In den Entwicklungsländern, insbesondere in den Tropen kommen besonders viele Fälle von Augenerkrankungen und Erblindungen vor. Die Ursachen liegen einerseits in dem regional spezifischen Vorkommen von Erregern von Infektionserkrankungen und andererseits in strukturellen Problemen in den Gesundheitssystemen dieser Länder. Die Hälfte aller Erblindungsfälle weltweit ist durch eine Katarakt bedingt. In den Tropen kommt die Katarakt schon bei jüngeren Patienten vor. Eine typische tropische Infektionskrankheit ist das Trachom, eine durch Chlamydia trachomatis hervorgerufene chronisch rezidivierende Bindehauterkrankung, die zu erheblichen Lid- und Bindehautvernarbungen führen kann und über die resultierende Hornhauttrübung zur Erblindung. Virusinfektionen wie HIV/AIDS, Ebola, Zika und andere führen zu einerseits völlig unspezifischen andererseits aber auch zur charakteristischen Augenbeteiligung. Andere typische Tropenerkrankungen sind die Infektionen durch Fadenwürmer, wie die Onchozerkose und die Mikrofiliariose (z. B. durch Loa loa). Vitamin-A-Mangel kann zur Xerophthalmie mit Austrocknung der Bindehaut und der Hornhaut mit entsprechender Trübung führen. Die Sichelzellanämie ist in den Tropen häufiger als in den Industrienationen, weil die Träger eine spezielle Malariaresistenz entwickeln. Die Sichelzellanämie kann aufgrund einer peripheren Ischämie zu einer proliferativen Retinopathie führen. Die Behandlung besteht neben der Behandlung der Anämie in der Laserkoagulation der avaskulären Areale. Von Seiten der WHO und der Fachverbände werden verschiedene Anstrengungen in Form von Gastdozenturen, Praktika und Ausbildungsprogrammen sowie in Form allgemeiner Hygieneverbesserungen unternommen um die allgemeine Lebenssituation zu verbessern und um die schwierige augenärztliche Versorgungssituation in den Tropen zu verbessern.

1 Allgemeines

In den Tropen treten einerseits Erkrankungen durch spezielle regional begründete Krankheitsursachen auf (Abb. 25.1). So kommen etwa bestimmte Erreger von Infektionserkrankungen nur in den feuchtwarmen Gebieten der Tropen vor. Andererseits führen Erkrankungen, die in den entwickelten industrialisierten Regionen der Welt kaum zu Problemen führen, zu vermeidbarer Erblindung. Die Gesundheitssysteme in den Tropen sind unzureichend finanziert und ausgestattet. Von den weltweit 40 Mio Mio Blinden leben 6 Mio in Afrika, 8 Mio in Indien und 8 Mio in China. Dagegen leben im westlichen Europa nur 2,7 Mio blinde Menschen. Ähnlich ist die Situation, wenn man die Statistik auf die Sehbehinderung ausdehnt.

Abb. 25.1
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Globale Verteilung der Prävalenz der Sehbehinderung. Man erkennt, dass gerade in den Tropen Sehbehinderung deutlich häufiger vorkommt, als in den industrialisierten Ländern der Erde. Vor allem betroffen ist die Nilregion, der nahe und mittlere Osten sowie China. (Quelle: WHO)

Grundkenntnisse in der Tropenophthalmologie sind deshalb nicht nur für den Spezialisten wichtig, sondern für jeden Mediziner, weil einerseits durch die gesteigerte Mobilität der Menschen weltweit sich vermehrt Patienten aus den Tropenregionen dieser Welt hier zur medizinischen Versorgung einfinden und andererseits, weil durch eine vermehrte Reiseaktivität von Menschen aus der industrialisierten Welt Rückkehrer aus diesen Regionen gelegentlich entsprechende Erkrankungen mitbringen. Darüber hinaus kommen durch weltweite Flüchtlingsbewegungen mehr Menschen aus den Verbreitungsgebieten der Tropenerkrankungen in die entwickelten Länder.

Zu berücksichtigen ist auch, dass in den Tropen nicht nur spezifische Erkrankungen wie das Trachom oder die Onchozerkose auftreten (s. u.), sondern auch Erkrankungen, die in den Industrienationen vorkommen, aufgrund des verminderten Zugangs zu einer adäquaten Therapie in den Entwicklungsländern aber in einer sehr viel schwereren Verlaufsform auftreten. Ein Beispiel dafür sind die fortgeschrittenen Retinoblastomfälle in den Entwicklungsländern, die bei Diagnosestellung dann bereits eine infauste Prognose haben, während sie hierzulande durch eine adäquate Versorgung eine deutlich bessere Prognose haben. Ein anderes Spezifikum betrifft genetische Faktoren. So kommt die hohe Myopie mit den Folgen auch der myopiebedingten Netzhautablösung in Südostasien sehr viel häufiger vor als in Europa.

2 Katarakt

Weltweit ist die Trübung der Augenlinse die häufigste Erblindungsursache. Nach Angaben der WHO aus 2010 sind 51% aller Erblindungsfälle weltweit durch eine Katarakt bedingt. Typischerweise findet man in den Tropen häufiger als in Europa eine Katarakt bei jüngeren Menschen, insbesondere auch bei Kindern. Die Katarakt ist häufig sehr viel weiter fortgeschritten als hierzulande. Während die Kataraktoperation in Deutschland meistens bereits dann durchgeführt wird, wenn der Visus mäßiggradig herabgesetzt ist und der Einblick auf die Netzhaut noch gut besteht, so werden in den Entwicklungsländern Kataraktoperationen zumeist bei einer sog. maturen Katarakt mit weißer Linse durchgeführt. In diesen Fällen sind die Betroffenen tatsächlich bereits erblindet. Da die einzige Behandlungsmöglichkeit in der Operation besteht, ist die Verfügbarkeit von Operationszentren und Chirurgen in diesen Ländern der begrenzende Faktor. Die Operation erfolgt i. d. R. auch als Phakoemulsifikation mit Einsetzen einer Intraokularlinse. Jedoch werden auch noch andere Techniken angewendet, bei der die Linse über einen größeren Hornhautschnitt exprimiert wird oder bei der die Linse vollständig mit der Kapsel entfernt wird und keine Intraokularlinse eingesetzt wird. Die WHO und die internationalen augenärztlichen Organisationen streben eine deutliche Verbesserung der Versorgung dieser Länder mit Möglichkeiten zur Kataraktoperation an, jedoch ist die Umsetzung nicht selten aufgrund der schwierigen lokalen Verhältnisse kompliziert.

3 Trachom

3.1 Epidemiologie

Die WHO schätzt, dass ca. 6 Mio Erblindungen durch das Trachom bedingt sind und ca. 150 Mio Menschen weltweit von der Erkrankung betroffen sind und eine Behandlung benötigen. Es handelt sich um eine der häufigsten vermeidbaren Erblindungsursachen weltweit und die häufigste Ursache einer Erblindung durch eine Infektion.

3.2 Pathogenese

Ursache ist eine Infektion des Auges durch Chlamydia trachomatis. In den Entwicklungsländern kann diese Infektion durch mangelhafte hygienische Bedingungen, durch die Rolle traditioneller Heilmethoden und durch die unzureichende Verfügbarkeit moderner Antibiotika zu desaströsen Vernarbungen der Bindehaut mit konsekutiven Hornhautnarben führen. Dagegen ist eine Chlamydieninfektion der Bindehaut hierzulande durch die Gabe von antibiotischen Augentropfen leicht zu behandeln.

3.3 Klinisches Bild, Klassifikation

Das Trachom führt zu unterschiedlichen klinischen Bildern, die einem entsprechenden WHO-Stadium zugeordnet werden können (Abb. 25.2):

Abb. 25.2a–c
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Trachom. a Kindliche Form mit follikulärer Konjunktivitis des Oberlidtarsus (TF-Stadium). b,c Narben unterschiedlichen Ausmaßes an der Konjunktiva des Oberlides, hier gut erkennbar nach Ektropionieren des Oberlides. TS-Stadium

3.3 Stadieneinteilung (nach WHO)

TF: Follikuläre Konjunktivitis vor allem des oberen Tarsus. Diese Follikel können konfluieren und/oder aufplatzen. Dabei entleert sich ansteckendes da erregerhaltiges Sekret über das Auge. Das Aufplatzen der Follikel führt zu entsprechenden Vernarbungen des Tarsus.

TI: Entzündung der Conjunctiva tarsi. Der zunächst multifokale Entzündungsprozess kann sich im gesamten Bereich des Lides ausbreiten und zu einer diffusen sehr massiven Inflammation führen.

TS: Strichförmige Narben oder Fibrose der Bindehaut am oberen Tarsus als Folge des chronischen Entzündungsprozesses. Als Folge dieser Narben kommt es zu einer Einwärtswendung des Oberlides mit der Folge des Dauernden Schleifens der Wimpern auf der Hornhautoberfläche.

TT: Trichiasis. Als Folge der Einwärtswendung des Oberlides kommt es zu rezidivierenden Erosiones und Ulzera der Hornhaut. Die Folge ist ein weißlicher Pannus auf der Hornhautoberfläche der auch vaskularisiert sein kann.

CO: Hornhauttrübung. Die Hornhauttrübung ist dann das zur Erblindung führende Endstadium.

Eine klinische Einteilung des Trachoms in verschiedene Stadien ergibt sich wie folgt:

  • Stadium 1: follikuläre Bindehautentzündung mit seröser Sekretion

  • Stadium 2: gelbweiße Follikel des Oberlides mit rauem Aspekt der Oberfläche (daher agytische Körnerkrankheit, Trachom griech. rau). Ptosis trachomatosis (Herabhängen des Oberlides). Pannus trachomatosis (Vaskularisation der Hornhaut)

  • Stadium 3: Einschmelzen der Follikel mit subkonjunktivaler Narbenbildung (Symblepharon).

  • Stadium 4: Spätfolgen mit Narbenentropium, Trichiasis, rezidivierende Hornhautulzerationen, Hornhautnarben.

3.4 Prophylaxe und Therapie

Zunächst sind die hygienischen Bedingungen in den betroffenen Ländern zu verbessern. Hierzu gehört der Zugang zu sauberem Wasser, die Reduktion von Fliegenbrutplätzen. Fliegen gehören zu den Hauptüberträgern der Chlamydien. Das regelmäßige Waschen mit sauberem Wasser gehört zu den wichtigsten Vorbeugemaßnahmen. Im Stadium TF und TI muss eine antibiotische Therapie eingeleitet werden, wobei Tetrazycline in Betracht kommen oder Azithromycin. In Fällen von TT kann eine operative Auswärtswendung der Lidkante das Scheuern der Wimpern auf der Hornhaut verhindern. Im Fall der Pannusbildung und Hornhauttrübung ist eine Hornhauttransplantation selten erfolgreich.

Das SAFE-Programm der Weltgesundheitsorganisation wurde 1996 initiiert mit dem Ziel Erblindungen durch das Trachom bis zum Jahr 2020 zu verhindern:

S - Surgery (Lidchirurgie bei Entropium und Vernarbung)

A - Antibiotika

F - Facial cleanliness: Waschen des Gesichtes, Vermeidung der Schmierinfektion

E - Environmental improvement: Verbesserung der hygienischen Verhältnisse

Relevant ist das Risiko der Reinfektion nach erfolgter antibiotischer Therapie, sofern die hygienischen Verhältnisse nicht verbessert wurden.

4 Virusinfektionen

4.1 HIV/AIDS

Der weltweiten HIV/AIDS-Pandemie sind nach Angaben der WHO (Factsheet No. 360, Nov, 2015) inzwischen 34 Mio Menschen zum Opfer gefallen (Abb. 25.3). Ende 2014 sind 39 Mio Menschen HIV infiziert. In 2014 hat es 2 Mio Neuinfektionen gegeben. In Afrika südlich der Sahara leben die meisten HIV-Infizierten (25 Mio = 64%). Während die globale Prävalenz für HIV in der Altersgruppe zwischen 15 und 49 bei 0,8% liegt, liegt sie in Afrika bei 4,5%. Während in 2013 global 1,5 Mio Menschen an HIV gestorben sind, waren es in Afrika 1,1 Mio. HIV-Infizierte nach WHO-Schätzungen. Von den weltweit fast 40 Mio HIV Infizierten erhalten nur 15,8 Mio Betroffene eine anti-retrovirale Therapie. Die WHO geht davon aus, dass nur ca. 54% aller HIV-Infizierten ihren Status als HIV-Infizierte kennen. Entsprechend dieser Zahlen kommen die okulären Komplikationen von HIV und AIDS wie CMV-Retinitis, akutes retinales Nekrosesyndrom und die HIV-Retinopathie in den betreffenden Ländern besonders häufig vor.

Abb. 25.3
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Verbreitung von HIV Infektionen. Angaben über die Zahl der mit HIV-infizierten Menschen im Jahr 2013 geordnet nach WHO Regionen. Man erkennt, dass in Afrika mit 24,7 Mio Betroffenen die weltweit größte Zahl von HIV/AIDS Patienten lebt. (Quelle: WHO)

4.2 Ebola

Das Ebola-Virus führt zu einem lebensbedrohlichen hämorrhagischen Fieber. Im Zusammenhang mit der Ebola-Epidemie in Westafrika in 2014 wurde die Augenbeteiligung bei dieser lebensbedrohlichen Virusinfektion intensiver beobachtet. Zwar gibt es keine gut gesicherten Daten zur Augenbeteiligung im akuten Stadium, weil hier die lebensbedrohlichen Symptome im Vordergrund stehen. Eine Konjunktivitis gehört wie bei einer Grippe zu den wenig spezifischen Frühsymptomen, im Spätstadium kann die Konjunktivitis mit Blutungen in und unter der Bindehaut einhergehen. Überleben die Patienten, kann später noch eine hämorrhagische Uveitis auftreten, die möglicherweise durch intraokular verbliebene Virusreste ausgelöst wird. Sie spricht gut auf Steroide an.

4.3 Zika-Virus

Mücken der Gattung Aedes übertragen das Zika-Virus aber auch die Erreger des Dengue-Fieber, Gelbfieber und Chickungunya-Fieber. Zurzeit (2015/2016) findet ein massiver Ausbruch der Zika-Virus-Erkrankung in Brasilien und Kolumbien und auf den Kapverden statt. Während die Infektion üblicherweise relativ mild verläuft, werden bei dem aktuellen Ausbruch viele Neugeborene mit einer Mikrozephalie und entsprechenden mentalen Retardierungen beobachtet, wenn sich die Schwangere infiziert hat. Die Infektion verläuft wie eine milde Virusgrippe mit Fieber, Hautrötung, Gelenkschmerzen und Konjunktivitis. I. d. R. bilden sich die Symptome nach 5–7 Tagen wieder zurück. Die wichtigste prophylaktische Maßnahme ist der Schutz vor Mückenstichen.

4.4 Dengue-Virus

Ebenfalls durch Mücken wird der Erreger des Dengue-Virus übertragen. Es kommt zu einer grippeartigen Erkrankung mit hohem Fieber, Muskel und Gelenkschmerzen und Meningismus. Bei schweren Verlaufsformen kann es zu einem hämorrhagischen Fieber kommen mit einer schweren Thrombopenie, die am Auge zu Blutungen am vorderen und hinteren Augenabschnitt führen kann. Eine spezifische Behandlung ist nicht bekannt. Die Symptome am Auge bilden sich meist innerhalb von vier Wochen wieder zurück.

4.5 Chikungunya-Virus

Das Chikungunya-Virus wird durch den Stich der Anophelesmücke übertragen, die auch in der Übertragung von Malaria eine entscheidende Rolle spielt. Es kommt plötzlich zu einer hochfieberhaften Erkrankung mit einem wenige Tage anhaltenden Exanthem, schmerzaften Arthralgien, Myalgien und Kopfschmerzen. Am Auge kann es zu einer anterioren Uveitis, einer Episkleritis, Keratitis, Retinitis und Optikusneuritis kommen. Nach Abklingen der akuten allgemeinen Symptome können die genannten Augenkomplikationen aber weiter bestehen. Eine spezifische Behandlung ist nicht bekannt. Die Augenkomplikationen werden symptomatisch mit Steroiden behandelt.

4.6 Rift-Valley-Virus

Die Erkrankung wird durch ein Virus ausgelöst, das im Bereich des großen Grabenbruchs (Rift Valley) in Ostafrika vorkommt und eigentlich Schafe befällt. Es kann aber direkt durch Inhalation oder durch Mücken auf den Menschen übertragen werden. Die Erkrankung beginnt grippeähnlich mit Fieber, Arthralgien und Myalgien. Bei einer kleinen Gruppe von Patienten verläuft die Erkrankung durch eine schwere Hepatitis oder eine schwere Meningitis tödlich. Am Auge kann eine nekrotisierende beidseitige Retinitis auftreten. Auch hier ist eine spezifische Therapie nicht bekannt.

5 Filiariosen

5.1 Onchozerkose - Flußblindheit

Es handelt sich bei der »Flußblindheit« um eine parasitäre Erkrankung, die durch den Wurm Onchozerkus volvulus ausgelöst wird. Nach Schätzungen der WHO sind 37 Mio Menschen infiziert, wobei der allergrößte Teil in West-/Zentral- und Ostafrika lebt. Die Übertragung erfolgt über Mücken, die die Larve des Wurmes beim Biss übertragen. Die Larven entwickeln sich dann im Subkutangewebe des Menschen und wandern hier umher. Dabei führen sie zu erheblichen Entzündungsreaktionen. An der Haut treten verschiedene exanthem- und knötchenartige Veränderungen auf, die stark juckend sind. Die Mikrofilarien können daher auch in die Vorderkammer eindringen, insbesondere dann, wenn die Bissstelle nah im Kopf/Halsbereich liegt. Knoten im Kopf-/ Halsbereich sollten deshalb chirurgisch entfernt werden. Die Entzündungsreaktionen im Auge führen zu einer schweren Uveitis, Keratitis oder Skleritis, zu einer chorioretinalen Atrophie oder einer Optikusatrophie und letztendlich zur Erblindung. Die Programme zur Beherrschung der Onchozerkose basieren einerseits auf einer flächendeckenden Zerstörung der Mücken durch Insektizide und der Gabe von Ivermectin bei betroffenen Patienten. Die Behandlung ist eine ausgesprochene Langzeitbehandlung: Das Medikament wird einmal jährlich über 10–15 Jahre gegeben.

5.2 Loa-Loa

Dabei handelt es sich um einen größeren Wurm, der durch die Bindehaut in den gut verschieblichen Subkonjunktivalraum eindringen kann (Abb. 25.4). Er kann hier eine unangenehme chronische Entzündung in Form einer Episkleritis hervorrufen. Der Wurm ist unter der Bindehaut erkennbar und muss gepackt und durch einen kleinen Schnitt in der Bindehaut herausgezogen werden.

Abb. 25.4
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Loa-Loa-Wurm. Der Wurm zeigt sich unter der Bindehaut und muss hier entfernt werden. Dazu muss die Bindehaut eröffnet und der Wurm mit einer Pinzette herausgezogen werden (was nicht immer einfach ist)

6 Xerophthalmie

Während manifeste Vitaminmangelerscheinungen in den industrialisierten Ländern eher selten sind, finden sich manifeste Vitaminmangelerkrankungen in den Entwicklungsländern mit z. T. lebensbedrohlichen Ausprägungen. Der Vitamin-A-Mangel kann zu erheblichen Veränderungen am Auge mit dem Risiko der Erblindung führen. Vitamin A ist Bestandteil des Rhodopsins. Vitamin A kann vom Organismus nicht selbstständig synthetisiert , sondern muss in der Nahrung zugeführt werden. Fehlt das Vitamin A wird zu wenig Rhodopsin gebildet. Es entwickelt sich eine Nachtblindheit. Vitamin A ist außerdem für die Tränenfilmbildung erforderlich. Ein Fehlen des Vitamin A führt zu einer besonderen Form eines trockenen Auges mit Metaplasie des Bindehautepithels. Es resultieren schwerwiegende Hornhauttrübungen, ggf. aber auch eine Einschmelzung der Hornhaut. Im Lidspaltenbereich erkennt man dreieckige Ablagerungen von Keratin in den Bitotflecken. Die Behandlung erfolgt mit systemischer Substitution von Vitamin A z. B. als intramuskuläre Injektion von 100.000 IE Vitamin A oder als perorale Gabe. Als unterstützende Maßnahmen müssen Durchfallerkrankungen behandelt werden und eine Maserninfektion verhindert werden, da beide Situationen den Ausbruch oder die Verschlechterung der Xerophthalmie begünstigen.

7 Sichelzellanämie

Zwar ist die Sichelzellanämie keine originäre Tropenerkrankung, sondern eine erbliche Hämoglobinopathie. Da die Träger der Mutation aber eine gewisse Resistenz gegenüber der Malaria haben, hat sich die Sichelzellanämie in den Malariagebieten relativ weit ausgebreitet.

7 Pathogenese

Ursächlich ist eine Mutation im Gen, das für die β-Kette des Hämoglobins kodiert. Die Mutation liegt auf Chromosom 11. Bei homozygoten Genträgern kommt es zu einer sichelförmigen Verformung der Erythrozyten und zur Hämolyse. Insbesondere kleine Gefäße können sich verschließen, dadurch können in verschiedenen Organen Ischämien und Nekrosen auftreten. Typisch sind ein Nierenversagen in der Kindheit durch eine Glomerulosklerose, aber auch Infarkte in anderen Organen.

7 Klinisches Bild

Die betroffenen Patienten sind bei homozygoter Situation oft schwer krank. Am Augenhintergrund erkennt man Gefäßabbrüche und Neovaskularisationen, Papilleninfarkte wie bei einer ischämischen Optikoneuropathie oder auch arterielle Verschlüsse. Normalerweise treten diese Krankheitsbilder ja bei Patienten mit einem entsprechenden kardiovaskulären Risikoprofil auf und meist auch in höherem Lebensalter. Treten solche Gefäßverschlüsse aber bereits bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen auf, muss man an eine Hämoglobinopathie denken und die entsprechende Diagnostik mittels Hämoglobinelektrophorese einleiten. Besonders wahrscheinlich ist die Diagnose, wenn der betroffene Patient aus einem Malariagebiet kommt (Abb. 25.5).

Abb. 25.5
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Proliferative Retinopathie als Folge der Sichelzellanämie. Man erkennt am Fundus zarte Gefäßproliferationen (schwarzer Pfeil) als Konsequenz aus der retinalen Ischämie. In diesem Fall ist bereits eine Laserkoagulation durchgeführt worden, was an den Narben erkannt werden kann (weißer Pfeil). Die runde Struktur in der Netzhautmitte (Stern) wird als Pseudoforamen bezeichnet, weil es zwar wie ein Loch in der Netzhaut aussieht, aber keines ist. Der Eindruck kommt durch die steilen Kanten der fibrösen Wucherungen um die Fovea herum zustande

7 Therapie

Neben der hämatologischen Therapie ist am Auge die Therapie der Ischämiefolgen erforderlich. Man wird eine Angiographie durchführen müssen und großflächige Ischämien der Netzhaut müssen dicht mit dem Laser koaguliert werden. Ggf. kann auch eine Anti-VEGF-Therapie durchgeführt werden, um vor der Laserkoagulation eine Beruhigung der Situation herbeizuführen.

8 Vision 2020: The Right to Sight – Initiative

In 1999 hat die Weltgesundheitsorganisation WHO gemeinsam mit der Internationalen Agentur zur Verhinderung von Blindheit (IAPB) ein strategisches Programm aufgelegt, um einerseits vermeidbare Erblindungen bis zum Jahr 2020 auszurotten und andererseits zu verhindern, dass sich die Zahl der Sehbehinderungen in den Jahren 1990–2020 verdoppelt. Bis heute haben 107 Mitgliedstaaten nationale Komitees zur Umsetzung des Plans gegründet und in 91 Mitgliedsstaaten gibt es nationale Aktionspläne, um die Ziele umzusetzen. Die internationalen Augenarztorganisationen unterstützen diese Aktionspläne u. a. durch Ausbildungsprogramme, Auslandseinsätze erfahrener Augenärzte in den Entwicklungsländern und durch Dozenturen in diesen Ländern. Die Vision-2020-Initiative ist durch die Resolutionen 56.26 und 59.25 der Vollversammlung der WHO vorgegeben. Ihre Ziele sind im Einklang mit den Milleniumzielen der WHO zu sehen.

Fallbeispiel

Ein 8-jähriges Mädchen aus dem Kongo wird mit starken Unterleibsschmerzen und blutigem Urin in der Kinderklinik vorgestellt. Bei der Durchuntersuchung fällt u. a. auch eine reduzierte Sehschärfe auf. Die Sehschärfe liegt bei 0,5 bds. Die Untersuchung des vorderen Augenabschnitts ergibt einen regulären Befund. Am Augenhintergrund finden sich peripher avaskuläre Zonen und Gefäßabbrüche sowie retinale Neovaskularisationen und ein Makulaödem. Die Labordiagnostik ergibt den Befund einer Sichelzellanämie. Es erfolgt eine retinale Laserkoagulation der avaskulären Zonen sowie eine allgemeine Behandlung der Sichelzellanämie mit Transfusionen und einer Behandlung der Eisenüberlastung. Das Makulaödem bildet sich zurück. Der Gesundheitszustand bessert sich dramatisch.

Übungsfragen

  1. 1.

    Warum ist die Beschäftigung mit tropischen Augenerkrankungen auch für den in Deutschland arbeitenden Mediziner von Bedeutung?

  2. 2.

    Was unterscheidet die Katarakt in den Industrienationen von der Katarakt in den Entwicklungsländern?

  3. 3.

    Wie kommt es beim Trachom letztendlich zur Erblindung?

  4. 4.

    Warum kommen in den Tropen so viele Fälle von Sichelzellanämie vor?

  5. 5.

    Wie behandelt man die Onchozerkose?

Lösungen Kap. 28