Die tibio-talo-calcaneale Arthrodese erfährt heute eine steigende Popularität in der rekonstruktiven Chirurgie. Die genaue anatomische Orientierung des Rückfußes und eine funktionelle extrinsische Muskulatur des Rückfußes sind unentbehrlich für ein gutes Ergebnis. Die Fixation der Arthrodese ist ein mechanisches Problem. Gerade und geknickte Nägel sind anatomisch und mechanisch nicht optimal. Ein kreisbogenförmiger Knochennagel kann die Tibia, den Talus und den Calcaneus in anatomischem Alignement fest verbinden. Dabei handelt es sich um einen reinen „Knochennagel“, im Gegensatz zum „Marknagel“, der in einer vorbestehenden Öffnung bei Röhrenknochen geführt wird. Der Nagel wird durch eine kreisbogenförmige Aussparung geführt, die einen optimalen Formschluss zum Knochen ergibt. Ein entsprechendes Zielgerät erlaubt das genaue Fräsen der Aussparung, die den spongiösen Knochentrabekeln folgt. Elf Fälle wurden mit dem Instrumentarium operiert, mit den Indikationen von posttraumatischen Zuständen, kongenitalen Fehlstellungen, rheumatischer Polyarthritis und diabetischer Charcot-Arthropathie. Die gewünschte Einstellung des Alignements wird durch die Nageleinführung nicht beeinflusst. Die Fixation ergibt eine primäre Stabilität, mit dem Ziel einer frühzeitigen funktionellen Behandlung.
Hinweise
Redaktion
P. Biberthaler, München
Einführung
Die tibio-talo-calcaneale Arthrodese erfährt heute eine steigende Popularität in der rekonstruktiven Chirurgie. In der Vergangenheit wurde diese Arthrodese oft als eventuelle Alternative bei der Indikation zur Beinamputation diskutiert. Dabei werden heute die Indikationen bei posttraumatischen Zuständen, bei kongenitalen Fehlstellungen, bei rheumatischer Polyarthritis oder bei diabetischer Charcot-Arthropathie gestellt. Heute stellt man fest, dass der funktionelle Erfolg nach tibio-talo-calcanealer Arthrodese von einer peinlich genauen Orientierung des Rückfußesabhängt. Dies gilt besonders, wenn die extrinsischen Muskeln, insbesondere die Mm. tibialis posterior, peroneus brevis, tibialis anterior und peroneus longus funktionsfähig bleiben. Dazu gehört die anatomische Führung der Sehnen um den lateralen und den medialen Knöchel. Die Fixation der Arthrodese ist eine mechanische Herausforderung, weil die Belastung durch das Körpergewicht und über die Hebelarme des Fußes hoch ist. Die funktionelle Mechanik des Rückfußes zeigt, dass keine konstante Zug- oder Druckseite besteht und dass relevante Rotationskräfte in der horizontalen Ebene bestehen [4].
Problematik
Das normale „Alignement“ des Rückfußes in der frontalen oder Koronarebene ist ein leichter physiologischer Valgus (ca 5–7 Grad Valgus) [4, 9]. Das Alignement der distalen Tibia, des Taluskörpers und des Tuber calcanei folgt einer anatomischen Linie, die das Tuber calcanei, die hintere Facette des subtalaren Gelenks, den Taluskörper, das tibio-talare Gelenk und die distale Tibiametaphyse verbindet. Diese Linie liegt auf einem Kreisbogen (Abb. 1), der in einer zur Belastungsebene senkrechten, ca. 15–20 Grad nach innen gerichtetenEbene liegt (Abb. 2).
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Man erkennt diese Linie auch in der inneren ossären Struktur der Knochen. Calcaneus, Talus und Tibiametaphyse sind intern von einem feinen, verdichteten, Spongiosaknochen-Netz durchflochten, dessen Orientierung diesem Kreisbogen entspricht ([4]; Abb. 3a).
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Ziel der Operation ist es, Tibiametaphyse, Talus und Calcaneus in einem anatomischen Alignement fest zu verbinden, sodass eine zumindest teilbelastete, frühfunktionelle Behandlung möglich ist. Die anatomischen Gegebenheiten suggerieren, dass der optimale Kraftträger entlang des beschriebenen Kreisbogens verläuft.
Heute verbreitete „gerade“ Fixationsnägel haben eine plantare Eintrittsstelle, die genau über dem Verlauf des Nervus plantaris lateralis liegt und dessen Integrität stark gefährdet. Somit besteht die ernste Gefahr einer iatrogenen, invalidisierenden plantaren Neuropathie [1, 2, 3, 7, 8]. Der Nagel durchquert den Calcaneus an einer kurzen und extrem schwachen Stelle [7], die einen sehr unsicheren Halt gibt (neutrale Zone oder „Pseudoleerraum“) (Abb. 3b; [5, 9]). Ein gerader Nagel stellt den Rückfuß in eine Varus-Fehlstellung ein (fehlender Valgus). „Geknickte“ Nägel sollten diese iatrogene Fehlstellung vermeiden. Sie müssen jedoch durch eine größere Bohrung durchgestoßen werden [5] und ergeben wegen der unvermeidlichen Inkongruenz zwischen Bohrung und Nagelform eine inhärent instabile Fixation. Die Stabilität sollte dann mit zusätzlichen Maßnahmen (calcaneo-kuboidale Transfixation, blockierende, evtl. zementierte Sperrplatte [6]) verbessert werden.
Lösung
Ein kreisbogenförmiger Nagel kann die Tibia, den Talus und den Calcaneus fest verbinden. Dabei handelt es sich um einen reinen „Knochennagel“, der nicht in einer vorbestehenden Öffnung, wie zum Beispiel dem Markraum bei Röhrenknochen geführt wird. Die Öffnung wird an der gewünschten Stelle vom Operateur angelegt (Abb. 4).
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Dazu gehören einige Hilfsmittel: ein Zielgerät, die Bildverstärkerkontrolle und ein Bogenfräser. Mit dem Zielgerät platziert der Operateur die Ebene und das Zentrum des Kreisbogens. Drei Punkte sind notwendig, um die Ebene des Bogens zu definieren (Abb. 5a).
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Der Ansatz der Achillessehne, die mediale Schulter des Talushalses vor dem medialen Malleolus und die Tibiadiaphyse ergeben drei konstante Referenzpunkte. Das Zielgerät wird zuerst am Calcaneus und am Talus fixiert und dann mit einer Schanzschraube in der Tibiadiaphyse verankert. Die Ebene des Kreisbogens ist somit vorgelegt. Die Position des Zentrums des Bogens wird in dieser Ebene mit einem einstellbaren Hebelarm definiert. Dieses Zentrum entspricht dem Rotationszentrum des Fräsers für die Knochenbohrung. Dafür braucht es eine kurze Bildverstärkerkontrolle, wobei der Fuß mit dem Zielgerät (röntgendurchlässig) in der Bogenebene untersucht wird. Ein Bogen, der den Nagel simuliert, wird auf das vorgelegte Rotationszentrum des Fräsers (Achse) montiert und über dem Fuß projiziert (Abb 5b).
Die Position des Nagels kann genau im Calcaneus, im Talus und in der distalen Tibia geprüft werden. Bei eingestelltem Hebelarm ist die Schwenkachse des Knochenfräsers definiert. Eine biegsame Welle und Kopffräser werden mit einer steifen Führungshülse an den Bohrer montiert. Dieser wird auf die Schwenkachse montiert und die kreisförmige Öffnung vom Tuber calcanei bis zum Eintritt in den Tibiamarkraum gefräst (Abb. 5c).
Ein Nagel, der genau dem Durchmesser des Fräskopfes entspricht, wird dann eingeführt. Der Durchmesser des Nagels nimmt zwischen Spitze und Basis leicht zu, sodass ein ausgezeichneter Formschluss im Knochen zustande kommt. Der Formschluss besteht in sehr widerstandsfähigem, dichtem spongiösen Knochen und ergibt somit einen optimalen Kraftschluss. Die Rotationskräfte, die sich auf diese „zentrale“ Fixation negativ auswirken können, werden mit einer subtalaren, im Nagel festgedrehten Verriegelungsschraube und einer Verriegelungsschraube in der distalen Tibia aufgefangen (Abb. 6).
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Der Außenknöchel wird mobilisiert und als Knochenplatte an der Tibia und am Talus fixiert.
Klinik
Elf Fälle wurden mit der beschriebenen Technik in den letzten zwei Jahren behandelt. Das Alter der Patienten war im Schnitt 57 (45–65) Jahre und das Follow-up betrug mindestens drei Monate. Bei einem Patienten bestand eine schwere diabetische Charcot-Arthropathie, bei einer Patientin eine Hemiplegie, bei einer Patientin eine chronische rheumatische Polyarthritis und bei einem Patienten eine kongenitale Klumpfußdeformität. Die sieben anderen Patienten wiesen schwere posttraumatische Deformitäten auf.
Der wesentliche Schritt ist immer die korrekte operative Einstellung der Rückfußachsen oder des Alignements. Diese Einstellung wird provisorisch mit Kirschnerdrähten fixiert. Die definitive innere Fixation dieser Einstellung geschah in allen Fällen ohne sekundäre Abweichung, wobei die Einführung des Nagels einen leichten, über seine gesamte Länge konstanten Widerstand zeigte. Das Anlegen des Zielgeräts, Ausfräsen und die Nagelfixation wurden regelmäßig innert 20–30 min durchgeführt. Die postoperative Phase verlief in allen Fällen in einem zirkulären Gips ohne Belastung für zwei Wochen zur bewegungsfreien Konsolidation der Weichteile. In der Folge wurde eine Teilbelastung in einem abnehmbaren Stiefel mit Nockensohle (konvexe, steife Sohle) bis acht Wochen postoperativ erlaubt, wobei mehrere Patienten nach Anlegen des Stiefels sich ohne Entlastungsstöcke bewegten. Danach erfolgte in der Regel eine totale Belastung in normalem Schuhwerk. In zwei Fällen kam es zur weiteren Einstauchung auf Höhe des oberen Sprunggelenks mit Abbruch der Tibia-Verriegelungsschraube. Dies jedoch zum Vorteil der Konsolidation in optimaler Stellung. In allen Fällen ist eine knöcherne Konsolidation eingetreten, die manchmal mittels CT festgestellt wurde.
Fazit für die Praxis
Die klinische Erfahrung zeigt bis heute, dass die tibio-talo-calcaneale Arthrodese bei physiologischer Einstellung der Rückfußachsen mit einem flüssigen Gangmuster kompatibel ist. Die endossale, bogenkreisförmige Nagelfixation zwischen Tuber calcanei, Talus und distaler Tibiametaphyse erlaubt eine physiologische Einstellung des Rückfußes; sie folgt den anatomischen Belastungskräften, ergibt eine optimale primäre Stabilität durch einen stabilen Form- und Kraftschluss und erlaubt eine ungestörte Knochenkonsolidierung. Der Vergleich mit anderen Nagelverfahren ist heute auf die Operationstechnik begrenzt: Bei anderen „gebogenen“ Nägeln geschieht eine Änderung des Rückfußalignement beim Einschlagen, was zwangsmäßig mit einer traumatischen Erweiterung des Knochenlumens einhergeht. Der primäre Formschluss der Fixation wird dabei zumindest alteriert. Dabei wird ein „cut-out“ des Nagels aus dem Calcaneus und eine fehlende subtalare Konsolidation beobachtet. Die Stabilität wird bei diesen Techniken mit weiteren Maßnahmen zu verbessern versucht, wobei die Autoren eine längere relevante Entlastung empfehlen [5].
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Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
K. Klaue, H. Zwipp, T. Mittlmeier und N. Espinosa geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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