Erschienen in:
01.12.2012 | Vortragsforum
Psychotherapie zwischen Narrativ und Qualitätssicherung
verfasst von:
Prof. Dr. med. Hubert Speidel
Erschienen in:
Forum der Psychoanalyse
|
Ausgabe 4/2012
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Zusammenfassung
Zwei bedeutende Buchpublikationen und eine psychotherapeutische Qualitätsstudie des Jahres 2011 dienen als Anlass, die polaren Bedingungen zu untersuchen, die die psychotherapeutische Arbeit bestimmen: die Gesetze des Narrativs, also des Erzählens, das die Inhalte der psychotherapeutischen Arbeit liefert, und die Qualitätssicherung als Kanon der wissenschaftlichen, standespolitischen und staatlichen Kontrollen der therapeutischen Praxis.
Das Narrativ ist eine Komposition, formal durch ein Verlaufsschema charakterisierbar, inhaltlich als Inszenierung mit einem Ich-Erzähler und einem erzählten Ich. Anders als der Tagtraum sucht es die Öffentlichkeit und den Zuhörer, um Anteilnahme und Identifikation zu erzeugen. Es transportiert Wünsche, Angst, Erfüllung und Katastrophen. Das Narrativ ist die Phänomenologie der sprachlogischen und interpersonalen Kohärenz und lässt sich mit unterschiedlichen, vor allem psychoanalytischen Theorien verknüpfen. Für die Psychotherapie eröffnet es die Welt des Ich mit seinen Konflikten, Bewertungen und Stabilisierungsbemühungen im interpersonalen Kontext.
Die Qualitätssicherung ist eine auch wissenschaftlich begründete, sich in der Psychotherapie sowie in der übrigen Medizin und anderen Lebensbereichen zunehmend verstärkende Verwaltungssteuerung der praktischen Arbeit. Eine im Mai 2011 abgeschlossene Studie der Techniker-Krankenkasse belegt die Nutzlosigkeit zeit- und geldaufwendiger Kontrollprozeduren in der Psychotherapie sowie die Bedeutung guter Aus- und Weiterbildung, der die Studie für Deutschland eine hohe Qualität bescheinigt.