Erschienen in:
01.05.2015 | Originalien
Neonatizid
Täterinnentypologie und Ost-West-Vergleich
verfasst von:
M. Schöne, Dr. E. Peter, H. Dobrowolny, B. Bogerts
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 5/2015
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Zusammenfassung
Hintergrund
Neonatizid beschreibt die Tötung eines Kindes durch ein Elternteil (meist die Mutter) innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt. Ziel der vorliegenden Arbeit ist, anhand psychopathologischer, psychischer, sozialer und biographischer Charakteristika der Täterinnen eine Täterinnentypologie sowie einen Vergleich zwischen alten und neuen Bundesländern zu erstellen.
Materialien und Methoden
Von 63 Täterinnen aus ganz Deutschland, die von 1986 bis 2009 mindestens einen Neonatizid begangen haben, wurden die forensisch-psychiatrischen Gutachten und die rechtskräftigen Urteile anhand eines Erhebungsbogens zu den Charakteristika der Täterinnen (Primi- vs. Pluripara, Schwangerschaftsverarbeitung, psychiatrische Diagnose, Partnerschaft, Alter) mittels Clusteranalyse ausgewertet. Abschließend wurde mittels Signifikanztests untersucht, ob sich die Häufigkeit von Neonatiziden in den alten und neuen Bundesländern signifikant voneinander unterscheiden.
Ergebnisse
Es konnten 2 Prägnanztypen extrahiert werden: Erster Tätertyp: 32 Täterinnen, Primiparen, durchschnittlich 21 Jahre alt, lebten noch bei ihren Eltern, litten an einer akuten Belastungsreaktion oder waren nicht psychisch krank, heterogenes Bild der Schwangerschaftsverarbeitung (verheimlichten oder ignorierten ihre Schwangerschaft oder nahmen sie nicht wahr). Zweiter Tätertyp: 31 Täterinnen, Pluriparen, durchschnittlich 25 Jahre alt, lebten mit ihrem Partner zusammen, litten an einer Persönlichkeitsstörung oder waren nicht psychisch krank, verheimlichten ihre Schwangerschaft. Ein Vergleich von alten mit neuen Bundesländern ergab eine statistisch signifikante, höhere Inzidenz im Osten Deutschlands.
Schlussfolgerung
Bei der Beurteilung des Ursachengefüges von Neonatiziden sollte die vorgestellte Kategorisierung der Täterinnen in zwei Gruppen, deren Charakteristika nur geringgradig überlappen, berücksichtigt werden, wobei die Typologie der Täterinnen inhomogener ist als bisher angenommen. Die dargestellte Typologie und die Kenntnis der zum Neonatizid gehörenden Bedingungskonstellation schaffen bessere Voraussetzungen dafür, Risikopersonen eher zu erkennen und präventive Maßnahmen einzuleiten.