Zusammenfassung
Die vielen positiven Erzählungen über den technischen Fortschritt lassen das Akzeptanzproblem als erklärungsbedürftig erscheinen. Warum sperren sich manche oder gelegentlich auch viele gegen das angepriesene Gute oder Bessere? Die übliche Erklärung, dass es auch im technischen Fortschritt Gewinner und Verlierer gibt und dass Gewinne und Verluste ungleich verteilt sind, trifft auf Infrastrukturen der Energieversorgung in einer besonderen Weise zu. Hier lässt sie sich zurückverfolgen bis in die Verfahren der technischen Entwicklung und Systemplanung. Dort wurde vielfach die soziale Dimension der Verteilung von Nutzen und Lasten zugunsten einer techno-ökonomischen Optimierung ausgeblendet und in die System-Umwelt der jeweils betrachteten Systeme verbannt. Design und Planung optimieren das technische System für sich und delegieren soziale Fragen an Akteure außerhalb dieses Optimierungsgeschehens. So gesehen liegt die Ursache für Akzeptanzprobleme von neuen Energieinfrastrukturen zumindest auch in einer nicht adäquaten Festlegung von Systemgrenzen der Forschung, Entwicklung und Planung. Dies zu ändern bedarf freilich eines Paradigmenwechsels in den beteiligten Disziplinen.
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Notes
- 1.
Das verwandte systemtheoretische Vokabular bezieht sich ausschließlich auf die systemanalytische Unterscheidung zwischen dem Innen und dem Außen, getrennt durch die Systemgrenze als Demarkationslinie. Anklänge an die soziologische Systemtheorie (Luhmann 1984) sind hier in keiner Weise intendiert.
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Grunwald, A. (2019). Das Akzeptanzproblem als Folge nicht adäquater Systemgrenzen in der technischen Entwicklung und Planung. In: Fraune, C., Knodt, M., Gölz, S., Langer, K. (eds) Akzeptanz und politische Partizipation in der Energietransformation. Energietransformation. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-24760-7_2
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