So häufig verkennen Eltern wichtige Warnsymptome

Manche Eltern kommen mit ihren Kindern wegen Lappalien in die Praxis, in anderen Fällen erscheinen sie erst sehr spät. Bei welchen Symptomen die Diskrepanz zwischen elterlicher und ärztlicher Einschätzung besonders hoch ist, untersuchte ein Team von Wissenschaftlern aus Belgien und den Niederlanden. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Wird ein Kind krank, wollen die Eltern weder eine schwere Krankheit übersehen noch die Kinderärztin oder den Kinderarzt unnötigerweise aufsuchen. Schweregrad, Dauer der Erkrankung und die Klagen des Kindes, aber auch der elterliche Charakter entscheiden, ob Mutter und Vater den Kinderarzt kontaktieren. Forschende um Sarah Visscher vom Spaarne Gasthuis aus Hoofddorp in den Niederlanden befragten deshalb 200 Eltern und 54 Ärztinnen und Ärzte. Ihnen wurden identische Fallberichte über sechsjährige Kinder mit verschiedenen Symptomen und Krankheitsverläufen vorgelegt. In vier Szenarien wurde ein akut krankes Kind mit einem Ausgangssymptom beschrieben, das sich im Laufe der Zeit stufenweise verschlechterte: Bauchschmerzen entwickelten sich zu einer Appendizitis, Schnupfen zu einer Otitis, bei Kopfschmerzen lag ein Hirntumor zugrunde und bei einem hinkenden Kind eine septische Arthritis. Die Eltern mussten angeben, wann sie einen Arzt aufsuchen würden. Um die Sache zu erleichtern, spielten sich die Szenarien alle tagsüber ab, wenn die Arztpraxen geöffnet hatten. Die zentrale Frage, die den Eltern bei jedem Entscheidungsschritt gestellt wurde, lautete: „Wäre das für Sie ein Grund, sich jetzt an den Hausarzt zu wenden?“ Die Ärztinnen und Ärzte, die dieselben Fälle vorgelegt bekamen, wurden gefragt: „Möchten Sie, dass die Eltern jetzt den Arzt kontaktieren?“ Häufige Trigger: Bauchschmerz und hohes Fieber Bei den Ausgangssymptomen veranlasste vor allem Bauchschmerz (16%) die Eltern dazu, den Kinderarzt aufzusuchen, weniger häufig Schnupfen (2%), Kopfschmerzen (12%) oder Hinken (12%). Appetitlosigkeit und Fieber über 39°C triggerte die Eltern dagegen oft, sich an einen Arzt zu wenden. Bei niedrigeren Temperaturen von 38°C, wie sie bei den Kasuistiken zur Otitis und septischen Arthritis auftraten, kam es auf die weiteren Symptome an: In Kombination mit Rhinitis sahen lediglich 9% der Eltern eine Veranlassung, hinkte das Kind und konnte ein Bein nicht belasten, stieg die Rate der besorgten Eltern von 40% auf 51%. Ähnlich war die Lage bezüglich des Symptoms „Erbrechen“. Lag bereits Bauchschmerz und Appetitverlust vor, wie im Fall der Appendizitis, stiegen die Arztkonsultationen von 18% auf 36%. Nach dem zweiten Erbrechen und Schmerzäußerungen waren es 61%. Kam Erbrechen jedoch zu Kopfschmerzen hinzu, wie in der Hirntumor-Kasuistik, kontaktieren lediglich 16% der Eltern den Hausarzt. Wie reagieren Ärztinnen und Ärzte? Die Mediziner beurteilten die Ausgangssymptome anders: Bei Bauchschmerzen und Schnupfen wäre ihrer Meinung nach kein Kontakt erforderlich, aber bei Kopfschmerzen würden 10% der Ärzte einen Anruf der Eltern empfehlen, beim Symptom Hinken waren es 33%. Die Verschlechterung der Symptome im Falle der Appendizitis (mit Erbrechen, Schmerzäußerungen, rechtsseitigem Bauchschmerz) und der Otitis (hohes Fieber, Bauchschmerz, starke Ohrenschmerzen) ließ die Ärztinnen und Ärzte nach und nach ihre Meinung ändern. Im Fall der sich schnell verschlimmernden Symptome bei Kopfscherz (Benommenheit, Doppeltsehen, Nackenschmerzen und Ataxie kamen hinzu) und Hinken (keine Belastung des Beins, starke Beinschmerzen, Fieber, Benommenheit) ging es sehr schnell. Die befragten Ärzte reagierten vor allem auf vier Warnsignale: die Weigerung, das Bein zu belasten, Beinschmerz in Kombination mit Fieber, starke Beinschmerzen sowie Benommenheit. Eltern erkennen die „red flags“ nur schlecht Eltern und Ärzte scheinen durch unterschiedliche Symptome des Kindes in Alarmbereitschaft versetzt zu werden. Das führte dazu, dass die befragten Eltern in besorgniserregenden Fällen langsamer reagierten. Die Eltern waren nicht in der Lage, Warnzeichen zu erkennen. Beispiele für diese Symptome sind Bauchschmerzen im rechten unteren Quadranten, Somnolenz, Benommenheit, Doppeltsehen, Ans-Ohr-greifen und starke Beinschmerzen beziehungsweise die Weigerung, das Bein zu belasten, in Verbindung mit erhöhter Temperatur. Unter den Eltern wirkten hohes Fieber und Erbrechen bedrohlicher. Die Forschenden um Sarah Visscher fanden heraus, dass ein niedriger und mittlerer Bildungsstand der Eltern sowie mehrere Kontakte mit den Ärztinnen und Ärzten im vergangenen Jahr, Mütter und Väter signifikant häufiger dazu veranlasste, früh Hilfe zu suchen. „Das Bewusstsein für diese unterschiedliche Wahrnehmung sollte Ärztinnen und Ärzte dazu motivieren, ihre Kommunikation anzupassen und die Eltern in Bezug auf die ,red flags‘ zu schulen“, schreiben Visscher und Kollegen abschließend. Das Wichtigste in Kürze Frage: Welche Symptome veranlassen die Eltern von akut erkrankten Kindern, einen Arzt aufzusuchen? Und wann sollte dies aus Sicht der Ärztinnen und Ärzte der Fall sein? Antwort: In vier hypothetischen Fällen waren sich Eltern und Ärzte uneinig über den richtigen Zeitpunkt, einen Arzt zu kontaktieren. Für die Eltern waren vor allem hohes Fieber und Erbrechen Warnsymptome, ärztliche Hilfe zu suchen. Wichtige Warnsymptome wie Benommenheit oder ein stark schmerzendes Bein ordneten sie dagegen als harmloser ein. Bedeutung: Eltern sollten über die wichtigsten Symptome durch Aufklärung im Gesundheitswesen und Initiativen zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz informiert werden. Einschränkung: Durch die gestellten Fälle ist es schwierig, die genauen Trigger für einen Arztbesuch herauszufinden. Bei jüngeren Kindern wird ein Arzt bzw. eine Ärztin wahrscheinlich früher kontaktiert.

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