Machen Protonenpumpeninhibitoren dumm?

Protonenpumpeninhibitoren (PPI) werden häufig verordnet, oftmals auf Dauer und mitunter auch ohne gesicherte Indikation. In den letzten Jahren mehrten sich die Beobachtungen, die PPI mit spezifischen Risiken assoziieren. Im aktuellen Fall geht es dabei um Demenz. Hintergrund und Fragestellung Medikamente, die eine Demenz fördern können, sind im Hinblick auf eine Demenz-Prävention relevant. PPI werden sehr breit eingesetzt und wurden bereits mit kognitiven Defiziten in Zusammenhang gebracht. Es ging in der vorgelegten Studie um die Frage, ob eine Assoziation zwischen PPI-Konsum und Demenz-Entwicklung besteht. Methodik In einer prospektiven Kohortenstudie wurden Beobachtungsdaten der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) aus den Jahren 2004 bis 2011 analysiert. Es standen die ICD-Codes aus stationärer und ambulanter Behandlung sowie die Medikamentenverschreibungen zur Verfügung. Das Zielkriterium war die Entwicklung einer Demenz. Die Assoziation zwischen PPI und Demenz wurde mit einer zeitabhängigen Cox Regression untersucht. Das Modell wurde für die Einflussfaktoren Alter, Geschlecht, Komorbiditäten und Polymedikation adjustiert. Ergebnisse Insgesamt wurden 73.679 Teilnehmer im Alter von mindestens 75 Jahren analysiert, die zu Beginn keine Demenz aufwiesen. Patienten, die regelmäßig PPI einnahmen (n=2.950, mittleres Alter (SD) 83,8 (5,4) Jahre, 77,9% weiblich) hatten ein signifikant erhöhtes Risiko eine Demenz zu entwickeln im Vergleich zu Patienten ohne PPI Medikation (n=70.729, mittleres Alter (SD) 83 (5,6) Jahre, 73,6% weiblich) (Hazard Ratio: 1,44 (95%-Konfidenzintervall 1,36-1,52); p<0,001). Schlussfolgerungen Das Vermeiden einer PPI Medikation kann möglicherweise eine Demenz-Entwicklung verhindern. Diese Feststellung wird unterstützt durch pharmako-epidemiologische Analysen von Primärdaten und einem Mausmodell, in dem PPIs die Spiegel von ß-Amyloid im Gehirn erhöhten. Randomisierte, prospektive Studien sind erforderlich, diese Verbindung detailliert zu untersuchen. Kommentar von Prof. Labenz Prof. Dr. Joachim Labenz (Siegen) J. Labenz × "PPI-Therapie – vermeide nicht indizierte Verordnungen" Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht neue Nebenwirkungen der PPI postuliert werden. In den letzten Wochen waren dies Herzinfarkte, Nierenschäden und jetzt Demenz. Diese Nachrichten schaffen es in unglaublicher Geschwindigkeit in die unkritischen Laienmedien, erreichen unsere Patienten und bringen die verordnenden Ärzte in Erklärungsnot. Faktum ist bis heute, dass in allen kontrollierten Studien (bis zu fünf Jahren) PPI kein höheres Nebenwirkungspotential hatten als Plazebo. Dies schließt seltene Nebenwirkungen natürlich nicht aus. Kohortenstudien wie die hier präsentierte haben in den vergangenen Jahren eine Reihe von möglichen Assoziationen aufgedeckt, angefangen von ambulant erworbenen Pneumonien über gastrointestinale Infekte einschließlich Clostridium difficile hin zu einer erhöhten Rate an Wirbelkörper- und Schenkelhalsfrakturen ohne sicheren Beleg für eine Osteoporose. Das Problem dieser Kohortenstudien ist, dass zum einen die Frage „was ist Henne und was ist Ei“ nicht zuverlässig beantwortet werden kann und relevante Einflussfaktoren nicht auszuschließen sind (Bias). So ist bekannt, dass PPI-Konsumenten im Regelfall „kränker“ sind als Personen vergleichbaren Alters und Geschlechts, die keine PPI-Verordnung haben. In einer kürzlich vorgestellten Studie aus der Primärversorgung mit >1.000.000 Patienten und einem Beobachtungszeitraum von 23 Jahren konnte so gezeigt werden, dass PPI-Konsumenten ein dreifach erhöhtes Pneumonierisiko haben. Dies hatten sie aber auch schon vor der PPI-Einnahme. Zudem ergab sich in einer post hoc-Analyse aller verfügbaren plazebokontrollierten Studien mit Esomeprazol kein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für Atemwegsinfekte. Aus diesem Grund ist zu fordern, dass aus bloßen Assoziationen nicht unmittelbar auf tatsächliche Risiken geschlossen wird. Vielmehr sollte versucht werden, den Verdacht durch kontrollierte Studien zu erhärten. Ist dies nicht möglich, so muss zu mindestens die Assoziation in verschiedenen Studien reproduziert werden, ein zeitlicher und biologischer Gradient bestehen und auch ein plausibles pathogenetisches Modell für die unerwünschte Wirkung existieren. Fazit In einer Kohortenstudie mit limitierten Informationen zu den Patientencharakteristika (Datenbank der AOK) konnte eine statistische Assoziation zwischen PPI-Einnahme und Auftreten einer Demenz gezeigt werden. Dies ist aufgrund des Studiendesigns kein Beweis für eine kausale Beziehung. Diese Daten sollten aber Anlass für weitere Untersuchungen sein und uns alle ermahnen, PPI nur dann einzusetzen, wenn sie auch indiziert sind – dann überwiegt der Nutzen sicher das Risiko.

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