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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 04.03.2024

Operative Zugänge am Kniegelenk: Tibiakopf

Verfasst von: Christian Peez und Markus Berninger
Aufgrund der komplexen Verletzungsmuster und der teils kompromittierten Weichteile stellt die operative Versorgung von Tibiakopffrakturen eine große chirurgische Herausforderung dar. Um eine anatomische Gelenkflächenrekonstruktion und ein gutes funktionelles Ergebnis zu erreichen, sind eine direkte Visualisierung der Gelenkfläche, intraartikuläre Reposition sowie biomechanisch optimale Positionierung der abstützenden Osteosynthese essenziell. Während Frakturen des anterioren Drittels des lateralen und medialen Tibiakopfes den Standardzugängen (anterolateral/anteromedial) vorbehalten sind, so erfordern Frakturen der posterioren Säule/Segmente in der Regel individuelle (teils kombinierte) Zugänge (posterolateral/posteromedial), um eine Reposition unter Sicht sowie direkte osteosynthetische Abstützung zu gewährleisten. Die vollständige Aufsicht auf die zentralen Segmente des Tibiaplateaus ist jedoch bei mehrfragmentärer Gelenkflächendestruktion v. a. durch den Innen- und Außenbandkomplex eingeschränkt, sodass eine schrittweise Erweiterung der Zugangswege mittels medialer oder lateraler Epikondylenosteotomie für eine optimale Visualisierung aller betroffenen Segmente notwendig werden kann.

Hintergrund

Mit einer Inzidenz von 10,3/100.000 Einwohner pro Jahr stellen Tibiakopffrakturen eine relativ seltene, jedoch häufig schwerwiegende Verletzungsentität des Kniegelenks dar (Elsoe et al. 2015). Bedingt durch die steigende Anzahl von Hochrasanzverletzungen in der jungen Bevölkerung, wie z. B. durch Verkehrs- oder Sportunfälle, sowie im Rahmen des demografischen Wandels mit der Zunahme von Bagatelltraumata unter älteren Patienten mit osteoporotischer Knochenqualität, treten vermehrt mehrfragmentäre Tibiakopffrakturen auf, was sich in Deutschland im Zeitraum von 2009 bis 2019 in einer um 9 % gestiegenen Inzidenz widergespiegelt (Elsoe et al. 2015; Krause et al. 2016; Rupp et al. 2021).
In etwa ein Drittel aller Fälle werden bikondyläre Tibiakopffrakturen mit mehrfragmentärer Gelenkflächendestruktion beobachtet (Elsoe et al. 2015; Krause et al. 2016). Trotz der technischen Fortschritte in der operativen Versorgung konnten Meulenkamp et al. zeigen, dass in bis zu 77 % Gelenkstufen posterolateral verbleiben und eine anatomische Reposition von Tibiakopffrakturen mit posterolateraler/zentraler Beteiligung unter rein fluoroskopischer Kontrolle nicht zu erreichen ist (Meulenkamp et al. 2017). Jedoch hängt das klinische Outcome nach Tibiakopffrakturen maßgeblich von der Qualität der Reposition ab. So zeigen Gelenkstufen unter 2,5 mm signifikant bessere Bewegungsumfänge und funktionelle Scores; Gelenkstufen von 2 mm führen zudem zu einer signifikant höheren Druckbelastung im Kniegelenk (Oeckenpohler et al. 2022; Rosteius et al. 2023; Singleton et al. 2017). Entsprechend wiesen Parkkinen et al. nach, dass eine Gelenkstufe von unter 2 mm nach 4 Jahren zu einer geringeren Arthroserate führt (Parkkinen et al. 2014). Somit ist die anatomische Reposition der Fraktur die Voraussetzung für ein gutes klinisches Ergebnis, wofür wiederum die Wahl des chirurgischen Zugangswegs entscheidend sein kann.
Im Folgenden werden die häufigsten Zugänge zum Tibiakopf und deren Indikationen im Hinblick auf die Darstellbarkeit der Gelenkfläche beschrieben.

Laterale Zugänge

Das laterale Tibiaplateau (isoliert oder kombiniert) ist in rund 89 % aller Tibiakopffrakturen betroffen, sodass den lateralen Zugängen eine große Bedeutung in der osteosynthetischen Stabilisierung von Tibiakopffrakturen zukommen (Krause et al. 2016).

Anterolateraler Zugang

Der anterolaterale Zugang ist bei anterolateralen Tibiakopfimpressions- und Impressions-/Spaltfrakturen sowie bei bikondylären Frakturen (mit zusätzlichen Zugangswegen) indiziert. Die Darstellbarkeit der lateralen Gelenkfläche ist auf das anterolaterale Drittel sowie partiell auf den posterolateralen Randbereich beschränkt, sodass dieser Zugang den anterolateral-lateralen/-zentralen und posterolateral-lateralen Frakturen vorbehalten ist (Krause et al. 2019a). Hingegen können posterozentrale und weit posterolaterale Frakturen mit diesem Zugang nicht suffizient adressiert werden (Behrendt et al. 2023; Solomon et al. 2013). Eine minimal-invasive Variante des anterolateralen Zugangs erlaubt unter arthroskopisch-gestützter Kontrolle die gewebeschonende Schraubenosteosynthese in der „Jail-Technik“ von geeigneten anterolateralen oder häufig auch posterolateralen Tibiakopfimpressionsfrakturen (Weimann et al. 2013) (Abb. 1).
Für den klassischen anterolateralen Zugang präferieren die Autoren unter Berücksichtigung einer möglichen späteren Notwendigkeit der Implantation einer Knieendoprothese statt der häufig geschwungenen Schnittführung einen geraden Hautschnitt. Dieser beginnt proximal des Epicondylus femoris lateralis und verläuft nach distal unmittelbar dorsal des Tuberculum gerdyi. Je nach Frakturverlauf (anterolateral-lateral oder anterolateral-zentral), kann der Hautschnitt entsprechend weiter nach dorsal oder ventral gesetzt werden. Mit dem Ziel den iatrogenen Weichteilschaden so gering wie möglich zu halten, sollte bei der weiteren Präparation das subkutane Gewebe möglichst wenig mobilisiert werden. Der Tractus iliotibialis wird im Faserverlauf bis über das Tuberculum gerdyi gespalten und anschließend direkt subperiostal nach ventral bis zur Tuberositas tibiae sowie dorsal bis zum Fibulakopf abgelöst. Die horizontale Arthrotomie unterhalb des Außenmeniskus, welcher für die spätere Refixation mit resorbierbarem Fadenmaterial armiert werden sollte, erlaubt die Einsicht in das vordere Gelenkdrittel. Für die Präparation des Plattenlagers wird die Faszie des Musculus tibialis anterior eröffnet und der Muskelbauch schonend von der anterolateralen Oberfläche der proximalen Tibia mobilisiert. Hierbei sollte eine ausreichend breite Faszienbrücke belassen werden, um später eine vollständige Weichteildeckung des Osteosynthesematerials zu erreichen (Abb. 2).

Posterolateraler Zugang

Der modifizierte posterolaterale Zugang ermöglicht sowohl eine Darstellung der posterolateralen Gelenkfläche (20 %) als auch des anterolateralen Quadranten, sodass dieser Zugang bei anterolateral-lateraler und posterolateral-lateraler Frakturmorphologie mit sehr posterioren Frakturverlauf indiziert ist (Frosch et al. 2010; Krause et al. 2019a). Er ermöglicht die Abstützung der posterioren Gelenkfläche über eine Schrauben- und/oder Plattenosteosynthese.
Die Lagerung des Patienten kann in Seiten- oder Bauchlage erfolgen. Bei bikondylären, multifragmentären Frakturen kann die intraoperative Umlagerung des Patienten notwendig werden. Alternativ können mit einer primären Seitenlagerung (z. B. in „floppy“ 45°, Floating-Lagerung) und Kippungen des OP-Tischs posteriore und anteriore Fragmente erfolgreich, meist auch ohne Umlagerung des Patienten, adressiert werden.
Über einen Hautschnitt im Verlauf der langen Bizepssehne und der proximalen Fibulaachse gelingt die Präparation von zwei Zugangsfenstern ventral und dorsal des Fibulakopfes (Abb. 3). Der Hautschnitt sollte nicht zu weit dorsal liegen, damit die Beugefalten der Kniekehle nicht tangiert und Narbenkontrakturen vermieden werden. Während die Präparation des ventralen Fensters analog zum anterolateralen Standardzugang erfolgt, dient der Musculus biceps femoris als Leitstruktur für die Präparation des dorsalen Fensters. Hierfür wird die Faszie im Längsverlauf der Bizepssehne eröffnet und der Nervus peroneus am Unterrand des Musculus biceps femoris identifiziert und ggf. kurzstreckig neurolysiert. Der variable proximale Verlauf und die distale intramuskuläre Aufzweigung des N. peroneus ist hierbei zu beachten. Anschließend wird stumpf-digital das dorsale Fenster zwischen dem lateralen Kopf des Musculus gastrocnemius und dem Musculus soleus präpariert. Hierbei kann der M. soleus zur Darstellung der Fraktur sowie Präparation des Plattenlagers proximal partiell eingekerbt werden. Der M. popliteus ist mit seinem tendinösen Anteil ein wichtiger passiver Stabilisator der posterolateralen Gelenkecke und sollte unbedingt geschont werden, er wird im Folgenden mit dem lateralen Kopf des M. gastrocnemius nach medial retrahiert. Die A. und V. poplitea werden hierbei ebenfalls geschont. Die sich darstellenden Äste der A. und V. genicularis inferior lateralis können ggf. legiert werden.

Erweitert laterale Zugänge

Die beschriebenen lateralen Zugänge erlauben jedoch häufig keine ausreichende Einsicht in alle frakturierten Gelenkflächenanteilen, da die direkte Visualisierung der Gelenkfläche durch den Außenmeniskus sowie das Außenband begrenzt ist (Krause et al. 2018). Im Falle einer komplexen, lateralen Gelenkflächendestruktion und v. a. bei Beteiligung des posterolateral-zentralen Segments kann die schrittweise Erweiterung der Zugangswege (anterolateral oder posterolateral) über eine laterale Epikondylenosteotomie oder Fibulakopfosteotomie eine direkte Darstellung des Tibiaplateaus ermöglichen und die (anatomische) Reposition kontrollieren (Bowers und Huffman 2008; Krause et al. 2019b, 2020a, b; Lobenhoffer et al. 1997). Da beim transfibulären Zugang der Fibulakopfosteotomie die Gefahr von sekundären Repositionsverlusten durch eine instabilere Osteosynthese im weicheren Fibulakopf (im Vergleich zum distalen Femur) sowie von Instabilitäten und/oder Verknöcherungen im proximalen Tibiofibulargelenk und Verletzungen des Nervus peroneus bestehen, favorisieren die Autoren die Osteotomie der lateralen Femurepikondyle (Berninger et al. 2022; Bowers und Huffman 2008; Johnson et al. 2013; Kfuri et al. 2017; Lobenhoffer et al. 1997; Pires et al. 2016).
Entsprechend dem bestehenden Zugang (anterolateral oder posterolateral) erfolgt die übliche Inzision des Tractus iliotibialis und Darstellung des femoralen Ansatzes des lateralen Kollateralbands sowie (unmittelbar distal) der Popliteussehne (Abb. 4). Die zusätzliche Einbeziehung des femoralen Ansatzes der Popliteussehne in die Osteotomie erlaubt eine noch größere Aufsicht in die zentralen Segmente und wird vor allem zur Visualisierung sehr komplexer Frakturverläufe in den zentralen Anteilen empfohlen (Krause et al. 2020a).
Mit einem breiten Osteotomiemeißel wird dann unmittelbar am femoralen Ansatz des Außenbands und der Popliteussehne ein rechteckiger Knochenblock (ca. 2 × 2 × 1 cm) herausgelöst. Anhängende Weichteilreste werden mit einer Präparierschere mobilisiert, sodass der Osteotomiewürfel nach distal gehalten werden kann und unter dosiertem Varusstress nun eine erheblich verbesserte Aufsicht der lateralen Gelenkfläche möglich ist. Für eine vollständige Einsicht auf das laterale Tibiaplateau kann der Außenmeniskus nach Inzision der posterolateralen, meniskokapsulären Fasern auch nach zentral in die interkondyläre Notch subluxiert werden (Guttowski et al. 2021; Korthaus et al. 2020). Nach erfolgter Frakturreposition und Osteosynthese der Tibiakopffraktur wird der Außenmeniskus wieder an seine anatomische Position mit Vicryl-Fäden refixiert. Die Außenmeniskuswurzel und die vordere kapsuläre Anheftung bleiben hierbei intakt. Abschließend erfolgt die Reposition des Osteotomiewürfels in das Defektbett und Osteosynthese mit zwei (kanülierten) Spongiosa- oder Kleinfragmentschrauben. Wahlweise können vor Komplettierung der Osteotomie bereits zwei Vor-Bohrungen für die Schrauben erfolgen, um abschließend eine passgenaue Reposition zu erleichtern.

Mediale Zugänge

Während isolierte anteromediale Frakturen nur sehr selten auftreten, werden mediale Plateaufrakturen häufig in Assoziation mit bikondylären Frakturen als posteromedialer Spaltbruch beobachtet, welcher hinweisend für einen stattgehabten Luxationsmechanismus ist (Krause et al. 2016; Moore 1981; Xie et al. 2020). Bei bikondylären Frakturen erfolgt daher in der Regel zunächst die Reposition und direkte Osteosynthese des medialen Gelenkblocks über eine posteromediale Abstützplatte. Die primäre Rekonstruktion der medialen Säule erleichtert im Weiteren die Ausrichtung des Tibiakopfes in seiner korrekten Länge, Achse und Rotation sowie posterioren Inklination (Galla et al. 2009; Zeng et al. 2011).

Anteromedialer Zugang

Da mit dem anteromedialen Zugang maximal das anteriore Drittel der medialen Gelenkfläche visualisiert werden kann, ist dieser Zugang nur den wenigen ausgewählten Fällen einer anteromedialen Impressions- oder Spaltfraktur vorbehalten (Krause et al. 2016, 2019a).
Der Hautschnitt beginnt im anterioren Bereich der medialen Femurepikondyle und verläuft medial parapatellar nach distal in Richtung der Tuberositas tibiae bzw. anteromedialen Tibiakante (Tscherne und Lobenhoffer 1993). Bei der Schnittführung ist ein potenziell im Verlauf anstehender Zugang für eine Endoprothesenimplantation zu berücksichtigen (Hu et al. 2013). Zudem sollte im Falle eines zusätzlichen anterolateralen Zugangs eine ausreichende Haut- bzw. Weichteilbrücke zwischen beiden Zugängen erhalten bleiben (mindestens 7–8 cm), um Wundheilungsstörungen und Nekrosen zu vermeiden. Nach Präparation der Subkutis und möglichst Schonung des Ramus infrapatellaris des Nervus saphenus wird das mediale Retinakulum längs inzidiert, um die anteromediale Gelenkkapsel darzustellen. Die Gelenkkapsel wird sodann ebenfalls in Längsrichtung inzidiert, um anschließend nach horizontaler Durchtrennung der meniskotibialen Fasern tibialseitig das Gelenk zu eröffnen.
Die ventralen Anteile des oberflächlichen Innenbands limitieren die Einsicht nach dorsal, sodass bei Notwendigkeit der Darstellung der zentralen Anteile der medialen Gelenkfläche eine Zugangserweiterung über eine mediale Epikondylusosteotomie erfolgen kann (siehe Kapitel erweiterte mediale Zugänge).

Posteromedialer Zugang

Der posteromediale Standardzugang ermöglicht eine gute extraartikuläre Darstellung von posteromedialen, koronaren Abscherfrakturen sowie deren distalen Frakturausläufern, die häufig im Rahmen von bikondylären Tibiakopffrakturen auftreten. Die Visualisierung der Gelenkfläche selbst ist jedoch eingeschränkt (Krause et al. 2019a; Lobenhoffer et al. 1997).
Der Hautschnitt erfolgt bei Rückenlagerung des Patienten mit leicht flektiertem Kniegelenk und wird entlang der posteromedialen Tibiakante durchgeführt. Während der subkutanen Präparation sollte die Vena saphena magna und der Nervus saphenus geschont werden. Nach Identifikation der Hamstringsehnen werden diese in Abhängigkeit der Frakturmorphologie retrahiert und das darunterliegende superfizielle mediale Kollateralband (sMCL) dargestellt. Falls der posteromediale Kapsel-Band-Apparat intakt sein sollte, kann im Übergangsbereich zwischen dem sMCL und dem hinteren Schrägband (POL) eine längsverlaufende Arthrotomie durchgeführt werden, um die Frakturausläufer nach proximal zur posteromedialen Tibiakante verfolgen zu können. Anschließend wird die Faszie des medialen Kopfes des M. gastrocnemius medialis eröffnet und der Muskelbauch nach posterior retrahiert, um das posteromediale Plattenlager zu präparieren (Lobenhoffer et al. 1997). Insbesondere bei koronaren Splitfrakturen gelingt in der Regel über die Reposition der extraartikulären Frakturausläufern und Osteosynthese mit einer posteromedialen Abstützplatte eine anatomische Wiederherstellung der Gelenkfläche (Lobenhoffer et al. 1997).

Direkt posteromedialer Zugang

Da die Gelenkeinsicht in Rückenlage über das Fenster zwischen dem sMCL und POL limitiert ist, sollte bei dorsaler multifragmentärer Gelenkflächenbeteiligung oder großem dorsalen Gelenkblock mit posterozentralen Frakturkomponenten ein direkt posteromedialer Zugang erfolgen (Galla et al. 2009). Dieser Zugang wird primär in Bauchlage durchgeführt und bietet gegenüber dem posteromedialen Standardzugang den Vorteil, dass eine bessere Visualisierung der posteromedialen sowie posterozentralen Gelenkfläche möglich ist und zudem (in Bauchlage) durch eine Hyperextension des Kniegelenks die Reposition eines posteromedialen koronaren Splitfragmenes bereits durch die Ligamentotaxis unterstützt werden kann (Krause et al. 2019a). Eine minimal-invasive Variante des direkten posteromedialen Zugangs in Bauchlage ermöglicht die Refixation von knöchernen Avulsionen des hinteren Kreuzbands über eine direkte minimal-invasive Schraubenosteosynthese (Frosch et al. 2012).
Nach Identifikation der Beugefalte und des medialen Gastrocnemiuskopfs erfolgt der Hautschnitt unterhalb der Beugefalte entlang des medialen Gastrocnemiuskopfs nach distal. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Schnittführung nicht die Beugefalte kreuzt, um sekundäre Narbenkontrakturen zu vermeiden. Nach der subkutanen Präparation und Längsspaltung der Faszie wird der mediale Gastrocnemiuskopf durch eine stumpfe digitale Präparation vom darunterliegenden M. semimembranosus mobilisiert. Durch Retraktion des medialen Gastrocnemiuskopfs nach lateral wird zum einen das popliteale Gefäß-Nerven-Bündel geschützt und zum anderen kommen in der Tiefe die posteromediale Gelenkkapsel sowie der M. popliteus zum Vorschein, welcher mit einem Raspatorium nach lateral mobilisiert wird, um die posterioren Frakturanteile darstellen zu können. Im Falle einer erschwerten Mobilisation (z. B. Adipositas oder hoher Muskeltonus) kann der femorale (sehnige) Ansatz des M. gastrocnemius medialis partiell eingekerbt werden. Eine horizontale Inzision der posteromedialen Gelenkkapsel unterhalb des Innenmeniskus-Hinterhorns unter Schonung des hinteren Kreuzbands sowie der Semimembranosus-Insertion ermöglicht eine direkte Sicht auf die posteromediale Gelenkfläche (Krause et al. 2019a). Die partielle proximale Lösung der Insertion des M. soleus anlog zum posterolateralen Zugang erlaubt die Darstellung des posteromedialen Plattenlagers (Abb. 5).
In seltenen Fällen kann dieser Zugang entlang der Beugefalte nach lateral verlängert werden, um auch posterolaterale Frakturanteile visualisieren zu können, welche jedoch über einen additiven posterolateralen Zugang besser zu adressieren sind, sodass letzterer in diesen Fällen zu empfehlen ist (Krause et al. 2019a; Muhm und Winkler 2015).

Erweitert medialer Zugang

Da die Einsicht von zentral gelegenen Arealen des medialen Tibiaplateaus durch die Konkavität der medialen Gelenkfläche sowie dem großflächig aufliegenden sMCL und POL nur eingeschränkt möglich ist, kann im Fall einer komplexen medialen Gelenkdestruktion der Zugang mit einer medialen Epikondylenosteotomie erweitert werden, um die mediale Gelenkfläche samt zentraler Abschnitte nahezu vollständig visualisieren zu können (Engh 1999; Krause et al. 2019a; Mihalko et al. 2013).
Nach entsprechender Zugangspräparation abhängig vom Frakturmuster wird zunächst die Insertion des Innenbandkomplexes am medialen Femurepikondylus identifiziert, welcher analog zum lateralen Femurepikondylus unter Bildung eines 2 × 2 × 1 cm messenden Knochenblocks zirkumferent osteotomiert wird und somit das sMCL und POL miteinschließt. Nach horizontaler Arthrotomie kann unter dosiertem manuellen Valgusstress rund 70 % des medialen Tibiaplateaus (nicht jedoch das dorsale Drittel) eingesehen werden. Analog zur lateralen Epikondylusosteotomie erfolgt abschließend die Reposition des Osteotomiewürfels und Osteosynthese mit zwei Spongiosa- oder Kleinfragmentschrauben. Wahlweise können vor Komplettierung der Osteotomie bereits zwei Vor-Bohrungen für die Schrauben erfolgen, um abschließend eine passgenaue Reposition zu erleichtern.
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