Erschienen in:
01.02.2016 | Adipositas | Leitthema
Langfristige Prägung der Gesundheit durch die Säuglingsernährung
verfasst von:
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. B. Koletzko, H. Demmelmair, V. Grote, C. Hellmuth, F. Kirchberg, O. Uhl, M. Weber, C. Prell
Erschienen in:
Monatsschrift Kinderheilkunde
|
Ausgabe 2/2016
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Zusammenfassung
Die frühe Ernährung von der Konzeption bis zum Kleinkindalter hat prägende oder programmierende Wirkungen auf die spätere Gesundheit und auf Krankheitsrisiken. Eine rasche Gewichtszunahme in Fetalzeit und früher Kindheit erhöht das spätere Risiko für Adipositas, Diabetes und andere nichtübertragbare Krankheiten. In Kohortenstudien ist eine rasche Gewichtszunahme zwischen Geburt und dem Alter von 2 Jahren mit erhöhtem Adipositasrisiko bis ins Erwachsenenalter verbunden. Stillen geht mit einer geringeren mittleren Gewichtszunahme als konventionelle Säuglingsnahrung einher. Verschiedene Metaanalysen zeigen durch Stillen ein später um 12–24 % geringeres Adipositasrisiko. Wir untersuchten die „Frühe-Protein-Hypothese“, nach der eine hohe Eiweißzufuhr im Säuglingsalter zu erhöhten Konzentrationen an insulinfreisetzenden Aminosäuren, den Wachstumsfaktoren Insulin und „insulin-like growth factor-1“ (IGF-1) sowie zu erhöhter früher Gewichtszunahme und späterer Adipositas führt. In einer doppelblinden randomisierten Studie erhielten 1678 reifgeborene Säuglinge im ersten Lebensjahr Säuglings- und Folgenahrungen mit konventionell hohem oder reduziertem Proteingehalt. Die verminderte Proteinzufuhr reduzierte Gewicht, Gewicht-für-Länge und Body-Mass-Index (BMI) bis zum Alter von 2 Jahren sowie Adipositas mit 6 Jahren um das 2,4- bis 2,9-Fache, verglichen mit konventioneller Flaschenernährung. Wir folgern, dass Säuglingsernährung starke langzeitig programmierende Wirkungen ausübt, mit starken Effektgrößen auf Adipositas im frühen Schulalter. Stillen sollte aktiv gefördert, geschützt und unterstützt werden. Nicht voll gestillte Säuglinge sollten eine Flaschennahrung mit niedrigem Proteingehalt bekommen. Unveränderte Kuhmilch, die 3‑mal so viel Protein wie Muttermilch enthält, sollte im ersten Lebensjahr nicht als Getränk angeboten werden.