Infektionen verlaufen bei immunsupprimierten Patienten rascher, schwerer und je nach Art des Immundefekts mit einem spezifischen Erregersspektrum. Wichtige Immundefekte für eine differenzielle Behandlung von Patienten sind die iatrogene Immunsuppression nach zytotoxischer Chemotherapie, die medikamentöse Immunsuppression nach allogener Stamzell-, Organtransplantation und bei Autoimmunerkrankungen sowie die HIV-Infektion. Die Frühkomplikationen bei zytotoxischer Chemotherapie wie auch bei allogen stammzelltransplantierten Patienten sind akute bakterielle und Pilzinfektionen. In beiden Fällen muss eine empirische antibakterielle Therapie rascher und breiter eingesetzt werden, Pilzinfektionen müssen in der Differenzialdiagnose früher bedacht werden.

Ein unterschiedliches Erregerspektrum jedoch ist v. a. bei den spezifischen immunsuppressiven Therapien nach Transplantationen und bei Autoimmunerkrankungen und der HIV-Infektion gegeben. Bei den meisten anderen erworbenen Immundefekten (z. B. Immunglobulinmangelsyndrome) sind Infektion zwar häufiger und schwerer als bei anderen Patienten, aber das Spektrum betrifft mehr die klassischen schweren Infektionen (bakterielle Pneumonie, Sepsis), und die Behandlung der Manifestationen ist analog zu denen bei nichtimmunsupprimierten Patienten.

1 Infektionen bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen/rheumatologischen Erkrankungen

Zunehmend werden immunsuppressive Therapien mit höherer Potenz bei Patienten mit rheumatologischen, autoimmunen oder anderen Erkrankungen eingesetzt, z. B. bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, rheumatoider Arthritis oder Kollagenosen. Hierzu zählen sowohl die Substanzen, mit denen bereits langjährig Erfahrung besteht wie z. B. Steroide, Cyclophosphamid, Azathioprin oder auch Methotrexat, als auch neue insbesondere antikörperbasierte Therapien mit dem Ansatz einer Hemmung der Wirkung von Tumornekrosefaktor α (TNF-Inhibitoren bzw. „biologicals“), IL-1 und anderen Ansätzen.

Mit dieser Änderung der Therapie hat sich nicht die Häufigkeit von Infektionen bei diesen Patienten verändert, diese ist unter der Steroidtherapie ähnlich hoch wie bei den TNF-Inhibitoren, es hat sich jedoch ein Wandel im Erregerspektrum gezeigt. Unter der Therapie mit den neuen antikörperbasierten Substanzen sind in diesem Patientenkollektiv u. a. Tuberkulose und Pneumonien durch Pneumocystis carinii mit hoher Mortalität aufgetreten. Seltener sind diese Infektionen auch unter Therapie mit hochdosierter Steroidtherapie zu finden (Lubel et al. 2007; Salliot et al. 2009).

Cave

Die Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie sollte in diesem Patientenkollektiv bei jeder nicht ganz typischen, d. h. Lobärpneumonie, differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden.

Bezüglich weiterer Pneumonien unter Immunsuppression Kap. 60.

Neben der Infektion mit opportunistischen Erregern kann es auch in diesem Risikokollektiv v. a. bei den neuen Therapeutika zur Reaktivierung latenter Infektionen kommen. Fatale Ausgänge sind z. B. im Rahmen einer fulminanten Hepatitis B oder auch einer Tuberkulosesepsis beschrieben (Tab. 75.1).

Tab. 75.1 Komplikationen bei chronischen Erkrankungen unter Immunsuppression

1 Beispiel

Vorstellung einer 34-jährigen Patientin in der Notaufnahme mit Husten, Dyspnoe und zunehmender Allgemeinzustandsverschlechterung. Vor wenigen Wochen Beginn einer Therapie mit Prednisolon sowie Chloroquin bei Verdacht auf Kollagenose mit positiven antinukleären Antikörpern (ANA) bei Gelenkbeschwerden und Hautveränderungen. Trotz rascher Einleitung einer antibiotischen Therapie bereits wenige Stunden nach Aufnahme weitere respiratorische Verschlechterung und Beginn einer invasiven Beatmung. Bei rascher Eskalation der Beatmungsparameter Verlegung in ein Zentrum, bei Lungenversagen Beginn einer extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) sowie Hochfrequenzbeatmung. In der weiteren Diagnostik Nachweis von säurefesten Stäbchen und Diagnose einer Landouzy-Sepsis mit Befall von Darm, Nieren und der Lunge. Ein Tuberkulin-Hauttest vor Beginn der immunsuppressiven Therapie war negativ geblieben.

2 Infektionen nach Organtransplantationen

Je nach der Zeitspanne, die seit der Organtransplantation vergangen ist, wandelt sich das erwartete Erregerspektrum abhängig vom Grad der Immunsuppression (Tab. 75.2; Fishman 2007).

Tab. 75.2 Infektionen nach Organtransplantation

Cave

Bei Patienten, die Abstoßungsreaktionen durchgemacht und somit eine Intensivierung der immunsuppressiven Therapie erhalten haben, kann sich der Zeitrahmen (Tab. 75.2) entsprechend verschieben.

Die Diagnostik und Therapie der einzelnen Infektionen unterscheiden sich nicht von der bei HIV-infizierten Patienten, deshalb wird bezüglich der Therapie auf Abschn. 75.4.5 verwiesen.

3 Infektionen bei hämatoonkologischen Erkrankungen und Knochenmarktransplantation

Bei Patienten nach zytotoxischer Chemotherapie sind Infektionen vor allem in der Neutropenie häufig, nach allogener Stammzellentransplantation ist die Phase der Immunsuppression verlängert durch die immunsuppressive Therapie. In der Phase der Neutropenie können bakterielle und Pilzinfektionen mit der Folge einer Sepsis auftreten, später ist das Muster durch die Art der Immunsuppression (Unterdrückung der zellulären Immunität, ähnlich wie bei Organtransplantation, aber initial schwerere Immunsuppression) bestimmt (Boeckh et al. 2002). Neben Bakteriämien stehen Pneumonie n im Vordergrund. Es wird auf den entsprechenden Abschnitt in Kap. 72 verwiesen. Eine Übersicht über das zeitliche Muster der Infektionen findet sich in Tab. 75.3

Tab. 75.3 Infektionen nach zytoxischer Therapie bzw. Stammzelltransplantation

4 HIV-Infektion

In den ersten Jahren der Aids-Epidemie war die Behandlung von HIV-assoziierten Komplikationen mit einer ICU-Mortalität von 80–90 % verknüpft (Gatell et al. 1996). Mit der rascheren Diagnose und besseren Therapie zuerst der opportunistischen Erkrankungen und der HIV-Infektion verbesserte sich die Prognose deutlich (Morris et al. 2003). Heute ist die Langzeitprognose HIV-infizierter Patienten mit einer wirksamen antiretroviralen Therapie am ehesten vergleichbar mit der anderer chronischer Erkrankungen (Hogg et al. 2008).

Damit hat sich auch das Spektrum der zum Intensivaufenthalt führenden Erkrankungen geändert: Opportunistische Erkrankungen sind seltener und nicht-HIV-assoziierte, wie z. B. kardiovaskuläre Erkrankungen, häufiger geworden. Da sich die intensivmedizinische Betreuung von HIV-infizierten Patienten bei diesen Erkrankungen nicht von denen anderer Patienten unterscheidet, werden hier nur die spezifisch HIV-assoziierten Erkrankungen behandelt.

Opportunistische Erkrankungen sind durch die moderne antiretrovirale Therapie sehr viel seltener geworden, sie treten jedoch immer noch als Primärmanifestation der HIV-Infektion auf und führen dann auch häufig zu einem schweren und intensivpflichtigen Verlauf (Vincent et al. 2004). Patienten, deren HIV-Infektion erst durch schwere Komplikationen oder bei weit fortgeschrittenem Immundefekt entdeckt wird, machen einen Anteil von ca. 25 % aller Erstdiagnosen der HIV-Infektion aus.

4.1 Diagnostik

Die Diagnose der HIV -Infektion kann durch Nachweis von Antikörpern oder Virusbestandteilen erfolgen. Sie wird in der Regel gestellt mittels eines ELISA-Tests, der HIV-1- und HIV-2-Antikörper sowie HIV-Antigen nachweisen kann. Die sehr hohe Sensitivität des ELISA bedingt eine niedrige Spezifität, deshalb ist eine Bestätigung im Immunfluoreszenz- bzw. Western-Blot-Test notwendig. Ein direkter Virusnachweis mittels PCR, besonders bei unklarer Serologie und Verdacht auf Primärinfektion, kann ebenfalls die Diagnose sichern.

Cave

Patienten mit einer HIV-Infektion haben v. a. während der oft langjährigen klinischen Latenzzeit ein völlig unauffälliges Routinelabor. Ein normales Labor schließt eine HIV-Infektion nicht aus! Mögliche Hinweise (meist spät) sind eine Lymphopenie und eine polyklonale Gammopathie .

4.2 Stadieneinteilung

Die Stadien einteilung erfolgt nach der Klassifikation der CDC (Tab. 75.4). Hierzu gehört die Messung der CD4-Zellzahl im peripheren Blut als wichtigster Marker des Immunstatus. Im natürlichen Verlauf der HIV-Infektion schließt sich an eine symptomatische (▶ unten.) oder asymptomatische primäre HIV-Infektion häufig eine langjährige klinische Latenzphase an. Erst bei deutlicher Verminderung der CD4-Zellzahl kommt es dann zum Auftreten von opportunistischen Erkrankungen.

Tab. 75.4 Staging der HIV-Infektion nach dem Schema der Centers of Disease Control (CDC), USA

4.2.1 Primäre HIV-Infektion

Eine symptomatische primäre HIV-Infektion tritt etwa bei 20–30 % aller Infizierten auf. Dabei kommt es 3–6 Wochen nach Erstinfektion zu einem mononukleoseähnlichen Krankheitsbild mit sehr unterschiedlicher Ausprägung. Neben Fieber, einem generalisierten makulopapulösem Exanthem und schwerem Krankheitsgefühl können auch generalisierte Lymphknotenschwellungen vorhanden sein. Im Labor findet sich eine Lymphozytose mit Reizformen, eine mäßige Erhöhung der Transaminasen und LDH sowie eine Thrombopenie .

Zur Intensivaufnahme können v. a. die neurologischen Komplikationen (Meningitis oder Guillain-Barré-Syndrom), seltener eine Blutungsneigung bei Thrombopenie, führen (Tindall et al. 1989). Bei schweren Komplikationen durch eine primäre HIV-Infektion kann eine antiretrovirale Therapie erwogen werden, eine Verbesserung der Langzeitprognose durch einen derart frühen Therapiebeginn ist bisher jedoch nicht nachgewiesen (Deutsche AIDS-Gesellschaft 2012).

4.3 Antiretrovirale Therapie auf der Intensivstation

4.3.1 Einleitung und Fortsetzung der antiretroviralen Therapie

Eine Therapie der HIV-Infektion ist mit dem Auftreten einer opportunistischen Erkrankung klar indiziert, ebenso beim Auftreten HIV-assoziierter Symptome. Eine weitere Indikation ist bei asymptomatischen Patienten beim Unterschreiten der Grenze von 350 CD4/mcl gegeben (Deutsche AIDS-Gesellschaft 2012). So ist praktisch immer bei einer HIV-assoziierten Erkrankung als Ursache des Intensivaufenthalts die Notwendigkeit einer antiretroviralen Therapie gegeben. Diese muss nicht notfallmäßig sofort, sollte aber rasch, d. h. innerhalb von ca. 10 Tagen nach Auftreten der Komplikation begonnen werden.

Die einzige Ausnahme ist hier die Tuberkulose . Gerade bei der Tuberkulose ist das Risiko einer paradoxen Reaktion (IRIS, unten) besonders hoch. Deshalb sollte hier in aller Regel die antiretrovirale Therapie etwa nach ca. 8 Wochen Therapie der Tuberkulose eingesetzt werden, jedoch nicht bis zum Ende der Tb-Therapie verschoben werden. Für die Initialtherapie sind mehrere Kombinationen sinnvoll und empfohlen (Tab. 75.5).

Tab. 75.5 Antiretrovirale Therapie: Indikationen, Kombinationen und Postexpositionsprophylaxe

Eine einmal eingeleitete antiretrovirale Therapie wird auch auf der Intensivstation fortgeführt. Eine Unterbrechung birgt das Risiko für eine Resistenzentwicklung bzw. ein Therapieversagen und sollte nur in gut begründeten Ausnahmesituationen (z. B. schwere Nebenwirkungen) erfolgen. Auf die entsprechenden Neben- und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten muss dabei geachtet werden (Piscitelli u. Galliciano 2001; Liverpool HIV Pharmacology Group 2013) (Tab. 75.6).

Tab. 75.6 In der Intensivmedizin relevante Neben- und Wechselwirkungen einer antiretroviralen Therapie der wichtigsten Substanzen

4.3.2 Inflammatorisches Immunrekonstitutionsyndrom (IRIS)

Kurz nach Einführung der antiretroviralen Kombinationstherapie wurden bei einigen Patienten unübliche klinische Verläufe von opportunistischen Erkrankungen unter einer eingeleiteten antiretroviralen Therapie beobachtet. Mittlerweile sind solche Verläufe für nahezu alle opportunistischen und sogar für Autoimmunerkrankungen beschrieben. Allen diesen Verläufen ist eine paradoxe klinische Verschlechterung nach Beginn einer antiretroviralen Therapie gemein, z. B. einer Verschlechterung einer Tuberkulose oder auch das Auftreten einer neuen opportunistischen Infektion bzw. einer Autoimmunerkrankung. Alle diese Verläufe werden unter dem Begriff des inflammatorischen Immunrekonstitutionssyndroms (IRIS) zusammengefasst.

Das Risiko eines IRIS ist besonders hoch, wenn der initiale Immundefekt schwer war und der Zeitpunkt des Auftretens mit einem raschen Anstieg der CD4-Zellzahl im Blut korreliert. Nach dem Verlauf und den gemessenen Zytokinmustern muss am ehesten von einer Aktivierung des angeborenen Immunsystems ausgegangen werden. Welcher genaue Pathomechanismus diesem Syndrom zugrunde liegt, ist aber bisher ungeklärt. Am häufigsten ist eine solche paradoxe klinische Verschlechterung beim Vorliegen einer Tuberkulose, sie kann jedoch auch die Therapie einer PcP komplizieren (Behrens et al. 2000).

Eine prophylaktische Therapie mit Glukokortikoiden reduziert das Risiko und den Schweregrad des IRIS bei gleichzeitiger Tuberkulose, kann aber nicht generell empfohlen werden.

Bei einer Verschlechterung einer opportunistischen Infektion im zeitlichen Zusammenhang mit der Einleitung einer antiretroviralen Therapie muss neben einem Therapieversagen auch das Auftreten eines IRIS in Betracht gezogen werden.

4.3.3 Postexpositionsprophylaxe der HIV-Infektion

Routinemaßnahmen zur Vermeidung von Infektionen durch Blutbestandteile sind Bestandteil der Hygienemaßnahmen auf jeder Intensivstation. Diese Maßnahmen verhindern auch die Übertragung des HIV mit hoher Sicherheit. Unfälle mit einem parenteralen oder Schleimhautkontakt mit HIV-kontaminiertem Material stellen ein Risiko für eine HIV-Übertragung dar (Übertragung in ca. 0,03 % von Fällen mit parenteralem Kontakt). Die Art der Verletzung, das kontaminierte Material und vermutlich auch die Höhe der Virus-RNA im Blut haben dabei Einfluss auf das Risiko. So ist z. B. eine perkutane Verletzung mit einem höheren Risiko als ein Schleimhautkontakt verbunden, eine Verletzung mit einer Hohlnadel gefährlicher als eine mit einer Nahtnadel.

Aus Kohortenstudien ist bekannt, dass eine Postexpositionsprophylaxe mit antiretroviralen Substanzen das Risiko einer Infektion um ca. 80 % mindert, deshalb sollte nach lokalen Maßnahmen eine solche, bestehend aus einer antiretroviralen Dreifachkombination nach entsprechendem Kontakt, angeboten und für 4 Wochen appliziert werden (Deutsche AIDS-Gesellschaft 2013) (Tab. 75.5).

Bei beruflicher HIV-Exposition sollte dringend ein BG-Verfahren eingeleitet werden, damit eine Dokumentation des Unfalls erfolgt und entsprechende Nachuntersuchungen durchgeführt werden. Dies dient v. a. der Sicherheit der Beschäftigten.

4.4 Pulmonale Manifestationen der HIV-Infektion

4.4.1 Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie

Die häufigste pulmonale Manifestation der HIV-Infektion ist die Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie (PcP). Sie ist außerdem der häufigste Grund für eine Intensivaufnahme bei HIV-Infizierten. Sie tritt auf bei fortgeschrittenem Immundefekt (< 200 CD4/mcl).

Die Symptome sind Fieber, Dyspnoe und trockener Husten. Im Labor findet sich häufig eine Erhöhung der LDH, grob korreliert mit dem Schweregrad. Radiologisch zeigt sich anfangs eine geringe interstitielle Zeichnungsvermehrung, später ein ausgedehntes, meist bihilär schmetterlingsförmig konfiguriertes Infiltrat. Eine Computertomographie ist dabei sensitiver als die Übersichtsaufnahme (Abb. 75.1).

Abb. 75.1
figure 1

Thoraxröntgenaufnahme (a) bzw. Computertomographie des Thorax (b) bei einem Patienten mit HIV-Infektion und Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie (Abb. von Prof. Dr. S. Feuerbach, Institut für Radiologie, Universitätsklinikum Regensburg, mit freundlicher Genehmigung)

Pneumocystis jirovecii kann mittels Zytologie bzw. PCR aus der Bronchiallavage nachgewiesen werden. Trotz Fortschritten in der Diagnostik und Therapie liegt die ICU-Mortalität der beatmungspflichtigen PcP bei etwa 25 %. Prognostisch ungünstig ist dabei ein hoher Anteil von Granulozyten in der BAL oder ein gleichzeitiger Nachweis von CMV-Virus.

Die Standardtherapie ist hochdosiertes Cotrimoxazol, alternativ Pentamidin (Tab. 75.7). Bei schweren Verläufen verbessert eine adjuvante Therapie mit Glukokortikoiden die Prognose. Ob bei Nachweis von CMV in der BAL eine antivirale Therapie sinnvoll ist, ist nicht klar.Viele Experten sind jedoch der Ansicht, dass dies nicht notwendig und aufgrund der zusätzlichen Toxzität auch nicht sinnvoll ist. Generell sind genuine CMV-Pneumonien bei der HIV-Infektion eine extreme Rarität und auch deshalb der pathogenetische Wert eines Nachweises von CMV-Virus oder -DNA in der BAL in dieser Situation unklar.

Tab. 75.7 Therapie spezifischer Manifestationen der HIV-Infektion

Als Komplikation sind bei der PcP häufig Pneumatozelen vorhanden, die für einen Pneumothorax prädisponieren. Obwohl hierfür keine speziellen Studien vorhanden sind, sollte eine Beatmung bei PcP nach den gängigen Standards des ARDS (mit niedrigen Tidalvolumina) erfolgen (▶ Benson et al. 2004; ▶ Masur 2006)

4.4.2 Bakterielle Pneumonien und andere pulmonale Manifestationen

Die Häufigkeit von bakteriellen Pneumonien ist bei der HIV-Infektion deutlich erhöht. Die häufigsten Erreger sind S. pneumoniae und H. influenzae. Da hier P. aeruginosa und S. aureus häufige Pathogene sind, sollten diese Erreger bei der empirischen Therapie ebenfalls berücksichtigt werden (Benson et al. 2004; Masur 2006).

Andere spezifische Ursachen für ein respiratorisches Versagen bei HIV-infizierten Patienten können eine Infektion mit M. tuberculosis (Kap. 74), Pilzpneumonien, ein Non-Hodgkin-Lymphom, eine HIV-assoziierte pulmonale Hypertonie oder eine kardiale Dekompensation bei HIV-assoziierter Kardiomyopathie darstellen.

4.5 ZNS-Manifestationen bei HIV-Infektion

4.5.1 Zerebrale Toxoplasmose

Die zerebrale Toxoplasmose entsteht durch eine Reaktivierung intrazerebraler Toxoplasmoseherde. Eine solche Reaktivierung kann vorkommen bei deutlich erniedrigter CD4-Zellzahl (in der Regel < 150 CD4/mcl).

Die Symptome entstehen durch die Entzündung und Raumforderung. Sie verursachen fokale neurologische Symptome je nach Lokalisation, die meist plötzlich auftreten, seltener Anfälle und systemische Symptome. Die Diagnose wird initial klinisch gestellt durch eine zerebrale Bildgebung (CT bzw. MRT mit Kontrast). Hier zeigen sich ringförmige kontrastmittelanreichernde raumfordernde Läsionen mit perifokalem Ödem. Morphologisch sind diese Läsionen nicht sicher unterscheidbar von einem zerebralen Non-Hodgkin-Lymphom.

Falls die Erkrankung auf eine antiparasitäre Therapie (Tab. 75.7) nicht anspricht, ist eine stereotaktische Biopsie indiziert (Benson et al. 2004).

4.5.2 Kryptokokkenmeningitis

Die Kryptokokkenmeningitis ist eine schwer verlaufende Meningitis bei weit fortgeschrittenem Immundefekt (CD4 < 100/mcl). Symptome sind Fieber und Kopfschmerzen, ein Meningismus kann vorhanden sein. Der Erreger, Cryptococcus neoformans, ist ubiquitär und verursacht zunächst pulmonale, später disseminierte Infektionen. Die Diagnose wird durch Liquorpunktion gestellt, dabei ist neben der Kultur und dem Nachweis des Kryptokokkenantigens auch ein direkter Nachweis durch Tuschefärbung möglich.

Die Therapie der 1. Wahl besteht aus der Kombination von Amphotericin B und Flucytosin, alternativ Fluconazol (Tab. 75.7). Eine wichtige adjuvante Therapiemaßnahme bei der Kryptokokkenmeningitis ist die Therapie des meist deutlich erhöhten Liquordrucks durch Punktion nach Druckmonitoring (Benson et al. 2004).

4.5.3 Andere

Virale Enzephalitiden können durch das assoziierte Koma oder andere schwere neurologische Störungen zur Aufnahme auf die Intensivstation führen. Hier sind v. a. Enzephalitiden mit JC-Virus, CMV, HSV und VZV zu nennen. Während die Enzephalitiden durch Herpesviren häufiger Anfälle und schwere Bewusstseinsstörungen verursachen, präsentiert sich die JC-Virusenzephalitis (auch progressive multifokale Leukenzephalopathie, PML) häufiger mit kognitiven und fokalen neurologischen Störungen. Der Nachweis der Erreger gelingt durch Liquorpunktion und PCR. In der Bildgebung zeigen sich bei den Enzephalitiden durch Herpesviren meist einzelne fokale Läsionen, während die ausgeprägten entzündlichen Veränderungen bei der PML fast pathognomonisch sind.

Die Enzephalitiden mit HSV und VZV werden nach den bekannten Schemata behandelt, für die Therapie der CMV-Enzephalitis ist Ganciclovir die 1. Wahl, Foscarnet und Cidofovir sind Alternativen. Eine Therapie der PML ist nicht durch Studien etabliert, in vitro wirkt Cidofovir auf JC-Virus.

Eine genuine HIV-Enzephalopathie ist v. a. durch schwerste kognitive Einbußen apparent. Im Liquor zeigt sich ein hoher Nachweis von HIV-RNA und in der Bildgebung eine ausgeprägte Erweiterung der äußeren und inneren Liquorräume. Die Therapie der Wahl ist die antiretrovirale Therapie, durch die oft eine fast vollständige Remission der Klinik erzielt werden kann (Benson et al. 2004).

4.6 Gastrointestinale Komplikationen

Gastrointestinale Blutungen und seltener Perforationen können durch CMV-Ulzerationen im Ösophagus, Magen, Kolon und seltener Dünndarm auftreten. Endoskopisch zeigen sich ausgestanzte multiple Ulzerationen. Blutungen können ebenfalls durch Schleimhautbefall von Kaposi-Sarkomen entstehen. Eine Remission mukokutaner Kaposi-Sarkome kann durche eine antiretrovirale Therapie weitestgehend gelingen. Nur bei Progression bzw. Nichtansprechen sollte eine zytostatische Therapie angewandt werden.

Hepatitiskoinfektion en v. a. mit HCV sind bei der HIV-Infektion häufig und mit einer rascheren Progression zum Leberversagen verbunden. Die Behandlung von hepatologischen Komplikationen unterscheidet sich jedoch nicht von der anderer Patienten, eingeschlossen die Lebertransplantation als Ultima ratio (Benson et al. 2004).

4.7 Andere Komplikationen

Hämatoonkologische Manifestationen der HIV-Infektion können ebenfalls zum Intensivaufenthalt führen. Das Risiko für Non-Hodgkin-Lymphome ist für nicht antiretroviral behandelte HIV-infizierte Patienten ungefähr um das 200-Fache erhöht. Spezielle Formen, die bei der HIV-Infektion häufiger sind, beinhalten das primäre Pleura- bzw. peritoneale Lymphom, das mit HHV-8 assoziiert ist. Ebenso HHV-8-assoziiert ist das Kaposi-Sarkom, das neben Haut-und Schleimhäuten auch innere Organe (Leber, Milz u. a.) befallen kann.