01.11.2014 | Einführung zum Thema
Herausforderungen durch den demographischen Wandel
Psychische Erkrankungen heute und morgen
Erschienen in: Der Nervenarzt | Ausgabe 11/2014
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Der diesjährige Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) steht unter dem Titel „Herausforderungen durch den demographischen Wandel – psychische Erkrankungen heute und morgen“. Mit dem demographischen Wandel wird die Altenbevölkerung in Deutschland absolut und relativ stark wachsen. Diese Verschiebung in der Alterspyramide hat für die Medizin – aber besonders für unser Fach – erhebliche Auswirkungen:-
Mit zunehmendem Alter ändern sich die krankheitsbezogenen Risikoprofile insbesondere auch für psychische Erkrankungen (Stichwörter sind somatische Multimorbidität, altersbedingte Vulnerabilität für kognitive Einschränkungen, Verlusterlebnisse und soziale Vereinsamung); psychische Beschwerden sowie Erkrankungen werden durch diese Verschiebung von Risikofaktoren begünstigt und altersspezifisch symptomatisch geprägt. So nehmen vor allem kognitive Normabweichungen zu und die Kompensationspotenziale ab.
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Die Wirksamkeitsbelege für die diagnostischen und therapeutischen Strategien sind in unserem Fach für höhere Altersgruppen nur noch bedingt gültig, denn diese sind vor allem an Patienten des mittleren Lebensalters entwickelt und validiert worden. Diesem jüngeren Altersbereich gehörte bislang auch die ganz überwiegende Mehrzahl von Behandlungsfällen an. Die evidenzbasierten Studien konzentrierten sich daher nahezu ausschließlich auf Patienten unter 65 Jahren. Wirksamkeitsbelege für das höhere Lebensalter stehen folglich meist aus; das gilt für die meisten Pharmakotherapien und fast ausnahmslos für alle Psychotherapieverfahren. Dabei ist in dieser Altersgruppe der biologische und soziale Hintergrund deutlich von dem im mittleren Lebensalter verschieden.
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Das Alter hat auch unmittelbare Auswirkung auf die Nebenwirkungen verfügbarer bzw. zugelassener Arzneimitteltherapien. Das höhere Alter geht mit zunehmender Nebenwirkungsvulnerabilität und Multimorbidität einher; die im Alter häufige Polypharmazie ist damit erheblich erschwert. Psychotherapien werden bei höherem Alter sowohl in der Versorgungspraxis als auch in Studien zu selten angewandt, um Risikoprofile sowie den Nutzen hinlänglich verlässlich beurteilen zu können.
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Mit der Veränderung der Alterspyramide verändert sich der relative Anteil der „wertschöpfenden“ Menschen in unserer Gesellschaft; die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit dieser Bevölkerungsgruppe wird damit ein immer wichtigeres Gut. Die Vermeidung zunehmender Berufsunfähigkeit aufgrund chronischer psychischer Erkrankungen wird damit zu einem vordringlichen gesellschaftlichen Ziel. Die Prävention entsprechender Chronifizierungsrisiken (z. B. von Traumafolgen) gewinnt damit zunehmend an Bedeutung.