Um den Grundgedanken supportiver Therapie zu verstehen, ist es notwendig, einen Blick in die Wiege der
Psychotherapie zu werfen, die Psychoanalyse (vgl. Kap.
Psychodynamische Psychotherapie): Ein wesentlicher Wirkmechanismus der psychoanalytischen Therapie liegt in der Arbeit mit bewusstseinsfernem Material und mithilfe von Deutungsarbeit im Rahmen der Übertragungsbeziehung zwischen Patient und Therapeut. Um von psychoanalytischer Therapie profitieren zu können, werden damit bestimmte Eigenschaften von Patienten vorausgesetzt, wie die Fähigkeiten, die eigene Erlebniswelt und den therapeutischen Prozess zu reflektieren oder auf die Deutungen des Therapeuten reagieren zu können. Bei
akuten Belastungsreaktionen oder schweren ich-syntonen Störungen ist die Fähigkeit zur Introspektion und Selbstreflektion oftmals jedoch stark herabgesetzt. Um diesen Patienten dennoch gerecht werden zu können, kamen in den 1950er-Jahren Techniken und Methoden im amerikanischen Raum auf, die den Fokus weniger auf die Persönlichkeitsreifung als auf die Unterstützung bei der Bewältigung von Alltagsanforderungen setzten (Wolberg
1967). Diese wurden allesamt als
supportiv bezeichnet. Im psychoanalytischen Störungsmodell zielen diese auf die Stärkung des Ichs in der Triade zwischen Ich, Es und Über-Ich ab, also bei Vorliegen einer sog.
Strukturschwäche. Eine stützende, warme und reale Beziehung zwischen Therapeut und Patient stieß seinerzeit in psychoanalytischen Kreisen jedoch auf vehemente Ablehnung, da sie dem Grundprinzip der Abstinenz in der Psychoanalyse im Kern zu widersprechen schien (vgl. Winston et al.
1986). Obgleich Psychoanaltiker wie Kernberg (
1984) über die stützende Therapie schrieben, dass ihre Ausübung viel Erfahrung, Flexibilität und Geschicklichkeit erfordere und sowohl Feingefühl wie auch Krankheitsverständnis voraussetze, wird sie bis heute als laienhafte und anspruchslose Therapie zweiter Klasse abgetan. Viele Autoren beschreiben sie als „Cinderella of psychotherapies“ (Winston et al.
1986), da sie augenscheinlich keine hochentwickelten Therapietechniken zu nutzen scheint, sondern eher auf basale Bedürfnisse von Patienten abzielt.