Skip to main content

Rezidivierende Polychondritis

Verfasst von: Heike Kaltofen, Dierk A. Vagts, Uta Emmig und Peter Biro
Synonyme
von-Meyenburg-Altherr-Uehlinger-Sy; Askanazy-Sy; von-Jaksch-Wartenhorst-Sy; systematisierte Chondromalazie; Panchondritis; engl. „relapsing polychondritis“
Oberbegriffe
Chondropathie, Bindegewebserkrankung, Autoimmunerkrankung.
Organe/Organsysteme
Trachea, Bronchien, Atemwege, Gelenke, Bindegewebe.
Inzidenz
Selten, weltweit bisher ca. 600 Fälle beschrieben. Die Geschlechtsverteilung ist annähernd ausgeglichen, aber bei Frauen sind die respiratorischen Probleme ausgeprägter. Manifestationsalter überwiegend zwischen 40 und 60 Jahren.
Ätiologie
Unbekannt. Progressive entzündliche (sehr wahrscheinlich autoimmunologisch bedingte) Zerstörung knorpeliger Strukturen. Häufig Nachweis von Autoantikörpern gegen Kollagen Typ 2, 9 und 11 sowie veränderte zelluläre Immunantwort. Assoziationen mit rheumatoider Arthritis, M. Crohn, systemischer Lupus Erythematodes und anderen Vaskulitiden beschrieben.
Verwandte Formen, Differenzialdiagnosen
Uveoarthrochondrales Sy, Wegener-Sy, McBride-Stewart-Sy, Kussmaul-Maier-Sy, Lues connata, rheumatoide Arthritis.
Differenzialdiagnose für Beatmungsprobleme bei rezidivierender Polychondritis (RP): Fremdkörperaspiration, Trachealstenose, mediastinale Raumforderungen, endoluminale Tumoren der Atemwege, Säbelscheidentrachea bei retrosternaler Struma, Bronchospasmus, Asthma, Laryngospasmus, Tubuskomplikationen (Abknickung, Verstopfung, Cuffhernie).

Symptome

An den Atemwegen werden die trachealen Knorpelspangen sowie die laryngealen Strukturen befallen, was zu druckabhängiger Instabilität (Malazie) und Stenosierungen führt. Meist schwere Exazerbation der Atmungsprobleme bei Atemwegsinfekten. Schubweise auftretender vorwiegend inspiratorischer Stridor (Dyspnoe, Orthopnoe), Heiserkeit, entzündliche Episoden an knorpeligen Strukturen. Typisch ist die fehlende Verbesserung der dynamischen Lungenfunktionsparameter (z. B. FEV1) nach Gabe von β2-Mimetika.
Knorpeldestruktion häufig auch an Nase und Ohren. Schmerzhafte Schwellung der Ohren (Blumenkohlohren), Nase (Sattelnase) und Gelenke allgemein, Fieber.
Laborchemisch gibt es nur unspezifische Hinweise wie normozytäre-normochrome Anämie und beschleunigte Blutsenkung.
Vergesellschaftet mit
Beteiligung anderer Organe mit bindegewebigen Anteilen: Thoraxdeformität (Pectus excavatum), nichterosive entzündliche Arthritis, Herzklappenvitien (vorwiegend Gefügedilatation der Klappenebene mit Aorteninsuffizienz, Mitralinsuffizienz), Aortenaneurysma, systemische Vaskulitis, Eosinophilie, Anämie, Funktionsstörungen im Kochlear- und Vestibularbereich (Hörverminderung, Gleichgewichtsstörungen). Nephropathie, Hautmanifestationen wie papulöses oder makulöses Exanthem, Purpura etc., Augenbeteiligung (Skleritis, Hornhautulcera).
Therapie
Konservativ: Chemotherapie (Azathioprin), Steroide, Ciclosporin, Dapson, nichtsteroidale Antirheumatika, immunmodulierende Antikörper, CPAP-Atmung.
Operativ: Tracheostomie, Tracheaplastiken, Stenteinlagen.

Anästhesierelevanz

Die meist im Vordergrund stehenden Atemwegsprobleme bedeuten ein erhebliches Anästhesierisiko. Endotrachealtuben überbrücken zwar für die Dauer der Beatmung instabile Trachealanteile, weiter distal liegende Bereiche können dennoch kollabieren. Dazu kann es v. a. bei aktiver Exspiration des Patienten kommen, wenn der intrathorakale Druck höher wird als der Atemwegsdruck und die Wandstabilität von Trachea oder Bronchien nicht mehr ausreicht, diesem externen Druck standzuhalten. Bei Kehlkopfbeteiligung besteht im Rahmen von In- und Extubation ein Risiko für Schwellung im glottischen und subglottischen Bereich. Häufig liegen vorbestehende postentzündliche Trachealstenosen vor.
Spezielle präoperative Abklärung
Thoraxröntgenaufnahmen a.-p. und seitlich, Lungenfunktion, fiberbronchoskopische Evaluation der Atemwege (Beachte: die Stenosen sind vorwiegend dynamisch!), Ausschluss von respiratorischen Infekten und von schwerwiegenden kardiovaskulären Erkrankungen (Echokardiografie), Evaluation der Nierenfunktion. Bei Steroidmedikation und Chemotherapie: Blutbild, Elektrolytstatus, Blutzuckerkontrolle.
Wichtiges Monitoring
Pulsoxymetrie, Kapnographie, Beatmungsdrücke, ggf. invasive Blutdruckmessung, Blutgasanalysen.
Vorgehen
Wegen der dynamischen Atemwegsverengung (insbesondere durch druckbedingte äußere Kompression auf die Luftwege) ist die konventionelle kontrollierte Beatmung (IPPV) problematisch. Wenn sie unumgänglich ist, sollte durch vorsichtige Variation des endexspiratorischen Beatmungsdrucks (PEEP) einer Kompression entgegengewirkt werden. Bei Anzeichen von „air trapping“ sollte eine einfühlsame Handbeatmung der maschinellen Beatmung vorgezogen werden. Gegebenenfalls ist die Anlage eines Tracheostomas notwendig.
Meist gestaltet sich die Extubation schwieriger als die Intubation; selbst eine geringfügige postanästhetische Schleimhautschwellung kann zur respiratorischen Dekompensation führen. Daher sollten Manipulationen an den Atemwegen (z. B. Absaugen) auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Insbesondere bei Befall der Epiglottis und der Aryknorpel kann die Intubation erschwert sein. Es empfiehlt sich, alternative Techniken (z. B. flexible Fiberoptik, Videostilett etc.) in Bereitschaft zu halten und einen dünneren Tubus auszuwählen. Es ist ratsam, ein starres Bronchoskop für den Fall bereit zu halten, dass Intubation und Beatmung über einen normalen Endotrachealtubus schwierig werden. Die Anwendung von Larynxmasken kann erschwert sein, wenn der Kehlkopf durch Krankheitsbefall erheblich verändert ist.
Anästhesieverfahren mit erhaltener Spontanatmung ohne endotracheale Intubation und Anwendung eines moderaten kontinuierlichen positiven Drucks (CPAP) von 8–10 mbar sind vorzuziehen. Geeignet sind beispielsweise Ketaminanästhesie, Maskennarkose und v. a. Regionalanästhesien. Bei kompensierter Respiration sind rückenmarknahe Anästhesieverfahren zu bevorzugen, falls der operative Eingriff es erlaubt. Eine O2-Insufflation kann die Atmungsanstrengung des Patienten herabsetzen. Häufig ergibt sich postoperativ eine verlängerte Weaningphase, wobei der Einsatz nichtinvasiver Beatmung sinnvoll sein kann.
Kardiovaskuläre Organbeteiligungen erfordern ein entsprechend differenziertes anästhesiologisches Vorgehen. Bei Steroidmedikation muss perioperativ eine ausreichende Kortikoidsubstitution durchgeführt und eine Blutzuckerentgleisung vermieden werden. Auf sorgfältigen Augenschutz ist zu achten.
Cave
Barotrauma, Pneumothorax, Schleimhautschwellung der Atemwege und Atemwegsobstruktion, Herzklappenfehler.
Weiterführende Literatur
Douglas MJ, Ensworth S (2005) Anesthetic management of the parturient with relapsing polychondritis. Can J Anesth 52:967–970CrossRefPubMed
Fitzmaurice BG, Brodskyn JB, Kee ST et al (1999) Anesthetic management of a patient with relapsing polychondritis. J Cardiothorac Vasc Anesth 13:309–311CrossRefPubMed
Kim K, Kim M, Choi Y et al (2012) Anesthestic experience of a patient with relapsing polychonditis – a case report. Korean J Anesth 63(5):465–468CrossRef
Sharma A, Gnanapandithan K, Sharma K et al (2013) Relapsing polychondritis: a review. Clin Rheumatol 32:1575–1583CrossRefPubMed
Tanaka TT, Furutani HF, Harioka TH (2006) Anaesthetic management of a patient with relapsing polychondritis undergoing laparoscopic surgery. Anaesth Intensive Care 34:372–374PubMed
Tsunezuka Y, Sato H, Shimizu H (2000) Tracheobronchial involvement in relapsing polychondritis. Respiration 67:320–322CrossRefPubMed