Bei Kindern und Jugendlichen auf Entwicklungsprobleme achten

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) bergen erhebliche Risiken für die körperliche Entwicklung von Kindern. Trotz (oder wegen?) der Therapie der CED verändert sich die Knochendichte über die Zeit negativ. Dies sollte mehr als bisher beachtet werden. Hintergrund und Fragestellung: Kinder und Jugendliche mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen haben ein hohes Risiko für vermindertes Wachstum und eine verzögerte Pubertät. Das kann sowohl durch vermehrte Entzündungsaktivität als auch Malnutrition bedingt sein. Viele Kinder benötigen darüber hinaus eine Glukokortikoidtherapie. All diese Faktoren beeinflussen auch die Knochenmasse negativ, die im jungen Erwachsenenalter ihr Maximum erreichen sollte. Wie sich diese im Krankheitsverlauf entwickelt, wurde in einer Studie untersucht. Design: Die prospektive Untersuchung in Finnland verfolgte 47 Kinder und Adoleszenten (24 männlich), 30 davon mit Colitis ulcerosa, ab einem medianen Alter von 14,5 Jahren (5,1-19,2 Jahre) über im Mittel 5,4 (4,9-6,3) Jahre. Die Krankheit bestand im Mittel seit 8,6 (6,0-19,8) Jahren. Es erfolgte eine Untersuchung der Knochendichte (areal bone mineral density - aBMD) in der LWS mit der DXA-Methode und die Bestimmung des Knochensalzgehaltes des Körpers (bone mineral content – BMC). Beide Werte wurden auf das Knochenalter bezogen. Ergebnisse: Bei Diagnosestellung und Beginn der Studie waren 25 Patienten präpubertär, 20 in der Pubertät. Bei der Verlaufsuntersuchung hatten 75% die Pubertät abgeschlossen. 91% hatten irgendwann orale Steroide bekommen, 15% erhielten sie noch zum Ende der Beobachtungsphase. Die Gesamtdauer einer Steroidtherapie lag im Median bei 507 Tagen (21-4110 Tage). Bei der Kontrolluntersuchung hatten 17 Patienten (36%) eine erniedrigte Knochendichte (Z-Score < -1). Obwohl bei Gesunden im zweiten Lebensjahrzehnt die Knochenmasse ansteigt und zum Ende der Pubertät ihr Maximum erreicht, zeigten sich bei den CED-Patienten während der Studiendauer negative Tendenzen: Weder Knochendichte noch Knochensalzgehalt stiegen wie erwartet. Besonders bei den initial pubertären Patienten fand man einen Rückgang der Z-Scores dieser beiden Parameter. Dies ist umso erstaunlicher, als nach klinischen Gesichtspunkten die CED bei 70% zum Ende der Studie klinisch inaktiv war. Eine niedrige lumbale Knochendichte (Z-score < - 1,0) korrelierte u. a. mit Untergewicht und höherer körpergewichtskorrigierter Kortikosteroiddosis. 25% der Patienten hatten erniedrigte Spiegel von 25-OH-Vitamin D (bei allerdings hohem Grenzwert von 50 nmol/l). Drei Patienten (6%) wiesen Wirbelkörperfrakturen auf. Kommentar von Dr. Claßen: Dr. Martin Claßen, Bremen × Die Ergebnisse sind besorgniserregend, und es ist zu erwarten, dass die Situation der jugendlichen CED-Patienten in Deutschland sich nicht wesentlich unterscheidet. Die Studie unterstreicht, dass entzündliche Darmerkrankungen erhebliche Risiken für die körperliche Entwicklung von Kindern beinhalten. Enttäuschend ist vor allem, dass sich trotz (oder wegen?) der Therapie der CED die Knochendichte über die Zeit negativ verändert. Langfristig ist von einem erheblichen Risiko osteoporosebedingter Komplikationen auszugehen. Insofern sollten gerade in dieser Altersgruppe verschiedene Aspekte beachtet werden, die das Risiko der Osteopenie beeinflussen können: - Steroidfreie oder -sparende Therapieregime (enterale Ernährungstherapie beim M. Crohn als Alternative zu Steroiden!!) - Rasche, komplette Kontrolle der Entzündungsaktivität (auch um altersgemäße Bewegungsaktivitäten zu ermöglichen) - Registrierung und Bewertung von Ernährungszustand, Wachstum und Pubertätsentwicklung bei jeder Vorstellung - Normalisierung von Untergewicht - Regelmäßige Kontrollen der Vitamin D-Versorgung. Leider wird derzeit bei CED keine routinemäßige Erfassung der Knochendichte angeboten, und noch fehlt die Evidenz für die Sinnhaftigkeit. Longitudinale, langfristige Studien derartiger extraintestinaler Komplikationen und deren Einflussfaktoren sind notwendig. Gerade bei frühem Beginn einer CED muss neben den mittelfristigen Zielen der Krankheitskontrolle auch die lebenslange Perspektive der Knochengesundheit bewertet werden. Weitere Beiträge zum Thema lesen Sie in unserem Dossier "CED" und unserem Themenschwerpunkt "Gastroenterologie".

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