Erschienen in:
01.12.2012 | Rezension
Stefan Lorenz Sorgner (2010) Menschenwürde nach Nietzsche. Die Geschichte eines Begriffs
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 288 Seiten, 49,90 €, ISBN 978-3-534-20931-6
verfasst von:
Dr. phil. Markus Rothhaar
Erschienen in:
Ethik in der Medizin
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Ausgabe 4/2012
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Auszug
Der Begriff der Menschenwürde spielt in aktuellen bio-, medizin- und rechtsethischen Debatten oft eine Schlüsselrolle. Wer diese Debatten freilich unvoreingenommen betrachtet, wird vermutlich zu dem Ergebnis kommen, dass der Begriff trotz oder gerade wegen seiner Omnipräsenz in einer Krise ist. Vor diesem Hintergrund hat Stefan Lorenz Sorgner eine umfassende Studie vorgelegt, der es um nichts weniger zu tun ist als eine von Nietzsche inspirierte grundlegende Kritik am Menschenwürdebegriff der philosophischen Tradition. Dazu untersucht Sorgner nach einer umfangreichen Einleitung im ersten Teil seiner Arbeit das Konzept der „Würde des Menschen“ bei den gleichsam „klassischen“ Vertretern eines emphatischen Menschenwürdebegriffs, nämlich bei Cicero, Pico della Mirandola, Manetti und Kant, um daran im zweiten Teil eine Rekonstruktion der tatsächlichen, aber auch der möglichen Kritik Nietzsches anzuschließen. Wenn hier von einer „möglichen“ Kritik die Rede ist, so hat dies seinen Grund darin, dass eine explizite Erwähnung des Begriffs „Menschenwürde“, wie Sorgner selbst zeigt, bei Nietzsche nur sporadisch zu finden ist. Das damit entstehende methodische Problem löst Sorgner, indem er aus den Texten von Cicero, Kant, Pico und Manetti eine Theorie der Menschenwürde herausdestilliert, wonach diese dadurch charakterisiert sei, dass dem Menschen aufgrund seiner Vernunft, seiner Willensfreiheit und der Unsterblichkeit der menschlichen Seele eine herausgehobene Stellung innerhalb der Schöpfungsordnung zukomme. Nietzsches Kritik an den traditionellen Konzepten von Willensfreiheit, Vernunft etc. könne damit mutatis mutandis als Kritik am Menschenwürdebegriff verstanden werden. …