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Übersichtsarbeit

Tagesschläfrigkeit und Fahrverhalten

Published Online:https://doi.org/10.1024/0040-5930/a000610

In industrialisierten Gesellschaften klagen 10–15 % der Bevölkerung über Tagesschläfrigkeit. Neben der Schichtarbeit und der weit verbreiteten, sozial bedingten Schlafinsuffizienz, dürfte auch die zunehmende Zahl von Schlaf-Wachstörungen dazu beitragen. Die Folgen der Schläfrigkeit am Steuer sind Unaufmerksamkeit, „Tunnelblick“ und verlängerte Reaktionszeit. Die Unfälle beim Sekundenschlaf ereignen sich oft bei unverminderter Geschwindigkeit, was zu besonders schweren, und besonders oft zu tödlichen Unfällen führt. In der Schweiz werden zwar gemäß den offiziellen Statistiken lediglich ca. 1.5 % der Verkehrsunfälle durch Einschlafen am Steuer verursacht, was im Vergleich zu einem 10–30 % Anteil in der Fachliteratur massiv unterschätzt erscheint. Die Diskrepanz in den offiziellen statistischen Erhebungen entsteht wohl u. a. dadurch, dass Schläfrigkeit schwer zu erfassen ist. Die Unterschätzung des wahren Problems ist deswegen relevant, weil Gegenmaßnahmen im Straßenbau und die Abklärungen bei fehlbaren Fahrzeuglenkern immer noch zu wenig konsequent verfolgt werden. Zu den Risikofaktoren für schläfrigkeitsbedingte Verkehrsunfälle gehören junges Alter, geringe Fahrerfahrung, männliches Geschlecht, Risikoverhalten, Nachtfahrten, monotone Strecken, lange Fahrdauer, das sozial oder beruflich bedingte Schlafmanko, aber auch Schlaf-Wach-Krankheiten und sedierende Medikamente. Die Risikofaktoren und auch die typischen Merkmale von schläfrigkeitsbedingten Unfällen sind relativ gut bekannt, so dass prophylaktische Gegenmaßnahmen und gezielte Abklärungen von fehlbaren Lenkern möglich wären. Weil jeder Betroffene die Zeichen der Schläfrigkeit rechtzeitig, d. h. vor dem Auftreten eines Sekundenschlafes am Steuer erkennen kann, kommt der Aufklärung aller Verkehrsteilnehmer – und somit auch der Patienten – über das individuelle Risiko und über wirksame Gegenmaßnahmen wie anhalten, Kaffeetrinken und Turboschlaf einschalten, eine ganz besondere Bedeutung zu. Dieses Aufklärungsgespräch soll in der Krankengeschichte unbedingt bei der ersten Konsultation dokumentiert werden, was besonders wichtig ist bei der Verordnung von sedierenden Medikamenten. Bei allen Berufsfahrern mit Tagesschläfrigkeit und bei allen Fahrzeuglenkern, welche bereits einen Unfall erlitten haben, empfehlen wir eine Zuweisung an ein Zentrum für Schlafmedizin, um die Tagesschläfrigkeit zu objektivieren und damit die Compliance des Patienten zu verbessern. Bei uneinsichtigen Patienten hat der Arzt in der Schweiz das Recht, aber nicht die Pflicht, Anzeige bei den Behörden zu erstatten.

Daytime sleepiness is reported by 10–15 % within the general population of industrialised countries. According to federal statistics in Switzerland, only ~1.5 % of motor vehicle crashes are caused by excessive daytime sleepiness, which is in sharp contrast to the scientific literature, indicating a figure of 10 to 30 %. This is most likely related to the difficulty to detect the underlying sleepiness by police officers and their low awareness of this cause in case of car accidents. As a consequence of this massively reduced figure, the real problem is underestimated and countermeasures as well as examinations of drivers at fault are inadequately realised in our country. The risk factors for sleepiness induced accidents are young age, male sex, driving at night or long distances and a number of diseases or sedative drugs. The most prevalent cause of sleepiness related accidents is the behaviourally induced sleep insufficiency syndrome or irregular sleep-wake rhythm in otherwise healthy subjects. Disease related sleepiness which may also cause motor vehicle accidents must be managed by physicians. In the diagnostic work-up sedative drugs, medical causes of sleepiness or tiredness as well as primary sleep-wake disorders must be considered. The most important duty of the treating physician, in addition to correct diagnosis and treatment, is to inform the affected patient of his or her responsibility not to drive while sleepy, about the theoretical legal consequences in case of an accident and about efficient countermeasures such as stopping in a rest area, drinking coffee, and taking a nap. For legal reasons, this information must be written in the patient's notes. Professional drivers suffering from sleep apnoea syndrome or other disorders with excessive daytime sleepiness, or private drivers who have already experienced a sleepiness induced accident, should be referred to a sleep-wake-centre for objective assessment of their sleepiness in the maintenance of wakefulness test or a driving simulator before they continue to drive.