Erschienen in:
01.12.2013 | Originalien
Zuverlässigkeit notärztlicher Verdachtsdiagnosen
Beispiel Verkehrsunfallopfer
verfasst von:
PD Dr. M. Helm, OTA, M. Faul, T. Unger, L. Lampl
Erschienen in:
Die Anaesthesiologie
|
Ausgabe 12/2013
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Zusammenfassung
Hintergrund
Die Prognose Schwerverletzter wird von der präklinischen Versorgung mitbestimmt. Der notärztlichen Einschätzung des Verletzungsschweregrads kommt dabei eine Schlüsselposition zu, da diese maßgeblich Art und Umfang der präklinischen Maßnahmen sowie die Zielklinikauswahl beeinflusst.
Ziel der Arbeit
Die Zuverlässigkeit notärztlicher Verdachtsdiagnosen sollte am Beispiel von Verkehrsunfallopfern ermittelt werden.
Material und Methode
Es wurde eine retrospektive Analyse von Notarzteinsätzen bei Verkehrsunfallopfern mit Transport in ein überregionales Traumazentrum durchgeführt. Hierbei wurden die notärztlichen Verdachtsdiagnosen mit den innerklinischen Diagnosen, bezogen auf unterschiedliche Körperregionen, verglichen.
Ergebnisse
An der Studie nahmen 479 Verletzte [Alter: 37,0 ± 18,2 Jahre, männlich: 65,8 %, Injury Severity Score (ISS): 15,5 ± 13,5 ISS > 16: 41,1 %, Letalität: 7,3 %] teil. Führend war der Pkw-Unfall (56,2 %), gefolgt von Motorrad- (24,0 %), Fahrrad- (11,6 %), Lkw- (4,0 %) und Fußgängerunfall (4,2 %). Führende Verletzungen [Abbreviated Injury Scale (AIS) ≥ 3] waren Thorax (37 %), Schädel (25,1 %) und untere Extremitäten (16,7 %). Notärztlich korrekte Einschätzung von Verletzungen mit AIS ≥ 3 betrafen bezüglich Schädel: 77 %, Thorax: 69 %, Abdomen: 51 %, Becken: 49 %, Extremitäten: 70 %, Hals/Halswirbelsäule (HWS): 67 % und Brustwirbelsäule (BWS)/Lendenwirbelsäule (LWS): 70 % der Diagnosen. Notärztlich nichtdiagnostizierte Verletzungen (AIS ≥ 3) bezogen sich hauptsächlich den Körperstamm (Thorax: 12,6 %, Abdomen: 16,9 % und Becken: 15 %). Signifikant weniger notärztlich nichtdiagnostizierte Verletzungen fanden sich für den Schädel bei einer Glasgow Coma Scale (GCS) ≤ 8 (5,4 vs. 19 %, p = 0,015), für den Thorax bei primärer pulsoxymetrisch gemessener Sauerstoffsättigung (SpO2) ≤ 96 % (18,1 vs. 35,7 %, p = 0,004) und für das Abdomen bei primärem systolischen Blutdruckwert < 90 mmHg (28,6 vs. 52,5 %, p = 0,025).
Diskussion
Die exakte präklinische Diagnosestellung ist bei Verkehrsunfallopfern nur eingeschränkt möglich. Dies betrifft insbesondere Verletzungen von Abdomen und Becken. Für die notärztliche Diagnosestellung sollte die klinische Untersuchung, erweitert um apparative Monitoring-Verfahren sowie Informationen zu Unfallsituation und -mechanismus, herangezogen werden.