Erschienen in:
01.01.2015 | Einführung zum Thema
Der Begriff psychischer Krankheit in Psychiatrie und Psychotherapie
verfasst von:
Prof. Dr. Dr. A. Heinz
Erschienen in:
Der Nervenarzt
|
Ausgabe 1/2015
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Auszug
Nicht erst mit Einführung des DSM-5 [
1] wird die Frage in der Öffentlichkeit diskutiert, wie psychische Krankheit definiert werden kann. Einerseits wird diese Diskussion aus der Sorge heraus betrieben, dass immer weitere Bereiche psychischen Leidens, die bisher zu den alltäglichen Erfahrungen ohne Krankheitswert zählten, zu psychischen Erkrankungen erklärt werden. Das Paradebeispiel ist die Diskussion um die Trauerreaktion bzw. die Frage, wie lange eine psychische Verstimmung nach Verlust eines nahen Angehörigen anhalten kann, ohne dass die Diagnose einer Depression gestellt werden darf [
5]. Andererseits bietet der Status der Krankheit Schutzrechte für die Betroffenen, die bei einem zu engen Krankheitsbegriff für diejenigen verlorengehen können, die dann nicht mehr als „erkrankt“ gelten und die entsprechenden Rechte, inklusive einer angemessenen therapeutischen Versorgung durch die Solidargemeinschaft der Versicherten, einfordern können. Aber auch ein zu weiter Krankheitsbegriff kann dazu führen, dass psychische Erkrankungen so vielfältig diagnostiziert werden, dass eine angemessene Versorgung kaum mehr einklagbar ist. Hinzu kommen weitere Sorgen, beispielsweise nach Stigmatisierung sozial unliebsamer Verhaltensweisen. So wurde anhand der im DSM-5 aufgehobenen Trennung zwischen dem schädlichen Konsum einer Droge und einer Abhängigkeitserkrankung und der damit verbundenen Zusammenführung beider Störungsbilder unter dem neuen Begriff der Substanzkonsumstörung die Sorge geäußert, dass sozialpolitisch oder religiös motivierte Verbote der Droge Alkohol in einzelnen Ländern zu einer Pathologisierung des nicht abhängigen und körperlich nicht schädlichen Alkoholkonsums führen können, einfach weil aufgrund der sozialen Verbotssituation der Konsum sozial nachteilige Folgen mit sich bringt [
4]. …