Erschienen in:
01.12.2014 | Leitthema
Wachstumsverhalten nach Fugenverletzungen
Bedeutung von „wasserdichten“ Osteosynthesen
verfasst von:
Prof. Dr. L. von Laer
Erschienen in:
Die Unfallchirurgie
|
Ausgabe 12/2014
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Zusammenfassung
Hintergrund
Die Häufigkeitsangaben in der Literatur über Wachstumsfugenverletzungen der langen Röhrenknochen sind ungenau. Wahrscheinlich kommen sie mit einer Häufigkeit von 15 % sämtlicher Frakturen am wachsenden Skelett vor. Um in Zukunft korrektere Zahlen angeben zu können, sollte eine Klassifikation wie die Li-La-Klassifikation benutzt werden, die nicht versucht, sich an einer vermeintlichen Wachstumsprognose zu orientieren, sondern – therapeutisch ausgerichtet – strikt zwischen Schaft- und Gelenkfrakturen unterscheidet. Sie muss bei den Fugengelenkfrakturen (Epiphysenfrakturen) zwischen denen bei noch offenen Fugen und denen bei beginnendem Fugenschluss unterscheiden, um sämtliche Fugengelenkfrakturen erfassen und gegen die Fugenschaftfrakturen (Epiphysenlösungen) abgrenzen zu können.
Klinik
Die Wachstumsprognose umfasst einerseits stimulative und hemmende Wachstumsstörungen (WTS), andererseits die Spontankorrekturen verbliebener Achsabweichungen. Sie ist grundsätzlich abhängig vom biologischen Alter des Patienten bei Fraktur, von der Lokalisation im Skelett als auch von der Lokalisation im Segment, da die Wachstumsanteile der Fugen im Segment asymmetrisch verteilt sind.
Stimulative WTS sind im eigentlichen Wachstumsalter < 10 Jahre die obligatorischen WTS, die zur Verlängerung des betroffenen Skelettabschnitts führen. Im Alter jenseits des 10. Lebensjahrs führt sie ebenso obligatorisch zum vorzeitigen Verschluss der nahegelegenen bzw. betroffenen Fuge, was sich in einer dezenten Verkürzung äußert. Asymmetrische Stimulationen finden sich am häufigsten an den oberen Extremitäten nach den intraartikulären Frakturen des Condylus radialis als die dort obligatorische WTS. An den unteren Extremitäten kommen asymmetrische Stimulationen selten nach extraartikulären metaphysären Valgusfrakturen der proximalen und der distalen Tibia vor.
Asymmetrische vorzeitige Fugenverschlüsse sind an den oberen Extremitäten im Gegensatz zu partiellen Stimulationen mit unter 5 % selten nach extraartikulären Frakturen des distalen Radius und des proximalen Humerus. Hingegen finden sich asymmetrisch hemmende WTS an den unteren Extremitäten signifikant häufiger nach extra-und intraartikulären Frakturen des distalen Femurs, der proximalen Tibia und der distalen Tibia zwischen 50 und 20 %.
„Spontankorrekturen“ verbliebener Achsabweichungen und Seit-zu-Seit-Verschiebungen nach Fugenschaftfrakturen erfolgen zuverlässig – vorausgesetzt der Patient ist noch jung genug dazu – ohne dass dadurch WTS ausgelöst würden.
Therapeutische Zielsetzungen
Das Therapieziel besteht – im Falle einer Dislokation – bei den Fugenschaftfrakturen darin, altersentsprechend tolerable Achsen wieder herzustellen. Bei den dislozierten Fugengelenkfrakturen besteht das Ziel im Falle einer Dislokation darin, die Gelenkfläche wieder zu rekonstruieren. Es wird auf die Grundprinzipien einer effizienten und gezielten Diagnostik eingegangen ebenso wie auf die therapeutischen Möglichkeiten, die klinischen Folgen von WTS zu diminuieren.
Schlussfolgerung
Keine WTS, die nach jeder Fugenverletzung zu erwarten ist, kann primär therapeutisch verhindert werden. Es können jedoch bessere Voraussetzungen geschaffen werden, um die klinischen Folgen von WTS zu reduzieren. Die Therapie kann nur der Unterscheidung in Schaft und Gelenk folgen (und nicht einer vermuteten Wachstumsprognose) und sollte wissenschaftlich gesicherte und dem Patienten zumutbare „Spontankorrekturen“ integrieren. Eine Klassifikation muss die Fugenverletzungen therapiebezogen entkoppeln in Schaft- und Gelenkfrakturen.