Erschienen in:
02.02.2022 | Psychoanalyse | Vortragsforum
Die Dialektik der psychoanalytischen Aufklärung
verfasst von:
Dr. phil. Kai Rugenstein
Erschienen in:
Forum der Psychoanalyse
|
Ausgabe 1/2022
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Zusammenfassung
Obgleich Freud oft ohne Umschweife als Aufklärer angesehen wird, erweist sich das Verhältnis der Psychoanalyse zum Projekt der Aufklärung als ein ambivalentes. Der abgedruckte Vortrag untersucht die Dialektik der psychoanalytischen Aufklärung, indem er das Hin und Her zwischen der Vernunft und ihrem Gegenteil in der Psychoanalyse entfaltet. Diese Hin-und-Her-Bewegung wird bei Freud aufgenommen und anhand einer Diskussion des Ödipus-Mythos illustriert. Dabei wird deutlich, wie Freud schwankte zwischen dem Bestreben, das Unbewusste unter die Kontrolle des bewussten Ich zu bringen, und der diesem Bestreben entgegenlaufenden Tendenz, sich dem Unbewussten hinzugeben. Aus dem Optimismus, dass sich – auf individueller und auf gesellschaftlicher Ebene – ein Fortschritt der Vernunft durch die Zerstörung von Illusionen und durch die Lösung von Rätseln erreichen lasse, leitet sich der Herrschaftsanspruch eines rationalen Ich ab. Dieser Anspruch wird jedoch mit der Unverfügbarkeit und Irrationalität jener inneren Alterität konfrontiert, welche die Psychoanalyse „Trieb“ nennt. Jenseits der Opposition von Vernunft und Unvernunft wird für eine „andere Vernunft“ innerhalb der Psychoanalyse plädiert. Zum Schluss wird dann die Frage beantwortet, was wir mit den im Verlauf dieser Untersuchung gewonnenen Einsichten konkret machen können.