Impfen von Kindern – was ist neu?

Noch in diesem Sommer wird die STIKO die Empfehlung zur HPV-Impfung auf Neun- bis Zwölfjährige ausweiten. Bereits seit letztem Herbst empfiehlt die Impfkommission für alle Säuglinge die Schluckimpfung gegen Rotaviren. Außerdem hat sie sich für einen neuen Influenza-Lebendimpfstoff ausgesprochen. Im aktuellen Impfkalender der STIKO fällt vor allem eine Neueinführung auf: die Impfung gegen Rotaviren. Darin besteht nach Prof. Fred Zepp, Mainz, der an der Überarbeitung mitgewirkt hat, die wichtigste Neuerung in den STIKO-Empfehlungen des letzten Jahres. Impfung gegen Rotaviren: Bis zur zwölften Lebenswoche beginnen! Mit dem oralen Lebendimpfstoff (Rotarix® oder RotaTeq®) schlägt man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Man schützt die Säuglinge vor schweren Gastroenteritiden – damit verhindert man allein in Deutschland potenziell rund 50.000 Klinikeinweisungen jährlich – und erzeugt darüber hinaus eine Herdenimmunität, von der vor allem Senioren jenseits der 65 profitieren. „Kleinkinder sind Bioterroristen“, sagte Zepp beim Praxis-Update in München. „Sie können sich untereinander austauschen, aber sie geben die Viren auch an ihre Großeltern weiter.“ Gerade bei geriatrischen Patienten kommen immer wieder Rotavirusinfektionen vor, weil, so Zepp, „bei ihnen die Immunität einschläft“. In einer US-Studie sank die Prävalenz von Rotaviren im Stuhl von Erwachsenen innerhalb von zwei Jahren nach Einführung der Impfung (2007/2008) um fast 50%. Pro 80 Impfungen eine Klinikeinweisung verhindert Die Lebendimpfstoffe sind hoch wirksam; schon 80 Impfungen verhindern eine Klinikeinweisung. Allerdings ist das Zeitfenster für die Impfung, die in zwei bzw. drei Dosen verabreicht wird, sehr kurz (6. bis 32. Woche). „Bis zur zwölften Lebenswoche müssen Sie angefangen haben, sonst schaffen Sie es nicht mehr bis zur 32. Woche“, mahnte Zepp. Praktisch sei es, die Impfung mit den üblichen Vorsorgeterminen zu koppeln. Gut zu wissen: Das Virus wird nach der Impfung über vier bis sechs Wochen ausgeschieden. Komplikationen wurden jedoch bisher nicht berichtet. „Bei anderen Kindern löst es höchstens eine immunologische Reaktion aus“, so der Pädiater. Invaginationsrisiko überzogen dargestellt „Völlig überzogen dargestellt“ wurde nach Zepp das Thema Invaginationen im Zusammenhang mit der Rotavirusimpfung. Tatsächlich hatte sich das Invaginationsrisiko in einer US-Studie bis zu vierfach erhöht. Da das Risiko bei Säuglingen jedoch allgemein sehr niedrig sei, falle auch eine Vervierfachung kaum ins Gewicht: „In Deutschland müssten wir, wenn wir alle Säuglinge impfen, mit sechs bis acht Invaginationen rechnen, die wir aber in der Regel problemlos lösen können“, sagte Zepp. Warnsignale sind Quengeln, Erbrechen, Nahrungsverweigerung und Bauchschmerzen, die in der zweiten Wochenhälfte nach der Impfung auftreten. Die Eltern sind darauf hinzuweisen, dass sie in solchen Fällen rasch zur Untersuchung kommen sollen. Die Diagnose lässt sich über die charakteristische Kokarde im Ultraschall mit hoher Sicherheit stellen. In der Regel kann man den eingestülpten Darm dann durch eine Luftinsufflation problemlos zurückdrängen, so der Experte. Influenzaimpfung mit attenuierter Lebendvakzine Neu bei Kindern ist auch die Einführung der lebend attenuierten Influenzavakzine (LAIV; Fluenz®). Hintergrund ist, dass man, so Zepp, „bei Kindern das Immunsystem schlecht mit Totimpfstoffen stimulieren kann“. Der Schutzeffekt würde in diesem Fall nur zwischen 15 und 30% betragen. Die neue LAIV wird in die Nase gesprüht. Damit wird ein Schutzeffekt von bis zu 70% erzielt, also wesentlich mehr als bei der Erwachsenenimpfung. Da es sich bei der LAIV um ein kälteadaptiertes Virus handelt, besteht auch keine Gefahr, damit eine Pneumonie auszulösen, erklärte Zepp. Kälteadaptierte Viren können sich nur bei Temperaturen von höchstens 33 °C vermehren. Allerdings kann es gelegentlich zu Schnupfensymptomen kommen. Wie Zepp betonte, können durchaus auch Kinder mit einer bronchialen Hyperreagibilität geimpft werden. Dagegen rät der Experte bei Kindern mit schwerem Asthma von der LAIV ab. HPV-Vakzine jetzt schon ab neun Jahren Noch in diesem Sommer wird es eine neue STIKO-Empfehlung zur HPV-Impfung geben, kündigte Zepp an: So werden die beiden zugelassenen Impfstoffe, Gardasil® und Cervarix®, jetzt schon für Mädchen ab neun Jahren empfohlen. Der Grund: „Wenn man neun- bis 13-jährige Mädchen impft, hat man deutlich bessere Antikörperantworten als bei den 16- bis 26-Jährigen.“ Dies, so Zepp, hätten Studien zur Immunogenität sowohl der zwei- als auch der viervalenten HPV-Vakzine gezeigt. In diesem Alter müsse man außerdem nur zweimal impfen, da mit zwei Dosen die gleiche Qualität erreicht werde wie mit drei Dosen. „Wir werden also definitiv die Impfempfehlung nach unten öffnen“, versprach der STIKO-Experte. Dies mache auch Sinn; schließlich haben 60% der Mädchen zwischen 13 und 14 Jahren bereits Sexualkontakte. Noch keine Empfehlung für MenB-Impfstoff Zum Schutz vor Meningokokken der Serogruppe B (MenB) ist seit letztem Jahr ein viervalenter Impfstoff zugelassen (Bexsero®). Die STIKO hält sich jedoch mit der Empfehlung für die Vakzine noch zurück. Dafür gibt es laut Zepp folgende Gründe: „Wir wissen nicht, inwieweit wir damit die Serogruppe in der Zielpopulation abdecken, wie lange die Immunität anhält, ob wir eine Herdenprotektion haben, und ob es Probleme mit erhöhten Fieberraten geben wird.“ Auch ob die natürliche Kolonisation durch die Impfung beeinflusst wird, ist derzeit nicht bekannt. In Deutschland tragen etwa 30% der Bevölkerung Meningokokken im Nasen-Rachen-Raum, ohne daran zu erkranken. Antworten auf diese Fragen erhoffen sich die STIKO-Experten aus England und Wales, wo der Impfstoff im März dieses Jahres eingeführt wurde. Hierzulande wird die Impfung auch ohne STIKO-Empfehlung derzeit von 44 Kostenträgern erstattet. Mehr zum Thema Weitere Beiträge finden Sie im Dossier "Impfungen bei Kindern".

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