So versorgen Sie Brandwunden bei Kindern – und so nicht

Häufige Verbandswechsel bei Verbrennungs- und Verbrühungswunden verursachen nicht nur Schmerzen, sondern behindern unter Umständen sogar die Heilung. Daher ist das Wichtigste, was man bei der Betreuung brandverletzter Kinder benötigt: Geduld. Mehr als 70% der thermischen Verletzungen bei Kindern in Deutschland beruhen auf Verbrühungen. Der Brandverletzungsexperte Dr. Carsten Krohn, München, warnt zum Beispiel vor häuslichen Inhalationen über dem Topf mit heißem Wasser: Die Folgen einer solchen „medizinisch unsinnigen Maßnahme“ seien häufig ausgedehnte Verbrühungen im Schoßbereich, oft auch die Genitalien betreffend. Bei Letzteren ist nach Krohn in jedem Fall die Behandlung in einem spezialisierten Zentrum indiziert. Dem erstversorgenden Arzt empfiehlt Krohn „die rasche Analgosedierung, und zwar bevorzugt nasal mit Ketanest® und Dormicum®“. Auf einen intravenösen Zugang dagegen sollte vor Ort bei Verbrühungen und Verbrennungen, die weniger als 10% der Körperoberfläche (KOF) betragen, verzichtet werden, betonte der Experte auf dem Kongress für Kinder- und Jugendmedizin in München. Damit verliere man nur wertvolle Zeit. Auch von Kühlungsmaßnahmen wird bei großflächigen, vor allem stammbetonten Wunden oder Wunden am Kopf abgeraten. Die Wunde wird lediglich trocken (ohne Salbe!) mit einer sterilen Auflage abgedeckt und das Kind für den Transport in die Klinik warm eingepackt. Keine i.v.-Hydratation bei KOF < 20%! In der stationären Situation kommt es vor allem darauf an, nicht durch falsche Maßnahmen weitere Schäden zu setzen oder die Heilung zu behindern. Bei den allermeisten Verbrühungen im Kindesalter ist nach Krohn keine Intubation und Beatmung angezeigt. Studien hätten gezeigt, dass die Morbidität und Mortalität dadurch ansteigen. Auch bei Infusionen rät der Experte zur Zurückhaltung: „Sie neigen dazu, das Kind ins Ödem zu schießen!“ In der München Klinik Schwabing erhält kein Patient mit einer Verbrühung von < 20% KOF eine i.v.-Hydratation, solange er selbstständig trinken kann. „Das Kind meldet sich, wenn es Durst hat!“ Man müsse auch berücksichtigen, dass die Verbrennungsfläche – selbst von Experten – oft überschätzt werde. „Die Handfläche inklusive Finger entspricht weniger als 1% der KOF“, so Krohn. Silberhaltige Salben fachen den Afterburn an Für Verbrennungswunden gilt: Die endgültige Tiefe lässt sich frühestens nach drei Tagen beurteilen. Ursache hierfür ist laut Krohn der „Afterburn“. Dabei handelt es sich nicht etwa um „Glutnester“ in der Haut, sondern um einen zytotoxischen Effekt, der dadurch entsteht, dass die Zerfallsprodukte geschädigter Zellen auf benachbarte Zellen übergreifen und diese ebenfalls schädigen. Durch Maßnahmen wie Kühlen oder auch durch Brandsalben (insbesondere silberhaltige) fache man das „Nachbrennen“ sogar noch an: „Flammazine hat auf Brandwunden nichts zu suchen!“, warnte Krohn. Die Wunde sollte lediglich gereinigt und dann verbunden werden. Um eine übermäßige Narbenbildung zu vermeiden und Kontrakturen vorzubeugen, sollten Brandwunden an Gelenken grundsätzlich in Streckstellung verbunden werden, damit sie später nicht wieder aufreißen. Verbandswechsel nach frühestens drei Tagen Bei der Wahl des Verbands sollte auf Materialien geachtet werden, die die Wunde zum einen austrocknen und zum anderen möglichst lange auf der Haut belassen werden können. Krohn empfiehlt den ersten Verbandswechsel bei Brand- und Verbrühungswunden mit definitiver Versorgung nach frühestens drei Tagen. „Wir können wahnsinnig viel tun, um die Wunde an der Heilung zu hindern“, so der Experte: „Dazu gehört der häufige Verbandswechsel!“ Dieser bereite nicht nur Schmerzen (weshalb in der Leitlinie vor jedem Verbandswechsel eine Analgosedierung empfohlen wird!), sondern habe oft auch zur Folge, dass die gerade neu sprießenden Hautzellen am Verband haften bleiben. Durchsichtiger Verband ermöglicht Beurteilung der Wunde Um z. B. bei Kindern mit Anschütttrauma die Narbenbildung möglichst gering zu halten, empfiehlt Krohn den Einsatz eines resorbierbaren Hautersatzes. Dem Experten zufolge sollte man ein durchsichtiges Material wählen, um die Wunde beurteilen zu können. Bundesweit habe sich, so Krohn, „in den letzten zwölf Jahren Suprathel® durchgesetzt". Darüber kommen zwei Lagen Fettgaze, idealerweise möglichst großmaschig. Beim Verbandswechsel werde nur die obere Lage entfernt, während die untere auf der Haut verbleibe. „So können Sie einen Verbandswechsel machen, der dem Kind nicht weh tut!“ Verbandsanteile, die noch an der Haut festkleben, sollte man nach Krohn belassen und überstehende Verbandsteile abschneiden: „Eine Verbrennungswunde und ein Verband sind wie eine Jugendliebe. Wenn die fest aneinanderkleben, dürfen wir Erwachsenen die nicht trennen, wir können dabei nur was kaputtmachen.“ Wann gehört das brandverletzte Kind in ein Zentrum? In diesen Fällen sollte die Indikation zur Behandlung in einer spezialisierten Klinik/einem Zentrum für brandverletzte Kinder gestellt werden: > 10% KOF bei Grad 2a > 5% KOF bei Grad 2b oder 3 Verbrennungen 2. und 3. Grades an Gesicht, Hand, Fuß, im Anogenitalbereich, in den Achselhöhlen, über großen Gelenken V. a. Inhalationstrauma Elektrotrauma chemische Noxen Polytrauma Experten wie Dr. Carsten Krohn, München, empfehlen die Behandlung in einem Zentrum grundsätzlich auch bei Kindern < 1 Jahr. Basierend auf: Krohn C.: „Versorgung von kindlichen Verbrühungen und Verbrennungen ohne Zentrumsindikation“. Kongress für Kinder- und Jugendmedizin, 11.–14. September 2019 in München

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