Zusammenfassung
Hochschulen haben vielfältige Aufgaben und Folgen für eine Gesellschaft. Sie vermitteln, wie andere Bildungseinrichtungen auch, Wissen, Kompetenzen und Qualifikationen und tragen durch die Weitergabe von Orientierungen, Werten und sozialen Verhaltensweisen teils offen, teils implizit (‚hidden curriculum‘) zur Sozialisation der Bevölkerung bei. Damit verbunden ist, was oft als Selektion, Statuszuweisung oder Statusdistribution bezeichnet wird: Die Chancen von Individuen auf spätere vorteilhafte Berufs- und Lebenschancen sind in hohem Grad durch das Abschneiden im Bildungssystem geprägt.
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Notes
- 1.
Zur Studienanfängerquote gibt es verschiedene Zeitreihen, je nachdem, welche Abgrenzung der Studienanfänger berücksichtigt wird. In der Zahlenreihe von Tab. 1 sind ab 2000 nur Studienanfänger (deutscher und ausländischer Nationalität) mit in Deutschland erworbener Hochschulzugangsberechtigung berücksichtigt. Das zeigt am ehesten die Studienbeteiligung der in Deutschland wohnenden Bevölkerung. Würden auch im Ausland erworbene Studienberechtigungen berücksichtigt, würden diese die Quote in den letzten Jahren der Reihe um annähernd 10 Prozentpunkte erhöhen, weil in der Folge von internationalen Austauschprogrammen (wie Erasmus etc.) dann auch ausländische Studierende als Studienanfänger in Deutschland mitgezählt werden, die allenfalls ein oder zwei Semester in Deutschland studieren. In den Jahren 1980–1995 können diese damals noch weniger zahlreichen Fälle nicht herausgerechnet werden, sodass die Angaben für diese Jahre um schätzungsweise zwei bis drei Prozentpunkte überhöht sind.
- 2.
Diese Zahlenangaben sind geschätzte Näherungswerte, die erzielt werden, wenn die Erstabsolventenquoten zu den Studienberechtigtenquoten 5–7 Jahre früher in Beziehung gesetzt werden (vgl. Heublein et al. 2008). Man ist auf solche groben Schätzwerte angewiesen, weil es keine hinreichend langen und auf geringen Ausfallquoten beruhenden Längsschnittstudien über die Studienberechtigten gibt.
- 3.
Die bei den Männern besonders hohe Studienanfängerquote im Jahre 2011 ist mit der Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht zum 1. Januar 2011 verbunden. Deshalb begannen in diesem Jahr nicht nur Abiturienten des Jahres 2011 mit dem Studium, sondern auch Abiturienten aus Vorjahren, die nach dem Abitur zunächst Wehrdienst leisteten.
- 4.
Unter den 2013 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen im Bereich der „sekundären Dienstleistungsberufe haben 49 % der die Ausbildung beginnenden Jugendlichen vorher die Studienberechtigung erworben (Anteil mit Studienberechtigung in anderen Berufssparten: Produktionsberufe 14,1 %, Dienstleistungsberufe 32,9%, Primäre Dienstleistungsberufe 25,5 %, Technikberufe 23,2 %, Neue Berufe 37,3 %, Zweijährige Berufe 4,8 % und Berufe für Menschen mit Behinderung 0,7 %). In vielen kaufmännischen Ausbildungen (z. B. Bankkaufmann/frau, 70,9 %, Industriekaufmann/frau 66,1 %), aber auch in einigen technischen Berufen (z. B. Fachinformatiker/in 58,3 %) liegt der Studienberechtigtenanteil deutlich über 50 %“ (BiBB 2015, S. 180).
- 5.
Siehe OECD (2007, S. 250 f.) für weitere internationale Vergleiche zur Frage der privaten oder staatlichen Finanzierung unterschiedlicher Studienkosten.
- 6.
Die Herkunftsfamilien der Studierenden sind auf der Grundlage von Bildung und beruflicher Position der Eltern in vier annähernd gleich große Gruppen von unterschiedlich günstigen Lebensverhältnissen eingeteilt. Die Analysen basieren mehrheitlich auf der 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks aus dem Jahr 2006. Da seitdem keine wesentlichen Reformen der Studienfinanzierung oder des BAföG-Programms vorgenommen wurden, sind diese Befunde unserer Einschätzung nach auch noch heute relevant.
- 7.
Studierende aus dem nach Lebensverhältnissen untersten Bevölkerungsviertel, die nicht bei den Eltern wohnen, erhalten 2028 € an Stipendien und Zinsfinanzierung aus dem BAföG-Programm. Studierende aus dem obersten Viertel erhalten insgesamt 1354 € (372 € aus dem BAföG-Programm und 982 € Steuervergünstigung für die Eltern, bei der wenig verdienende Eltern leer ausgehen). Diese – in der Summe beider Beträge – geringen Unterschiede zwischen den einkommensschwächsten und den einkommensstärksten Herkunftsgruppen werden weiter dadurch relativiert, dass der Staat pro Studierenden aus allen Herkunftsschichten in gleicher Höhe insgesamt 3782 € für Kindergeld (1848 €), Subventionierung der Krankenversicherung (1512 €) und anderweitige Subventionierungen für Wohnung, Transport etc. (422 €) aufwendet, was in der Summe die oben genannten Beträge ergibt (vgl. Schwarzenberger und Gwosć 2008, S. 78, Tab. 52).
- 8.
Im Vergleich zu Entscheidungen in der vorausgehenden Bildungslaufbahn könnten sekundäre Mechanismen allenfalls dadurch abgemildert werden, dass Abiturienten bereits eine Lebensphase erreicht haben, in der sie eher eigenständig entscheiden können und weniger stark vom Elternwillen abhängig sind. Dieser von Müller und Karle (1993) als Lebenslaufhypothese vorgeschlagenen Teilerklärung für die (reduzierte) Stärke von Herkunftseinflüssen auf dem Abiturniveau dürfte aber im Vergleich zu den anderen diskutierten Mechanismen nur geringere Bedeutung zukommen.
- 9.
- 10.
Wir danken dem DZHW in Hannover für die Möglichkeit, Daten aus den Studienberechtigten-Erhebungen für dieses Kapitel zu nutzen.
- 11.
Wir möchten nochmals betonen, dass mit den beiden Datensätzen sehr unterschiedliche Aspekte des Ungleichheitsphänomens untersucht werden, die generell in der Forschung über Bildungsungleichheit unterschieden werden müssen. Mit dem Mannheimer Mobilitätsdatensatz untersuchen wir die Ungleichheit nach sozialer Herkunft im letztendlich erreichten Bildungsniveau, bezogen auf alle Mitglieder einer Geburtskohorte. Mit den DZHW-Daten untersuchen wir dagegen sogenannte konditionale Bildungsübergänge; d. h. in unserem Fall die Übergänge in postsekundäre Ausbildungen, unter der Voraussetzung, dass eine Hochschulberechtigung vorliegt, bzw. für die selektive Stichprobe der Angehörigen eines Abiturientenjahrgangs. Die Ergebnisse der beiden Analysen werden sich deshalb im Ausmaß der gemessenen Ungleichheit stark voneinander unterscheiden. Die Ergebnisse werden aber auch deshalb differieren, weil wir im ersten Fall erreichte Bildungsabschlüsse untersuchen, während es im zweiten Fall um den Eintritt in Ausbildungen geht, deren Abschluss nach Herkunft selektiv erfolgen mag. Dieser Unterschied wirkt sich aber weniger auf die Ergebnisse aus, weil im Hochschulbereich die sozialen Unterschiede bezüglich des erfolgreichen Abschlusses eines begonnenen Studiums zwar existieren, aber nicht stark ausgeprägt sind (vgl. Schindler 2006).
- 12.
Die DZHW-Analysestichproben von 1990, 1994 und 1999 umfassen Befragte aus Ost- und Westdeutschland und 1983 nur Befragte aus Westdeutschland.
- 13.
Wegen unterschiedlicher Bildungsklassifikationen in den Erhebungen, aus denen die Daten stammen, kann als kleinster gemeinsamer Nenner nur der Kontrast zwischen Vätern mit unterschiedlichen Schulabschlüssen gebildet werden. Könnte man im Hinblick auf die Bildung der Eltern ähnlich extreme Gruppen wie bei der Klassenvariablen vergleichen, würde die Ungleichheitsspanne ebenfalls größer werden.
- 14.
Die genauere Betrachtung der Befunde bei Klein et al. (2009) zeigt, dass die Disparitäten nach Bildungsherkunft vor allem deshalb geringer geworden sind, weil besonders Kinder von Vätern mit nur Hauptschulabschluss in der Bildungsbeteiligung aufgeholt haben. Weil diese Gruppe in den Analysen von Müller und Pollak (2004) nicht gesondert betrachtet wurde, unterscheiden sich die hier nach den neueren Ergebnissen von Klein et al. (2009) berichteten Befunde leicht von denen in Müller und Pollak (2004).
- 15.
Die Odds-Ratios hinsichtlich des Hochschulabschlusses und die Odds-Ratios hinsichtlich des Abiturs sind in ihrer Größe wegen nicht völlig eindeutiger Identifizierung der Hochschulberechtigten in der Datenbasis nicht direkt vergleichbar. Von den Personen mit begrenzter Hochschulberechtigung (was bei Arbeiterkindern häufiger ist als bei Dienstklassekindern) sind nur diejenigen als Abiturienten identifiziert, die tatsächlich später ein Hochschulstudium abgeschlossen haben. Diese aus Datengründen etwas exklusivere Definition des Abiturs bei Arbeiterkindern trägt dazu bei, dass die Odds-Ratios bezüglich Hochschulabschluss eine etwas geringere Ungleichheit anzeigen als die Odds-Ratios für das Erreichen mindestens des Abiturniveaus, obwohl unter den Hochschulberechtigten insgesamt Arbeiterkinder seltener ein Studium abschließen als Kinder aus der Dienstklassenherkunft. Beim Bildungsindikator ergibt sich ein ähnlich gelagertes Vergleichsproblem. Trotz dieses Datenproblems kann wegen des weitgehend parallelen Kurvenverlaufs gefolgert werden, dass die Disparitäten, die bis zum Erreichen des Abiturs entstehen, prägend sind für die Ungleichheit in den Chancen auf einen Hochschulabschluss.
- 16.
In einigen Bundesländern wie z. B. Baden-Württemberg stellt die Art des besuchten Gymnasiums (allgemeinbildend oder beruflich) eine weitere wichtige Bestimmungsgröße dar, die postsekundäre Bildungsentscheidungen maßgeblich beeinflussen kann (Köller et al. 2004; Maaz 2006). Für detailliertere Informationen zu Hochschulzugang und Hochschulzulassung in Deutschland siehe Teichler (2005, S. 32–36).
- 17.
Da diese Modelle keine großen Unterschiede zwischen Männern und Frauen zeigen, unterscheiden wir in den deskriptiven Tabellen nicht nach Geschlechtern.
- 18.
Die in Tab. 4 vorgenommene Prozentuierung mit der sozialen Herkunft als Basis dafür ist mit größter Vorsicht zu interpretieren, da bei den Hochschulberechtigten die jeweiligen Herkunftsgruppen ja unterschiedlich selektive Auswahlen darstellen. Die Werte können nur zeigen, dass die selektive Auswahl von Personen, die aus den verschiedenen Herkunftsgruppen die Hochschulberechtigung erreichen, sich auf unterschiedliche Typen der Hochschulberechtigung verteilen und diese typischerweise auf unterschiedlichen Wegen erreichen.
- 19.
Dass einige Hochschulberechtigte mit FH-Reife sich dennoch an Universitäten finden, liegt daran, dass in den Daten Studierende an Gesamthochschulen den Universitäten zugerechnet werden, auch wenn ihr Studiengang einem Fachhochschulstudium entspricht. Außerdem kann es sich bei solchen Fällen um Datenfehler handeln oder um Studierende, die aufgrund von Sonderregelungen ein Universitätsstudium aufnehmen können. Aufgrund der kleinen Fallzahlen kann dies aber keinen entscheidenden Einfluss auf die Ergebnisse haben.
- 20.
Beim Vergleich von keiner Ausbildung und beruflicher Ausbildung sind die Schätzwerte wegen kleiner Zahlen von Fällen ohne weitere Ausbildung unsicher. Bei den Frauen finden sich in diesem Fall keine signifikanten Unterschiede nach Herkunftsbedingungen; bei den Männern weisen Klassenherkunft und Bildungsherkunft in unterschiedliche Richtung. Wegen der Unsicherheit der Datenlage sollte man diese etwas widersprüchlichen Befunde nicht überinterpretieren.
- 21.
Die Noten des Abiturs bzw. der Fachhochschulreife sind als z-standardisierte Werte in der Analyse berücksichtigt. Damit kann man errechnen, dass ein Abiturient, der nach dem Notendurchschnitt gerade noch zu den 15 % besten Abiturienten gehört, wenigstens dreimal häufiger ein Universitätsstudium und nicht eine Berufslehre beginnt, als dies bei einem Notendurchschnitt knapp oberhalb der 15 % schlechtesten Abiturienten der Fall ist. Bei den entsprechenden Notenverhältnissen wird ein Universitätsstudium doppelt so häufig wie ein Fachhochschulstudium gewählt und ein Fachhochschulstudium gut 1,5-mal häufiger als eine Berufsausbildung.
- 22.
In dem Buch „Persistent Inequality“ haben Shavit und Blossfeld (1993) für alle Übergänge im gesamten Bildungsverlauf unveränderte Chancenungleichheiten behauptet, was aufgrund verschiedener Untersuchungen für Deutschland und für mehrere weitere Länder inzwischen bezweifelt werden muss (Breen et al. 2009).
- 23.
Heineck und Riphahn (2007) berichten zwar von unveränderten oder sogar zunehmenden Disparitäten im Erwerb des Abiturs. Wie sie zu dieser Schlussfolgerung kommen, ist aber aus ihren Analysen nicht nachvollziehbar und widerspricht dem Stand der Literatur zu dieser Frage.
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Müller, W., Pollak, R., Reimer, D., Schindler, S. (2017). Hochschulbildung und soziale Ungleichheit. In: Becker, R. (eds) Lehrbuch der Bildungssoziologie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-15272-7_11
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