Erschienen in:
01.09.2012 | Schwerpunkt
Ist die pharmakologische Therapie der Obstipation in der Palliativmedizin evidenzbasiert?
Eine systematische Literaturübersicht
verfasst von:
S. Bader, M. Sc., M. Weber, G. Becker
Erschienen in:
Der Schmerz
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Ausgabe 5/2012
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Zusammenfassung
Material und Methoden
Zur Untersuchung der Evidenz klinisch etablierter Therapien zur medikamentösen Behandlung der Obstipation bei palliativmedizinischen Patienten wurde eine systematische Literatursuche in unterschiedlichen Datenbanken (Cochrane Library, Embase, PubMed, Ovid MEDLINE, CINAHL) sowie in Literaturangaben von Publikationen und Lehrbüchern durchgeführt.
Ergebnisse
Während zur medikamentösen Therapie der Obstipation bei Patienten, die sich nicht in einer palliativen Situation befinden, z. B. bei einer primären Obstipation, 130 randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) gefunden wurden, konnten nur 10 kontrollierte Studien an Patienten in palliativer Situation identifiziert werden: In 3 RCT zu Methylnaltrexon und einer Studie zur Kombination Naloxon/Oxycodon, die in Palliativeinrichtungen durchgeführt wurden, konnte die Wirksamkeit von Opiatantagonisten bei der opioidinduzierten Obstipation bei Patientengruppen gezeigt werden, die kein erhöhtes Risiko für eine gastrointestinale Perforation tragen. Keine Studie prüfte die Anwendung von Opiatantagonisten gegen eine Optimierung der Therapie mit herkömmlichen Laxanzien. In 6 weiteren kontrollierten Studien, deren Aussagekraft aufgrund einer geringen Patientenzahl oder Einschränkungen in Studiendesign und -durchführung stark limitiert ist, wurden Naloxon, Senna, Lactulose, Codanthramer, ein Ayurvedapräparat (Misrakasneham), Magnesiumhydroxid, flüssiges Paraffin, Natriumpicosulfat und Docusat geprüft, ohne statistisch signifikante Unterschiede zwischen diesen Substanzen in Wirkung und Nebenwirkungen nachweisen zu können. Nur 2 Studien über Senna und Lactulose bzw. Senna und Docusat schlossen wenige Patienten mit ein, die keine Opioide einnahmen. Die Mehrzahl der in allen Studien eingeschlossenen Patienten waren Tumorpatienten. Zu Neostigmin, Meglumin und anderen o. g. Substanzen fanden sich für palliativmedizinische Patienten nur einzelne Fallserien.
Schlussfolgerungen
Die studienbasierte Evidenz zur Behandlung der Obstipation bei Patienten in einer palliativen Situation ist somit als gering einzustufen, sodass Therapieempfehlungen in vielen Fällen auf Evidenz aus dem nichtpalliativen Bereich bzw. auf Expertenmeinungen zurückgreifen müssen. Ergebnisse aus Studien mit nichtpalliativmedizinischen Patienten sind nur begrenzt auf die in der Regel polymorbiden Patienten aus der Palliativmedizin übertragbar. Diese Patienten leiden unter einer erhöhten Anfälligkeit für potenzielle Nebenwirkungen, z. B. unter der erhöhten Gefahr für gastrointestinale Perforationen bei abdominalem Tumorbefall. Die begrenzte Datenlage erfordert daher weitere Studien, die den multifaktoriellen Ursachen für Obstipation bei palliativmedizinischen Patienten gerecht werden und ihren Schwerpunkt auf die Lebensqualität und klinische Anwendbarkeit legen.