Erschienen in:
01.11.2008 | Originalien
Ethik und Monetik
Einfluss ökonomischer Aspekte auf Entscheidungsprozesse in der Intensivmedizin
verfasst von:
Prof. Dr. J. Boldt, T. Schöllhorn
Erschienen in:
Die Anaesthesiologie
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Ausgabe 11/2008
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Zusammenfassung
Seitdem die Ökonomie immer mehr in den Mittelpunkt des Interesses gerät ist, wird auch im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung vermehrt über Kosten, Nutzen und Rationierung diskutiert. In einer Fragebogenaktion sollte erfasst werden, inwieweit auf deutschen Intensivstationen ökonomische Aspekte intensivmedizinische Entscheidungen beeinflussen. Anhand des „Krankenhausadressbuch Deutschland“ wurden mithilfe eines Zufallsgenerators 1000 Fragebögen mit 25 Multiple-choice-Fragen an die unterschiedlichsten Intensivstationen versandt. Es wurden 540 Fragebögen beantwortet und ausgewertet. Nur ca. 25% der Intensivstationen gaben an, über ein spezielles Budget zu verfügen. In ca. 59% der Antworten beeinflussen ökonomische Gründe Therapieentscheidungen nie bzw. äußerst selten, in 9% dagegen häufig. Keine Altersgrenze für den Einsatz sehr teuerer Medikamente sehen 88% der Antworten. Ein inkurables Karzinomleiden stellt für 91% der Intensivstationen keine Kontraindikation für ein Nierenersatzverfahren dar. Es gaben 35% der Intensivstationen keine Kontraindikation zur Aufnahme auf die Intensivstation an, bei 35% ist ein finales Grundleiden eine Kontraindikation zur Aufnahme, bei 10% eine vorhandene Nichtreanimationsorder, und bei 84% spielt der Patientenwille eine entscheidende Rolle. Von den Intensivstationen gaben 67% an, dass Rationierung in der Intensivmedizin in Deutschland stattfindet, 53% sind der Meinung, dass keine Rationierung stattfinden sollte. Es befürworten 43% der Antworten eine Rationierung durch Leistungsausschluss und nur 2% befürworten eine Budgetbegrenzung als entsprechende Maßnahme. Wirtschaftliche Überlegungen scheinen auf deutschen Intensivstationen z. T. längst stattzufinden. Weil der medizinische Fortschritt keine absehbaren Grenzen kennt, werden wir in jedem Fall vor die Frage gestellt, was wir uns in der intensivmedizinischen Versorgung noch leisten können. Gesundheitsökonomische Fragen inklusive möglicher Rationierungmaßnahmen sollten auf politischer Ebene diskutiert werden – nicht zwischen Ärzteschaft, Pflege und Angehörigen am Krankenbett.