Erschienen in:
01.07.2015 | Leitthema
Essstörungen in Kindheit und Adoleszenz
verfasst von:
Prof. Dr. B. Herpertz-Dahlmann, U. Hagenah
Erschienen in:
Monatsschrift Kinderheilkunde
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Ausgabe 7/2015
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Zusammenfassung
Essstörungen gehören zu den häufigsten Störungen des Kindes- und Jugendalters. Neuerungen in den Klassifikationskriterien der 5. Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) und der zu erwartenden 11. Ausgabe der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-11) zeigen Veränderungen in der Konzeption der Erkrankungen an. Die Anorexia nervosa (AN) ist die Essstörung mit der höchsten Mortalität; zunehmend mehr jüngere Altersgruppen mit dieser Erkrankung müssen stationär behandelt werden. Die „Binge-eating“-Störung wurde als eigene diagnostische Entität anerkannt. Unspezifische Essstörungen zeigen die stärkste Zunahme; bis zu 10 % aller jugendlichen Mädchen sind davon betroffen. Die Ätiologie der Erkrankungen ist multifaktoriell: genetische und biologische Ursachen, Einflüsse der näheren Umwelt sowie soziokulturelle Faktoren spielen bedeutende Rollen. Hingegen werden familiäre Interaktionsprobleme nicht mehr als primäre Ursache gesehen. Bei chronifizierten Verläufen sind die Konsequenzen für die somatische und die psychische Entwicklung der Jugendlichen gravierend; bei AN ist das Risiko für eine spätere Osteoporose sowie für Depressionen, Angst- und Zwangserkrankungen im Erwachsenenalter hoch. Unspezifische Essstörungen und gestörtes Essverhalten, das nicht alle diagnostischen Kriterien erfüllt, sind mit einem höheren Risiko für späteres Übergewicht und depressiven Störungen verbunden. Kinder- und Jugendärzten kommt eine wesentliche Bedeutung bei Früherkennung und Frühintervention zu; je früher die Störungen behandelt werden, desto günstiger ist die Prognose. Die Zusammenarbeit der beiden Disziplinen Kinder- und Jugendmedizin und Kinder- und Jugendpsychiatrie ist aufgrund der Schwere und häufigen Chronizität dieser Krankheitsbilder dringend erforderlich.