistiken?
Material und Methoden
Die 358 galenischen Fallbeschreibungen wurden auf anamnestische, diagnostische, therapeutische und prognostische Aussagen zu chirurgischen Erkrankungen untersucht.
Ergebnisse
In 38 Fallberichten sind chirurgische Erkrankungen thematisiert; die meisten Kasuistiken finden sich in den Schriften Über die Zusammensetzung der Heilmittel in der Gliederung nach Typen (12), Über die erkrankten Körperteile (5) und Praktische Anatomie (3). Es werden sowohl Einzelpersonen, darunter viele Kinder und mehrere Frauen, als auch Gruppen von Patienten beschrieben. Die Schilderungen folgen keinem festen Gliederungsschema. Die Texte werden von Angaben zu Ana- und Katamnese, den Ergebnissen der körperlichen Untersuchung und der Beschreibung der gewählten Intervention dominiert. Mehrfach hat der Autor die Fallbeschreibung mit theoretischen Ausführungen kombiniert. Die Mehrzahl der Berichte stammt aus der Wund‑, Viszeral- und Thoraxchirurgie. Die häufigsten chirurgischen Erkrankungen, mit denen sich Galen konfrontiert sah, waren tiefe Weichteilverletzungen der Extremitäten, Thorax- und Bauchtraumata, Abszesse, Läsionen peripherer Nerven. Luxationen und Tumoren der Mammae. Eine wichtige Rolle spielen Verletzungen von Gladiatoren. In den meisten Fällen ist Galen selbst der beobachtende und behandelnde Arzt; es werden aber auch Krankengeschichten aus zweiter Hand erzählt. Die operativen Maßnahmen wurden, wenn auch in wechselnder Reihenfolge, gewöhnlich mit konservativer Therapie kombiniert.
Diskussion
Die Fallberichte decken das Spektrum der von Galen beschriebenen chirurgischen Erkrankungen nahezu vollständig ab. Die differenzialdiagnostischen und differenzialtherapeutischen Erwägungen bilden das inhaltlich originellste Element. Die Ausführungen zur Wahl der Behandlung zeigen, dass der Arzt der Antike für die Versorgung von Patienten mit chirurgischen Erkrankungen zum Teil anspruchsvolle Eingriffe an der Brust- und Bauchwand, an den Extremitäten und an den Gefäßen durchgeführt hat. Die begleitende medikamentöse Behandlung wird detailreich beschrieben.