Zusammenfassung
Bei einem Fall von Herdepilepsie, ausgehend vom rechten frontalen Adversivfeld, wurde eine Durchschneidung der Markfasern (Leukotomie) unmittelbar dorsal vom Herd vorgenommen mit dem Ergebnis, daß die Anfälle sistierten (Beobachtungsdauer 4 1/2 Jahre). Ausgehend von diesem Fall wurde bei 6 anderen Kranken, die einen Krampfherd im Stirnhirn aufwiesen, der gleiche Eingriff mit in der Hälfte der Fälle günstigem Resultat durchgeführt.
Bei einem Fall von fokalem Status epilepticus, der durch einen encephalitischen Herd am Fuß der vorderen Zentralwindung ausgelöst worden war, wurde sofortige Unterbrechung der Krämpfe und darüberhinaus Heilung durch subcorticale Unterspritzung des operativ freigelegten Herdes mittels 10 cm3 Novocainlösung erreicht. Diese Erfahrung gab den Anlaß, bei 6 weiteren Kranken den klinisch lokalisierten Krampffocus freizulegen und mittels Novocain — oder Kochsalzinjektion 3 bis 4 cm tief in den zugehörigen subcorticalen Stabkranz befriedigende bzw. gute Resultate wieder in der Hälfte der Fälle zu erreichen (Beobachtungsdauer bisher 1 1/2—2 Jahre).
Diese Ergebnisse berechtigen zu der Schlußfolgerung, daß ein fokal bedingtes Krampfleiden nicht nur durch die bisher übliche Excision des Focus, sondern auch durch Zerstörungder afferenten oder efferenten, unter dem Herd liegenden Markfaserbahnen bewerkstelligt werden kann.
Bemerkenswert ist die Übereinstimmung der Erfolgsergebnisse: Bei der bisher allgemein geübten corticalen Rindenexcision liegen die besten Dauererfolge ungefähr bei 55% (Penfield) und auch unser Krankengut weist (bei allerdings noch zu kurzer Nachbeobachtung) zur Hälfte günstige Ergebnisse auf. Es wird daher die Frage diskutiert, ob überhaupt der Excision des Herdes bzw. der Zerstörung des subcorticalen Stabkranzes, wie bei unseren Fällen, der therapeutische Effekt zuzurechnen ist, oder ob nicht vielmehr durch den operativen Eingriff als solchen eine Herabsetzung der Krampfbereitschaft durch eine wie auch immer geartete Änderung des cerebralen physiologischen Geschehens erfolgen mag.
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Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Percival Bailey, Chicago, in dankbarer Verehrung zu seinem 60. Geburtstag gewidmet.
Mit 2 Textabbildungen.
Nach einem Vortrag, gehalten auf der Jahresversammlung der Deutschen Psychiater und Neurologen in Stuttgart am 28. 9. 1951.
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Stender, A. Über neue Möglichkeiten zur operativen Behandlung der fokalen Epilepsie. Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde 169, 55–76 (1952). https://doi.org/10.1007/BF00218426
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