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Supportive Psychotherapie und ärztliche Gesprächsführung

Verfasst von: Roland Weierstall und Klaus Schonauer
Supportive Psychotherapie ist ein fundamentales Element der psychiatrischen Grundversorgung. Sie ist bei Patienten im Zustand akuter psychischer Dekompensation oder bei schweren sowie chronischen ich-syntonen psychischen Störungen indiziert. Sie findet bei denjenigen Patienten Anwendung, deren Ressourcen nicht ausreichen, um von spezifischen psychotherapeutischen Verfahren profitieren zu können, welche eine Reflektion des eigenen Erlebens und Verhaltens aus einer selbstdistanzierten Haltung heraus erfordern. Die therapeutischen Maßnahmen sind v. a. darauf ausgerichtet, ein möglichst hohes Funktionsniveau und eine hohe Lebensqualität trotz bestehender Symptomatik sicherzustellen. Supportive Psychotherapie ist eklektisch und darauf ausgerichtet, Interventionen an die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse der Patienten anzupassen.

Einleitung

Ein Blick in die Forschungsliteratur und die Weiterbildungsangebote für Fachärzte und Psychotherapeuten erweckt oftmals den Anschein, als ob das Hauptaugenmerk psychotherapeutischer Techniken auf der Bearbeitung und Veränderung von psychischen Konflikten liegen könnte. Die Versorgungsrealität ist jedoch eine andere, da v. a. im stationären Setting so-genannte supportive Techniken den größten Anteil am psychotherapeutischen Behandlungsangebot ausmachen (Spießl et al. 2008). Diese zielen darauf ab, eine Stabilisierung des aktuellen Zustands der Patienten zu fördern, schrittweise die Funktionalität der Patienten zu verbessern und ihre selbstbestimmte Lebensführung zu unterstützen. Die Klärung und Bearbeitung von Konflikten und Problemen, welche der Psychopathologie zugrunde liegen, ist dabei in der Regel nicht Gegenstand der Therapie. Diese inhaltliche Ausrichtung ist v. a. durch die Störungsbilder bedingt, welche im vollstationären Setting dominieren, wie schwere und chronifizierte psychische Störungen, akute Dekompensationen oder Dysfunktionalitäten im Zuge von Hospitalisierungserscheinungen. Die Fähigkeit zur Selbstreflektion, Selbstdistanzierung, Mentalisierung, Einsicht in die Ursachen einer Störung oder andere notwendige Voraussetzungen für spezifische Psychotherapieverfahren sind bei Patienten mit diesen Störungsbildern oftmals stark herabgesetzt. Therapieziele, wie sie im Rahmen der Richtlinienverfahren formuliert sind, können folglich nur unzureichend umgesetzt werden, sodass ein eher stützender Umgang mit diesen Patienten erforderlich wird. Zur supportiven Therapie zählen dabei Aufgaben wie die Unterstützung bei alltäglichen Anforderungen, die Entlastung bei Problemen oder die Bereitstellung einer verlässlichen Beziehung. Die supportive Therapie bildet auch die Basis im Anfangsstadium weiterführender spezifischer Psychotherapie, um ein ausreichend stabiles Funktionsniveau und basale Ressourcen zu sichern. Sie ist damit ein fundamentales Element der psychiatrischen Grundversorgung. Im vorliegenden Kapitel werden zunächst die Grundzüge der supportiven Psychotherapie erläutert. Auf diesen aufbauend wird die ärztliche Gesprächsführung eingeführt, die sich wesentlicher Merkmale der supportiven Psychotherapie bedient.

Begriffsbildung

Etymologie

Der Begriff „supportiv“ ist historisch im englischen Verb „to support“ und in romanischen Äquivalenten dieses Verbs, wie z. B. dem französischen „supporter“ verwurzelt. Die ursprüngliche Bedeutung geht über die reine Unterstützung hinaus und beinhaltet auch Förderung, Beistand, Tragen und Aushalten. Alle Bedeutungsvarianten des Begriffs markieren wesentliche Behandlungsziele supportiver Psychotherapie.

Historisches Fundament

Um den Grundgedanken supportiver Therapie zu verstehen, ist es notwendig, einen Blick in die Wiege der Psychotherapie zu werfen, die Psychoanalyse (vgl. Kap. Psychodynamische Psychotherapie): Ein wesentlicher Wirkmechanismus der psychoanalytischen Therapie liegt in der Arbeit mit bewusstseinsfernem Material und mithilfe von Deutungsarbeit im Rahmen der Übertragungsbeziehung zwischen Patient und Therapeut. Um von psychoanalytischer Therapie profitieren zu können, werden damit bestimmte Eigenschaften von Patienten vorausgesetzt, wie die Fähigkeiten, die eigene Erlebniswelt und den therapeutischen Prozess zu reflektieren oder auf die Deutungen des Therapeuten reagieren zu können. Bei akuten Belastungsreaktionen oder schweren ich-syntonen Störungen ist die Fähigkeit zur Introspektion und Selbstreflektion oftmals jedoch stark herabgesetzt. Um diesen Patienten dennoch gerecht werden zu können, kamen in den 1950er-Jahren Techniken und Methoden im amerikanischen Raum auf, die den Fokus weniger auf die Persönlichkeitsreifung als auf die Unterstützung bei der Bewältigung von Alltagsanforderungen setzten (Wolberg 1967). Diese wurden allesamt als supportiv bezeichnet. Im psychoanalytischen Störungsmodell zielen diese auf die Stärkung des Ichs in der Triade zwischen Ich, Es und Über-Ich ab, also bei Vorliegen einer sog. Strukturschwäche. Eine stützende, warme und reale Beziehung zwischen Therapeut und Patient stieß seinerzeit in psychoanalytischen Kreisen jedoch auf vehemente Ablehnung, da sie dem Grundprinzip der Abstinenz in der Psychoanalyse im Kern zu widersprechen schien (vgl. Winston et al. 1986). Obgleich Psychoanaltiker wie Kernberg (1984) über die stützende Therapie schrieben, dass ihre Ausübung viel Erfahrung, Flexibilität und Geschicklichkeit erfordere und sowohl Feingefühl wie auch Krankheitsverständnis voraussetze, wird sie bis heute als laienhafte und anspruchslose Therapie zweiter Klasse abgetan. Viele Autoren beschreiben sie als „Cinderella of psychotherapies“ (Winston et al. 1986), da sie augenscheinlich keine hochentwickelten Therapietechniken zu nutzen scheint, sondern eher auf basale Bedürfnisse von Patienten abzielt.

Aktuelle Bedeutung der supportiven Psychotherapie und Definition

Supportive Therapie wurde bereits von Heim (1980) als die „häufigste vom Psychiater praktizierte Methode“ gewürdigt. Sie ist v. a. aus dem vollstationären und dem Heimsetting als zentrales Element nicht wegzudenken. Trotz ihrer Bedeutung und des hohen Behandlungsbedürfnisses seitens der Patienten gibt es kaum Institute, die sich der Erforschung oder Vermittlung von Techniken der supportiven Psychotherapie widmen. Supportive Psychotherapie wird oftmals – ähnlich einem Placebo – als intuitives und unspezifisch förderliches Verhalten des Behandlers gegenüber dem Patienten gesehen, was übrig bleibt, wenn bei einer Intervention eines etablierten Verfahrens die Wirkung der schulenspezifischen Technik abgezogen wird. Diese Einschätzung ist jedoch grundlegend falsch, da die schulenspezifische Neutralität keineswegs bedeutet, dass die supportive Psychotherapie keine eigenständige Behandlungsform darstellt und in ihren Methoden weniger spezifisch ist als andere Therapieformen.
Supportive Psychotherapie
Supportive Psychotherapie bezeichnet ein Spektrum von Interventionen, die Patienten mit einem geringen psychosozialen Funktionsniveau, wenig ausgeprägten Ressourcen, herabgesetzter Reflektions-, Introspektions- oder Mentalisierungsfähigkeit dabei unterstützen, 1) trotz möglicher vorliegender Symptome alltägliche Probleme oder Schwierigkeiten, die auch aus der psychischen Störung resultieren können, zu lösen, 2) einen möglichst selbstbestimmten Lebensvollzug herzustellen und 3) eine Anpassung an die Umwelt oder die Störung zu erleichtern. Sie ist an den Bedürfnissen der Patienten orientiert und versucht Ressourcen zu erschließen oder diese zu festigen.
Der Wirkungsweg supportiver Psychotherapie steht damit dem relativ nahe, was Grawe et al. (1994) mit der Ressourcenaktivierung, der therapeutischen Beziehung und der Problembewältigungsperspektive in der Psychotherapie beschrieben haben. Die hohe Kunst der supportiven Arbeit liegt darin, die Patienten im Rahmen ihrer Psychopathologie teils direktiv zu stützen oder zu leiten, ohne sich dabei übergriffig und manipulativ über ihr Recht auf Selbstbestimmung hinwegzusetzen. Supportive Therapie geht damit mit einem hohen Maß an Verantwortung einher und erfordert Grenzen zu antizipieren, die Patienten aufgrund ihrer Verstrickung nicht zu äußern in der Lage sind.

Konzeptuelle Prägungen supportiver Psychotherapie

Supportive Therapie in Abgrenzung zu den klassischen Richtlinienverfahren

Psychoanalyse und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
Für die Ableitung der Indikation von supportiver Psychotherapie dient das psychoanalytische Störungsmodell als hilfreicher Orientierungsrahmen: Die klassische psychoanalytische Therapie zielt darauf ab, Einsicht in innere Konflikte anzuregen. Dies erfordert vom Patienten innerpsychische Prozesse realitätsgerecht aus einer Metaperspektive heraus zu reflektieren. Patienten mit einer so-genannten Ego-Schwäche und einem niedrigen Strukturniveau, die für ein einsichtorientiertes Vorgehen nicht über die notwendigen Ressourcen verfügen, zählen zum Indikationsspektrum supportiver Therapie. Die Einschätzung des Strukturniveaus anhand psychoanalytischer und psychodynamischer Kriterien kann damit die Auswahl der Therapiemethoden in der psychiatrischen Grundversorgung erleichtern.
Kognitive Verhaltenstherapie
Mit den lerntheoretisch verankerten Verfahren teilt die supportive Psychotherapie das Ziel, neues Verhalten aufzubauen, das die Funktionalität im Alltag erhöht und neue positive Lernerfahrungen ermöglicht. Die Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie (Kap. Verhaltenstherapie) setzen jedoch ebenso wie die meisten anderen psychotherapeutischen Verfahren eine entsprechende Reflektionsfähigkeit voraus und sind damit eher für Patienten mit einem höheren Strukturniveau geeignet. Daher verzichtet die supportive Therapie darauf, Krankheitsmodelle mit dem Patienten zusammen zu elaborieren und deren Einsicht in Reiz-Reaktionsketten oder die Dysfunktionalität bestimmter Denkstile und Interpretationen anzustreben. Positive Verstärkung seitens des Therapeuten wird auf einer viel basaleren Ebene eingesetzt und auch zielführendes Alternativverhalten wird auf direktive Weise durch Anleitung angeregt.

Supportive Psychotherapie im Wandel schulenspezifischer Techniken

Die Wirksamkeitsforschung widmet sich zunehmend auch denjenigen psychotherapeutischen Verfahren, die bislang weniger beforscht waren. Damit erhalten immer mehr Techniken und Konzepte Einzug in die Therapielandschaft. So flossen beispielsweise im Zuge der sog. emotionalen Welle der kognitiven Verhaltenstherapie Psychotherapieformen mit ein, wie die Schematherapie (Kap. Schematherapie), die mehr denn je supportiven Charakter besitzen. Eine zunehmende Anerkennung der Wirksamkeit gewinnt ebenfalls die systemische Psychotherapie (Kap. Systemische Psychotherapie und ihre klinische Anwendung), die einen fundamentalen Grundzug mit der supportiven Psychotherapie teilt: Auch wenn die therapeutische Grundhaltung in der systemischen Therapie der direktiven und führenden Haltung in der supportiven Therapie fast konträr entgegensteht, so ist diese doch in gleicher Weise lösungsorientiert und konsequent darauf ausgerichtet, funktionale Veränderungen konsequent zu fördern. Ebenso richtet sie ihre Techniken auf die Lösung des Problems aus, ohne spezifische Störungsmodelle zu entwickeln oder die Auswahl von Interventionen an Diagnosen zu knüpfen. Zugleich entwickelt sich in der Wirksamkeitsforschung eine zunehmende Öffnung für die Berücksichtigung von Therapeutenvariablen: Eigenschaften des Therapeuten und die therapeutische Haltung, wie sie essentiell für die supportive Psychotherapie sind, werden damit nicht als gegeben hingenommen, sondern rücken in den Fokus der Wissenschaft. Mit der Zunahme gesundheitspsychologischer Forschung erfolgt auch vermehrt eine Hinwendung zu Konstrukten wie Wohlbefinden und Lebensqualität, also denjenigen Parametern, die nicht unabhängig von einer psychiatrischen Symptomatik sind, aber die trotz persistierender Symptome gesteigert werden können. Mit einer Zunahme der Bedeutung von Gesundheitsvariablen jenseits störungsspezifischer Symptome ist zu hoffen, dass auch die supportive Psychotherapie als eine spezielle und anspruchsvolle Form der psychotherapeutischen Arbeit Anerkennung finden wird.

Supportive Psychothherapie und Diätetik

Neben der Einordnung der supportiven Psychotherapie in den Zusammenhang zu den dominierenden Richtlinienverfahren und aufkommenden Therapieströmungen, führt das Konzept „supportive Psychotherapie“ noch zu einem weiteren, dem historisch wohl ältesten Fundament der Heilkunde zurück, der Diätetik. In der griechischen wie auch in der arabischen Medizin galt die Diätetik, neben der Pharmazeutik und der Chirurgie, als dritter Grundpfeiler der gesamten Heilkunde. Diese in der Antike verwurzelte Bewältigungsstrategie zielt darauf ab, durch regelgeleitete und vernunftgemäße Lebensführung gesundheitsfördernde Ressourcen zu aktivieren. Ziel ist die Vermittlung der Erfahrung, dass selbst ein Leiden, das unkontrollierbar erscheint, durch eigenes Dazutun positiv beeinflusst werden kann. Die schrittweise Sammlung positiver Erfahrungen trotz vorherrschender Symptome bildet die Grundlage dafür, eine interne Kontrollüberzeugung entwickeln zu können, und kann so zu einer Stabilisierung und schrittweisen Verbesserung des Zustandsbilds beitragen.

Prinzipien supportiver Psychotherapie

Therapeutische Grundhaltung

Die therapeutische Grundhaltung supportiver Psychotherapie lässt sich durch drei wesentliche Pfeiler charakterisieren (Abb. 1):
Empathie und authentische Wertschätzung
Die wesentlichsten Bestandteile supportiver Psychotherapie sind die von Rogers (1977) im Zusammenhang mit der klientenzentrierten Psychotherapie entwickelten Begriffe der Empathie und Wertschätzung. Empathie beschreibt den Versuch des Therapeuten, die Erlebenswelt des Patienten möglichst präzise verstehen zu lernen, um sich in diese einfühlen zu können. Die Wertschätzung zielt auf die ganzheitliche Anerkennung des Patienten als Person ab, auch wenn einzelne Symptome und Bewältigungsversuche nicht normkonform sind. Die authentische, einfühlsame und positive Zuwendung in der Beziehung zum Patienten stellt die zentrale therapeutische Grundhaltung dar und sollte in der supportiven Therapie als zentrales Element angestrebt werden. Es ist dabei oftmals sehr anspruchsvoll, der Erlebenswelt von strukturschwachen Patienten mit realem Verständnis zu begegnen.
Fürsorgliche Direktivität
Die mit patientenseitiger Strukturschwäche zusammenhängenden Interventionen sind häufig ausgesprochen direktiv. Aus diesem Grund spielt die stetige Reflektion aller Interventionen eine entscheidende Rolle, um zu verhindern, dass der Therapeut sich im „kompletten Management“ (Möller 1978) der Angelegenheiten seines Patienten verliert oder aber an dessen realen Einsichts- und Handlungsmöglichkeiten vorbei interveniert. Arzt und Therapeut sollen durch fürsorgliche Zuwendung aber auch Vorgabe von Struktur und Grenzen das Funktionsniveau der Patienten fördern und die Erfahrung von „Selbst-Effizienz“ (Bandura 1977) unterstützen. Das wohl wichtigste Gebot für den Therapeuten besteht darin, jegliche Übergriffigkeit zu vermeiden und der Selbstbestimmung größtmöglichen Raum zu bieten.
Lösungsorientierung
Die supportive Psychotherapie ist stark lösungsorientiert. Sie versucht den Patienten stützende Interventionen anzubieten, die effektiv zu einer unmittelbaren Erleichterung beitragen. Die Interventionen sind dabei auf die dem Patienten zugänglichen Ressourcen zugeschnitten. Diese können beispielsweise in einer Umgestaltung der Tagesstruktur, einer Veränderung der Schlafgewohnheiten, im Erwerb des Führerscheins, im Erlernen eines Entspannungsverfahrens oder einer Protokollierungstechnik, oder in der Aneignung patientengerecht aufbereiteten empirischen Wissens über die Erkrankung liegen. Ihre Richtschnur ist – nach einer Definition von Kind (1982) – „die Stärkung und Unterstützung bestehender Abwehrkräfte im seelischen Haushalt und die Erarbeitung neuer und besserer Verhaltensweisen, um die Kontrolle über sich selbst zu bewahren und eine angemessene Anpassung an Umweltbedingungen zu erreichen.“

Die Rolle des supportiven Therapeuten

Der Therapeut verhält sich initiativ bis direktiv. Er hat in der Beziehungsgestaltung mit dem Patienten eine führende und richtungweisende Rolle, die weder auf der einen Seite abstinent noch auf der anderen Seite freundschaftlich oder intim ist. „Väterliche“ oder „mütterliche“ Verhaltensweisen entsprechen der auf Fürsorge aber auch Förderung von Selbstständigkeit ausgerichteten Haltung. Ebenso kann der supportive Therapeut als Lernmodell fungieren. Die möglichst autonome und selbstbestimmte Bewältigung der aktuellen Lebenssituation muss immer Priorität besitzen. Beziehungsgestaltung, Ratschläge und direktive Empfehlungen können durchaus sinnvoll und gewinnbringend sein. Erwartungen und Wünsche des Patienten an den Arzt (Übertragung), die jedoch im gesetzten Rahmen des Arzt-Patient-Kontaktes und einer professionellen Nähe nicht unterzubringen sind, müssen frühzeitig angesprochen und geklärt werden.
Übertragung ist in der supportiven Psychotherapie kein Element der Behandlungstechnik, sondern unmittelbarer Anlass zur kritischen Beziehungsprüfung. Arzt und Therapeut sollten stets darum bedacht sein, durch ihr Verhalten nicht Teil der Psychopathologie zu werden, um dysfunktionale Muster nicht zu verstärken.

Die therapeutische Beziehung

Die therapeutische Beziehung ist nicht nur der Rahmen für den Einsatz spezifischer Techniken, sondern eigenständiges behandlungstechnisches Element. Sie ist atmosphärisch wohlwollend bis fürsorglich und sollte vom Respekt für die vom Patienten bereits unternommenen Versuche der Krankheitsbewältigung getragen sein. Sie endet nicht damit, dass Patienten ihre selbstgesteckten Ziele erreicht haben, sondern bleibt darüber hinaus verlässlich (Rockland 1995). Der Patient sollte Erwartbares, Verlässlichkeit und Sicherheit vorfinden. Einschätzungen und Prognosen sollten als zuverlässig erlebt werden und mithin entängstigend sein. Andererseits sollen aber auch positive Erfahrungen im Umgang mit Veränderungen und Unerwartetem erfahrbar gemacht werden. Dies setzt vom Arzt und Therapeuten eine besonders feinfühlige Abwägung voraus, ob Interventionen stützend oder fordernd sein sollen. Das Entgegenbringen authentischer Wertschätzung kann eine Herausforderung für den Arzt oder Therapeuten darstellen, da supportive Psychotherapie häufig bei den „schwierigeren“ Fällen Anwendung findet. Hierzu zählen gescheiterte Therapieversuche, ein chronisch progredienter Verlauf mit wenig Hoffnung auf grundlegende Veränderungen der Symptomatik oder die Beschränkung von Therapie auf die alleinige Verhinderung einer Symptomverschlechterung. Eine regelmäßige Supervision ist daher dringend empfohlen, um eine professionelle supportiv-therapeutische Beziehung aufrechtzuerhalten.

Nutzung adaptiver Ressourcen

Wann immer möglich ist es wichtig, die adaptiven Ressourcen, die sich auf dem bisherigen Weg des Patienten – zum Teil auch in seinem Krankheitsverhalten – entwickelt haben, zu fördern. Adaptive Ressourcen beziehen sich dabei auf den positiven Wert, der hinter einem Symptom liegen kann. Hierzu zählen beispielsweise:
  • kognitive Differenzierungsfähigkeit und Empfänglichkeit für theoretische Erklärungen bei intellektualisierenden Patienten,
  • Durchsetzungsfähigkeit bei narzisstischen Patienten,
  • Beziehungsfähigkeit bei Patienten mit dependenten Zügen,
  • Fähigkeit zu Disziplin und Struktur bei rigiden und zwanghaften Patienten,
  • generelle Leistungsbereitschaft bei Patienten mit Erschöpfungszuständen.
Ausnahmen bilden jedoch Zustände wie beispielsweise Trauerreaktionen oder Destabilisierungen nach langjährigen Missbrauchserfahrungen, bei denen ein gemeinsames Aushalten und das Nichtalleinsein in einer gefühlt unaushaltbaren Situation die zentralen Bedürfnisse des Patienten darstellen. Hierbei kann Psychotherapie zeitlich begrenzt die Funktion seelsorgerischer Tätigkeit im Sinne einer säkularisierten ärztlichen Seelsorge erfüllen. Die vorzeitige Suche nach dem Guten im Schlechten ist hier kontraindiziert.

Indikationsfragen

Einschätzung von Patientenvariablen

Die Indikation supportiver Psychotherapie erfolgt entgegen des gängigen störungsspezifischen Vorgehens meist anhand der Einschätzung spezifischer Patienteneigenschaften, auch wenn sich diese Eigenschaften bei bestimmten Störungsbilder natürlicherweise häufen:
Introspektionsfähigkeit
Der Patient ist aufgrund einer chronischen, schweren oder akuten Symptomatik nicht oder nur stark eingeschränkt in der Lage, sein inneres Erleben, seine Motive und sein Verhalten zu verstehen, zu reflektieren oder aus einer Metaperspektive heraus wahrzunehmen. Eine Fähigkeit zur kritischen Selbstreflektion ist nicht oder nur stark eingeschränkt vorhanden.
Strukturniveau
Der Patient zeigt sich gegenüber äußeren Einflüssen unberührbar oder gibt sich im anderen Extrem diesen vollständig hin, ohne dass es ihm gelingt, einen realitätsnahen und stabilen Abgleich zwischen Anforderungen der Umwelt und innerpsychischen Prozessen herzustellen.
Einschränkungen des psychosozialen Funktionsniveaus
Der Patient ist aufgrund der vorherrschenden Symptomatik stark eingeschränkt, den Anforderungen des alltäglichen Funktionierens und der Teilhabe an der Gesellschaft ohne Unterstützung gerecht zu werden.
Eingeschränkter Zugang zu Ressourcen
Benötigte Ressourcen sind dem Patienten nicht zugänglich oder nur geringfügig ausgeprägt, so dass er ohne Unterstützung von außen nicht in der Lage ist, eigenständig Veränderung herbeizuführen.

Indikationsspektrum

Supportive Psychotherapie hat ihre Indikationsdomänen an den Randbereichen, also am Anfang und am Ende des Spektrums psychischer Erkrankungen. Diese Domänen umfassen einerseits prämorbid gut integrierte, Ich-starke, introspektionsfähige Patienten mit einem guten Potenzial ungenutzter Ressourcen, bei denen eine akute Dekompensation v. a. auf signifikante Veränderungen in den aktuellen Lebensumständen zurückzuführen ist. Hierzu zählen unter anderem Trauer-, Belastungs- und Erschöpfungsreaktionen, auch bei infausten körperlichen Erkrankungen. Es ist empirisch belegt, dass bei akuten Belastungsreaktionen v. a. Faktoren wie Beruhigung, Verbundenheit und Sicherheit einen positiven Effekt besitzen (Hobfoll et al. 2007). Ein Drängen von Seiten der Ärzte oder Therapeuten in Richtung Aufarbeitung kann hier therapeutische Nebenwirkungen erzielen. Andererseits liegt eine spezifische Indikation aber auch bei strukturell inflexiblen, Ich-schwachen, wenig therapiemotivierten, sozial eher isolierten Patienten mit wenig ausgeprägten Ressourcen und minimaler Introspektionsfähigkeit vor. Hierzu zählen schwere, chronische und vor allem auch ich-syntone Störungen, bei denen die Therapie u. U. eher palliative als kurative Ziele avisiert. Indikationsbeispiele wären chronische Schmerzerkrankungen, sofern sie nicht Ausdruck einer Konversionsstörung sind, manifeste somatoforme Störungen, protrahierte neurotische Entwicklungen, schwere Persönlichkeitsstörungen, Oligophrenien, Demenzen oder chronisch schizophrene Psychosen. Darüber hinaus kann supportive Therapie dazu genutzt werde, durch eine Stabilisierung und Erschließung von Ressourcen die Voraussetzungen für eine konfliktbearbeitende Psychotherapie zu schaffen (Freyberger und Freyberger 1997).
Differenzialindikationen supportiver Psychotherapie
  • Patienten mit guten strukturellen Ressourcen und akutem Verlust prästabilisierter Balance (Trauerreaktion, Belastungsreaktion) → zeitlich befristete Stützung; ggf. Überführung in einen klärungsorientierten Prozess
  • Patienten mit schlechten strukturellen Ressourcen → langfristige Begleitung („guidance“)
  • Patienten mit mutmaßlichem Bedarf aber schlechter Motivation zur Psychotherapie oder ungenügender Einsicht in die Bedeutung psychischer Krankheitsfaktoren → Motivationsarbeit („First-pass-Psychotherapie“)
  • Schizophrene Psychosen in Remission → Tertiärprävention
  • Chronische Erkrankungen (besonders bei invariantem Bewältigungsstil) → adaptatives Probehandeln
  • Progrediente und infauste Erkrankungen → palliativ supportive Therapie

Setting

Supportive Psychotherapie besitzt v. a. im Rahmen der stationären Akutpsychiatrie eine hohe Bedeutung, indem eine Stabilisierung oder Motivierung für eine Anschlussbehandlung von Patienten im Vordergrund steht. Gleichermaßen bedeutsam ist sie bei Patienten im Heimsetting oder bei Patienten mit somatischem Leiden im Zuge der Betreuung im Hospiz. In der ambulanten Psychotherapie werden hingegen häufig ein ausreichendes psychosoziales Funktionsniveau und ein ausreichender Realitätsbezug vorausgesetzt, um die auf Einsicht und Klärung ausgerichteten spezifischen Psychotherapieverfahren einsetzen zu können. Hier sind v. a. Richtlinienverfahren anzutreffen. Bei Patienten mit einem ausreichend stabilen Funktionsniveau kann eine langfristige supportive Begleitung auch ambulant zur Tertiärprävention eingesetzt werden. Diese wird durch die Versicherer bedauerlicherweise jedoch oftmals nicht getragen. Eine besondere Rolle spielen Patienten mit akuten Trauer- oder Belastungsreaktionen, bei denen je nach Schwere der Symptomatik sowohl im stationären als auch im ambulanten Setting eine kurzzeitige stützende Maßnahme indiziert ist, ohne dass ein längerfristiger Therapieprozess, der auf fundamentale Veränderungen ausgelegt ist, notwendig wird.

Kontraindikationen

Kontraindikationen werden oftmals angegeben bei
  • beträchtlichem sekundärem Krankheitsgewinn (= Zuwendung durch den Arzt aufgrund der Symptomatik),
  • ausgeprägt anaklitischer (= in abhängigkeitsfördernder Weise anlehnender) Beziehungsgestaltung oder
  • einer ausgeprägten Tendenz zu Ich-syntonem Agieren.
Bei den genannten Fällen besteht die Befürchtung, dass durch die supportive Arbeitsweise dysfunktionale Verhaltensweisen und Strukturen der Patienten zementiert werden und es zu einem Missbrauch des unterstützenden Beziehungsangebots im Sinne der Psychopathologie kommen kann. Diese Argumentation lässt sich jedoch nur dann aufrechterhalten, wenn supportiv als bedingungslose Befriedigung der Primärbedürfnisse der Patienten interpretiert wird. Das fürsorgliche Grenzensetzen im Rahmen einer verlässlichen und tragfähigen Beziehung, bei der Verhalten des Patienten sanktioniert wird, aber unbedingte Wertschätzung für seine Person aufrechterhalten bleibt, ist jedoch in gleicher Weise supportiv. Es ermöglicht positive Erfahrungen und diskriminantes Lernen auch bei den Patienten mit den oben genannten Psychopathologien. Letztlich bleibt ein Rest an Patienten tragischer Weise übrig, der weder von den Richtlinienverfahren noch von supportiven Techniken profitieren können.

Verfahrensweisen

Da die Praxis der supportiven Psychotherapie behandlungstechnisch eklektisch ist, ist es nicht möglich die Behandlungstechniken auf eine theoriegeleitete Systematik herunterzubrechen. Supportive Therapie ist eher von der therapeutischen Haltung und einer fürsorglich wohlwollenden therapeutischen Beziehung geprägt, aus der heraus individuelle Interventionen erfolgen. Die bisherige fast gänzliche Vernachlässigung einer systematischen Definition und Erforschung supportiver Psychotherapie erschwert zusätzlich die eindeutige Auswahl supportiver Techniken. Dennoch lassen sich Techniken ableiten, die sich praktisch bewährt haben und supportiv therapeutisches Arbeiten verdeutlichen. Die folgenden Techniken orientieren sich an einer Übersicht von Winston et al. (1986):
Informationsvermittlung
Die Wissensvermittlung über die Erkrankung, mögliche Zusammenhänge zwischen Symptomen und Erleben und insbesondere auch die Hintergründe der Behandlung sind wann immer möglich dem Patienten zu vermitteln. Hierbei ist darauf zu achten, mithilfe von empathischem Verstehen die Aufklärung und Vermittlung von Informationen an die Fähigkeiten und den Bezugsrahmen der Patienten anzupassen. Durch das Streben nach Transparenz wird nicht nur Wertschätzung zum Ausdruck gebracht, sondern den Patienten die Fähigkeit gegeben, Kontrolle und Selbstbestimmung erlangen zu können. Die Aneignung von störungsspezifischen Informationen ist die Grundlage für Patienten um überhaupt langfristig eine Klärungsperspektive erlangen zu können.
Förderung von Selbstwirksamkeit
Ein wichtiger und häufig vernachlässigter Teilaspekt adaptiven Verhaltens ist das Probehandeln. Das Verhaltensrepertoire von chronisch Kranken ist oftmals eingeschränkt, obwohl teils eine beachtliche Anzahl von Bewältigungsmöglichkeiten vom Patienten aus Unkenntnis, Phantasielosigkeit oder durch das im Krankheitsverlauf kontinuierlich anwachsende Vermeidungsverhalten noch gar nicht ausprobiert wurde. Arzt oder Therapeut sollten stetig darum bemüht sein, den Patienten dazu ermutigen, eigenständig zur Problemlösung zu kommen, um so auch kleinste Veränderungen selbstwertdienlich zu verarbeiten. Hierdurch wird das Vertrauen in die eigenen Fertigkeiten gestärkt. Eine ermutigende und ermunternde Haltung sollte auch aufrechterhalten werden, wenn neues Verhalten nicht unmittelbar gezeigt werden kann oder Patienten in alte Muster zurückfallen.
Um von supportiver Psychotherapie profitieren zu können, soll der Patient nicht nur Aktivität entwickeln, sondern v. a. eine positive Einstellung und ein Vertrauen in das eigene Potenzial in Form von Selbstwirksamkeitserwartung aufbauen.
Abreaktion/Ventilation
Das ärztliche Gespräch bietet auch einen fördernden und schützenden Rahmen für die Abreaktion, das heißt für den ungefilterten Ausdruck von Emotionen. Dies kann für die Selbstwahrnehmung und das Selbstverständnis des Patienten nicht nur eine erleichternde sondern auch klärende Wirkung besitzen. Im Vordergrund steht dabei, dass der Patient die Erfahrung macht, als Person wertgeschätzt zu werden, auch wenn er unangenehme oder für sich oder andere als unangemessen empfundene Emotionen in sich trägt.
Entspannung
Ein besonderer Fokus der supportiven Psychotherapie liegt auf gesundheitsförderlichen Aktivitäten und Entspannung. Da strukturschwache Patienten oftmals einer Vielzahl von Stressoren in ihrem Alltag ausgesetzt sind, aber aufgrund ihrer Psychopathologie nicht über die entsprechenden Copingmechanismen verfügen, ist der Einsatz von gesundheits- und entspannungsfördernden Methoden notwendig.
Befriedigung von Grundbedürfnissen
In Folge psychopathologischer Veränderungen kann es bei Patienten zu einem Verlust der Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse, wie den Bedürfnissen nach Bindung, Kontrolle, selbstwertdienlichen Erfahrungen und angenehmen Aktivitäten, kommen. Die Befriedigung dieser Bedürfnisse besitzt einen maßgeblichen Einfluss auf die Entlastung dieser Patienten und sollten bei der Gestaltung der therapeutischen Beziehung und des Settings berücksichtigt werden.
Förderung von Selbstverwirklichung
Bei Patienten mit schweren chronischen psychischen Störungen, die augenscheinlich über spärliche Ressourcen verfügen, kann es passieren, dass das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, Selbstbehauptung und Sinngebung in der Behandlung außer Acht gelassen oder sogar übergangen wird. Die Nutzung des Strebens nach Selbstverwirklichung oder des Wunsches, ganz individuelle Ziele zu erreichen, kann jedoch eine sehr große motivationale Quelle für die Überwindung von Dysfunktionalitäten darstellen. Psychisches Wohlbefinden kann dadurch gesteigert werden, indem mit Patienten Strategien entwickelt werden, wie diese individuelle Ziele in einem realistischen Rahmen umsetzen können.
Anerkennung und Ermutigung
Supportive Therapie zielt darauf ab, möglichst viele Eigenschaften von Patienten als Ressourcen herauszuarbeiten, die zu einer Stabilisierung oder Verbesserung des Funktionsniveaus dienlich sind. Den Patienten Anerkennung für bestehende Fertigkeiten auszusprechen, auch wenn diese nur ansatzweise vertreten sind, ist ein wichtiges Element der therapeutischen Arbeit. Arzt und Therapeut dürfen v. a. nicht in die Haltung verfallen, dass ein Patient vollkommen neue Eigenschaften entwickeln muss und das Bestehende unzureichend ist. Vielmehr sollte der Behandler darum bedacht sein, positive Werte hinter bestehenden Symptomen (= adaptive Ressourcen) zu identifizieren und nutzbar zu machen. Die Befürchtung von Berufsanfängern, durch Lob und Anerkennung narzisstische Tendenzen zu fördern, ist meist unbegründet. Selbst bei narzisstischen Persönlichkeitsstörungen haben viele Patienten in ihrem Leben oftmals wenig ehrliche Anerkennung für ihr „Sosein“ erhalten. Authentische Anerkennung basiert in der Regel auf dem Bezug zu tatsächlichen Ressourcen, Kompetenzen oder funktionalen Bewältigungsstrategien aus der Vergangenheit.
Beruhigung, Rückversicherung und Selbstoffenbarung
Unsicherheiten und Ängste sind bei Patienten als Teil der Psychopathologie oder in Folge ihrer Störung häufig anzutreffen. Arzt oder Therapeut können durch das Zurverfügungstellen ihres Expertenwissens oder durch eine gezielte Selbstoffenbarung Patienten entlasten und zum Vertrauen in ihre Ressourcen anregen. Hierzu zählt beispielsweise die Normalisierung („Auch andere Patienten haben Schwierigkeiten hierbei“) oder die Selbstkundgabe („Ich bin mir sicher, dass Sie das schaffen“).
Anleitung
Das Bereitstellen von Struktur und Orientierung ist in der supportiven Therapie essentiell. Das Anleiten von Patienten muss jedoch bedacht erfolgen, da es schnell in eine Übergriffigkeit münden kann und sollte daher stets kritisch überprüft werden. Anleitungen sollten nicht die Wünsche des Arztes wiederspiegeln, wie sich der Patient verhalten sollte, sondern dem Patienten die Konsequenzen seines Handelns aufzeigen und ihn über seine eigenen Ziele reflektieren lassen. Eine Entscheidung der Anleitung zu folgen, sollte der Selbstbestimmung der Patienten offengelassen werden („Wenn Sie sich wieder etwas mehr bewegen möchten, nehmen Sie doch heute an der Laufgruppe teil“). Direkte Anweisungen hingegen können Teil des Zwangskontexts bei akuter Eigen- oder Fremgefährdung sein.
Lending Ego
Bei strukturschwachen Patienten können Arzt oder Therapeut ihre eigenen Problemlösestrategien und ihre eigene affektive Reaktion auf Probleme oder Herausforderungen im Leben den Patienten als Richtschnur „leihen“. Das Zurverfügungstellen eigener Erfahrungswerte erfordert ein hohes Maß an Selbstreflektion von Seiten des Arztes oder des Therapeuten, um im Sinne der Gegenübertragung Patienten nicht zum Lösen eigener Lebensthemen zu instrumentalisieren.
Adaptive Abwehr
Bei Patienten kann die Aufrechterhaltung von Symptomen indiziert sein, wenn eine Auseinandersetzung mit den zugrundeliegenden konfliktbehafteten Themen zu belastend ausfallen würde. Das Aufarbeiten und Klären von Problemen sollte nur dann angestrebt werden, wenn Patienten über ausreichende Ressourcen verfügen, um die Auseinandersetzung mit Problemen bewältigen zu können.
Umgebungsveränderung
Vergleichbar mit der Gestaltung von Rehabilitationskliniken für Patienten mit somatischen oder neurologischen Erkrankungen, kann eine Anpassung der Alltagsabläufe angeregt werden, um das Umsetzen von funktionalem Verhalten zu erleichtern. Jede gezielte Umgebungsveränderung – auch die Aufnahme einer Freizeitbeschäftigung oder die Renovierung oder Umgestaltung des Wohnraums – kann die Erfahrung von Selbsteffizienz stärken.

Supportive Psychotherapie und evidenzbasierte Medizin

Methodische Herausforderungen und Limitationen

Die berufsethische Verpflichtung von Ärzten und Psychotherapeuten besteht darin, die bestmögliche Therapie auszuwählen, die dem jeweils aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (Kap. Evidenzbasierung und leitliniengestütze Therapie in der Psychiatrie). Die evidenzbasierte Medizin und die Erforschung der Wirksamkeit von psychotherapeutischen Verfahren sind damit grundlegender Bestandteil der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung. Ohne die Entwicklung von abstrahierten Störungsmodellen und die Quantifizierung der Wirksamkeit von Therapie sind auch die Auswahl der bestmöglichen Therapie und die Indikationsstellung nicht möglich. Die supportive Psychotherapie ist hier jedoch mit drei fundamentalen methodischen Herausforderungen konfrontiert:
Definition von Outcome-Maßen
Als Outcome-Maße in der klinischen Forschung werden in der Regel Veränderungen in der Ausprägung von Symptomen betrachtet. Bei Patienten mit einer Indikation für supportive Psychotherapie steht oftmals jedoch nicht die spezifische Symptomreduktion im Vordergrund, sondern die Verbesserung des Wohlbefindens oder des Funktionsniveaus bei persistierender Symptomatik. Eine Veränderung in der Ausprägung der Symptome kann damit nicht Ziel der Veränderungsmessung sein. Mit den zur Verfügung stehenden Maßen in der Wirksamkeitsforschung sind Konstrukte wie individuelle Selbstwirksamkeitserwartungen, Erleichterung, Wohlbefinden, wahrgenommene Entlastung oder Spannungsreduktion kaum abzubilden. Komplexe innerpsychische Phänomene entziehen sich teilweise fast gänzlich einer Objektivierbarkeit im Rahmen naturwissenschaftlicher und nomothetischer Wissenschaften.
Informationsgewinnung
Die eingeschränkte Reflektion des eigenen Erlebens ist ein weiterer limitierender Faktor für die Wirksamkeitsforschung. Da die zu behandelnden Patienten nur begrenzt in der Lage sind, Veränderungen in Folge supportiver Psychotherapie aus einer Metaperspektive heraus reflektieren zu können, sind sowohl Selbstauskunftsbögen als auch klinische Interviews nicht dazu geeignet, positive Veränderung durch supportive Psychotherapie zu quantifizieren, auch wenn sich diese dem Behandlerteam im Stationsalltag auf vielfältige Weise zeigen.
Eklektizismus und individualisierte Methodik
Tiefgreifende dysfunktionale Erlebens- und Verhaltensmuster, v. a. wenn diese eher ich-synton ausgeprägt sind, erfordern meist eine Adaptation der Methoden und Techniken, um Psychotherapie auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Patienten abzustimmen. Vor allem bei der supportiven Psychotherapie erfolgt die Indikationsstellung eher anhand der Einschätzung der in Abschn. 3 definierten Patientenvariablen als anhand störungsspezifischer Syndrome. Derartig komplexe Entscheidungen können anhand von vereinfachten Entscheidungsbäumen nicht abgebildet werden und erfordern in der Praxis ein stetes Nachjustieren der Methodik bei kritischer Reflektion des Therapieprozesses. Die Arbeit mit akut dekompensierten oder therapieresistenten, schlecht strukturierten und chronisch psychisch erkrankten Patienten macht eine Anpassung der Methodik an die spezifischen Charakteristika des Einzelfalls erforderlich und kann demnach nicht auf ein standardisiertes Vorgehen heruntergebrochen werden.
Zusammenfassend liegen die Herausforderungen bei der Messung von Therapieeffekten der supportiven Therapie in dem Erfordernis viel feinstofflicherer Maße und der Schwierigkeit, komplexes menschliches Erleben und Handeln in reduktionistischen Modellen abzubilden. Die Kontroverse zwischen nomothetischer Forschung, welche Gesetzmäßigkeiten abzubilden versucht, und ideographischer Forschung, welche die Bedeutung der Einzigartigkeit des individuellen Falls hervorhebt, ist v. a. in den Therapiewissenschaften hinlänglich bekannt (vgl. Revenstorf 2005). Es liegen bislang jedoch keine Empfehlungen oder Ansätze vor, wie eine vernünftige Integration individueller Expertise mit der bestverfügbaren Evidenz aus systematischer Forschung erfolgen könnte, um auch denjenigen Patienten die bestmögliche Therapie bereitstellen zu können, die von einem störungsspezifischen und leitlinienorientierten Vorgehen nicht profitieren. Entsprechend kann in diesem Kapitel trotz Einzelnachweisen der Wirksamkeit der supportiven Therapie keine systematische Evidenz präsentiert werden. Dieser Forschungsbereich bedarf zukünftig möglicherweise der Erschließung neuartiger Methoden, um originär psychotherapeutische Phänomene, wie sie in der supportiven Psychotherapie bedeutsam sind, quantifizierbar zu machen.

Supportive Psychotherapie als Placebobedingung in klinischen Studien

Verwunderlich ist der verbreitete Einsatz supportiver Psychotherapie als Placebobedingung, also als wirkungslose Bedingung in klinischen Studien. In Forschungsstudien sollte die Placebobedingung nicht den spezifischen Wirkstoff der Therapiebedingung besitzen. Unter Berücksichtigung der Indikationskriterien für supportive Psychotherapie ist ein Vergleich von supportiver Psychotherapie mit spezifischen Therapieverfahren weder sinnvoll noch methodisch korrekt. Während Patienten mit einem hohen Strukturniveau eine spezifische Intervention erhalten sollten, sind supportive Techniken v. a. bei schlecht strukturierten Patienten indiziert, die mit spezifischen Therapietechniken gar nicht erst erreicht werden können. Es ist daher unabdingbar, bei der Planung klinischer Studien die spezifischen Indikationsbereiche von Therapieformen zu berücksichtigen.

Psychotherapeutische Basisaspekte des ärztlichen Gesprächs

Es wird im Allgemeinen als selbstverständlich angenommen, sich als Behandler im Gespräch mit Patienten intuitiv adäquat verständigen zu können. Doch diese Annahme ist trügerisch. Im Gespräch mit Patienten im psychiatrischen Setting gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die reflektiert werden sollten. Während Grundzüge der therapeutischen Haltung bereits im Rahmen der supportiven Psychotherapie behandelt wurden und auch auf das ärztliche Gespräch übertragbar sind, werden im Folgenden die Besonderheiten spezifischer Settings sowie zentrale Einflussfaktoren auf das ärztliche Gespräch erläutert. Für weiterführende Informationen sei auch auf gesprächspsychotherapeutische Konzepte, wie von Schulz von Thun verwiesen (2013).

Voraussetzungen und Arten von Gesprächen in unterschiedlichen Settings

Akutpsychiatrie
Das ärztliche Gespräch auf psychiatrischen Aufnahmestationen und im Rahmen von kurzzeitigen vollstationären Krankenhausaufenthalten ist meist durch einen engen zeitlichen Rahmen und akuten Handlungsdruck geprägt. Auf Seiten der Behandler hat v. a. die Diagnostik und die Informationsgewinnung einen besonderen Stellenwert (Kap. Standardisierte Befunddiagnostik in der Psychiatrie). Für die Patienten stehen meist eine Stabilisierung sowie eine erste Erleichterung von der aktuellen Symptomatik im Vordergrund. Hinzu kommen die Vermittlung von Informationen, insbesondere die Aufklärung der Patienten bei Erstaufnahme, und die Motivierung für eine mögliche Weiterbehandlung. Als Techniken werden v. a. supportive Methoden eingesetzt.
Voll- und teilstationäre Weiterbehandlung
Patienten, die eine längerfristige stationäre oder teilstationäre Weiterbehandlung benötigen, verfügen oftmals nicht über ein ausreichend stabiles Funktionsniveau oder ausreichend stabile Ressourcen, um ohne eine Distanzierung von ihrem gewohnten Umfeld und einer intensiveren Unterstützung symptomfrei zu werden. Hierdurch wird auch das ärztliche Gespräch wesentlich beeinflusst: In diesem Setting findet sich oft eine Mischform aus supportiven Techniken und ersten spezifischen therapeutischen Angeboten, beispielsweise im Rahmen von Schwerpunktstationen, die eine tiefergehende Reflektion der Störung und eine Vermittlung von spezifischen Techniken zum Umgang mit Störung zum Ziel haben. Im Heimbereich dominieren supportive Techniken.
Ambulante Psychotherapie
Das ärztliche Gespräch im Rahmen der ambulanten Psychotherapie folgt in der Regel schulenspezifischen Orientierungen und Techniken, welche sich z. T. wesentlich in ihrer therapeutischen Haltung, dem Störungsmodell, der therapeutischen Rolle und den eingesetzten Methoden unterscheiden. Diese zu erlernen, ist in der Regel an eine langjährige Weiterbildung mit Supervision geknüpft und an schulenspezifische Abschlussprüfungen gebunden.

Bestandteile des ärztlichen Gespräches

Die folgenden basalen Faktoren bestimmen im Wesentlichen das ärztliche Gespräch und sollten von Seiten des Behandlers stetig reflektiert werden.
Therapeutische Grundhaltung
Die therapeutische Grundhaltung sollte wohlwollend und um Empathie bemüht sein. Im Fokus der Empathie steht der Versuch, die Erlebenswelt des Patienten nachzuvollziehen und alle Interventionen an den Erlebenshorizont des Patienten anzupassen.
Symptomatik und Störungsmodell
Die vorherrschende Psychopathologie bestimmt im Wesentlichen die Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen seitens des Patienten. Aussagen und Interventionen des Behandlers sollten grundsätzlich dahingehend überprüft werden, wie sie verstanden werden könnten und was sie im Patienten auslösen. Darüber hinaus muss das Störungsmodell berücksichtigt werden, das der Patient über sich und seine Erkrankung hat, da dies der Bezugsrahmen des Patienten ist, aus dem heraus er die Aussagen des Behandlers und die Interaktion einordnet und bewertet.
Sprachverständnis seitens des Patienten
Der tagtägliche Umgang mit Fachbegriffen bedingt oftmals, dass diese auch in den Kontakt mit Patienten einfließen, wodurch es zu Verständigungsproblemen kommen kann. Fachbegriffe sollten umschrieben beziehungsweise erklärt werden. Gleiches gilt für das Formulieren von komplexen oder verschachtelten Sätzen. Die Fähigkeit zum Sprachverständnis, das nicht nur durch störungsspezifische Faktoren beeinträchtigt sein kann, muss berücksichtigt werden.
Botschaft des Behandlers
Da jede Nachricht Interpretationsspielraum liefert, sollten Behandler ihre Aussagen dahingehend prüfen, welchen Raum diese für Interpretationen liefern. Dies gilt ebenso für nonverbale Aussagen, wie Körperhaltung und Mimik, aber auch für die Gestaltung des Settings, wozu auch Pünktlichkeit, Wahrung von Umgangsformen und Aufmerksamkeitszuwendung während des Gesprächs zählen.
Setting sowie inhaltliche Tiefe und Ziel von Interventionen
Wie bereits im vorangehenden Abschnitt beschrieben wurde, bestimmen das Setting und damit verbunden auch die Störungsbilder maßgeblich, was inhaltlicher Schwerpunkt des Gesprächs wird. Arzt und Therapeut sollten das Ziel ihrer Interventionen daher dahingehend reflektieren, ob diese dem Störungsbild, dem Behandlungsstand und dem Setting angemessen sind. Im Zuge von Aufnahmegesprächen und Visiten stehen eher der Informationsgewinn und -austausch im Vordergrund. Auf Einsicht und Reflektion ausgelegte Interventionen im Gespräch sind meist an einen spezifischen Rahmen geknüpft, wie Einzel- und Gruppentherapien. Es sollte ebenfalls vermieden werden, Patienten inhaltlich zu überfordern oder Themen anzustoßen, die aufgrund fehlender Ressourcen seitens der Patienten oder zeitlicher Beschränkungen aufgrund des Settings nicht zu einem Ende gebracht werden können.
Ärztliche Rolle und Übertragung
Im Zuge von Übertragungsphänomenen versuchen Patienten dem Behandler eine spezifische Rolle zu geben, damit dieser eine entsprechende Position im Krankheitssystem einnimmt. Beispielsweise können dependente Patienten die Behandler in eine fürsorgliche beelternde Rolle bringen, während sich Patienten mit narzisstischen Zügen durch Abwertung des Behandlers aufzuwerten versuchen können. Im ärztlichen Gespräch sollte daher stetig reflektiert werden, welche Rolle Arzt und Therapeut in der Beziehungsinteraktion einnehmen und ob Aussagen, zu denen sie sich verleitet fühlen, dazu führen können, die Psychopathologie der Patienten zu verstärken.
Gegenübertragungsphänomene
In gleicher Weise kann es passieren, dass sich ungelöste Lebensthemen des Behandlers auf den Patienten übertragen und alltägliche Konflikte die Interaktion mit dem Patienten beeinflussen. Besonders starke Emotionen gegenüber dem Patienten sind stets ein gutes Warnsignal, das zur Prüfung der eigenen Interventionen mahnt. Ebenfalls sollte der Behandler sein Bild des Patienten und mögliche Urteile oder Einschätzung über diesen regelmäßig auf ihre Gültigkeit hin überprüfen.
Schulenspezifische Interventionen und das Einüben von Gesprächssequenzen ist vorwiegend Teil einer weiterführenden Qualifizierung. Aus diesem Grund werden in diesem Kapitel keine spezifischen Gesprächstechniken vorgestellt. Die Berücksichtigung der zuvor aufgeführten Faktoren stellt jedoch die Grundlage der ärztlichen Gesprächsführung dar und ermöglicht eine adäquate Anpassung des ärztlichen Gesprächs an die spezifischen Gegebenheiten des psychiatrischen Settings sowie die Patientencharakteristika. Ein angemessenes ärztliches Gespräch entsteht vornehmlich aus einer entsprechend reflektierten Haltung über das Ziel und die Wirkung von Kommunikation. Es ist Teil des individuellen Kommunikationsstils des Behandlers, aber keineswegs willkürlich und sollte demnach bedacht und gewählt geführt werden.
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