Zusammenfassung
Komplexe und von zahlreichen Einflüssen determinierte Belegungstrends, deutliche länderspezifische Unterschiede in der Vollzugspraxis sowie kürzlich erfolgte gesetzliche Änderungen der betreffenden Strafrechtsparagraphen unterstreichen die Notwendigkeit qualitativ hochwertiger Begleitforschung des deutschen Maßregelvollzugs (MRV). Um diesem Ziel gerecht zu werden, liegen zurzeit jedoch weder die strukturellen Voraussetzungen noch eine adäquate Datenlage vor. Noch nicht einmal die Gesamtzahl der gegenwärtig untergebrachten MRV-Patienten ist aus den veröffentlichten (Teil‑)Statistiken zu ermitteln. Das vorliegende Konsenspapier, das von drei je auf Landesebene aktiven Forschungseinrichtungen formuliert wurde, zeichnet die begrenzten Möglichkeiten der aktuellen forensischen Versorgungsforschung nach und erhebt die Forderung nach einer bundesweit einheitlichen Datenlage zu Maßregelvollzugspatienten. Darüber hinaus wird aus wissenschaftlicher Sicht skizziert, wie ein entsprechendes Erhebungsinstrument organisatorisch wie strukturell beschaffen sein sollte. Mit dem Papier soll eine Diskussion über eine nachhaltige Verbesserung der Voraussetzungen für Versorgungsforschung im deutschen Maßregelvollzug angestoßen werden, es zielt auf eine Sensibilisierung der Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung für dieses Thema.
Abstract
Complex trends in occupancy determined by many influencing factors, clear state-specific differences in imprisonment practices as well as recently implemented statutory alterations to the appropriate paragraphs in criminal law, underline the necessity for qualitative high-grade concomitant research of German forensic commitment; however, neither the structural prerequisites nor an adequate data situation are currently present in order to do justification to this aim. Not even the total number of patients currently accommodated in forensic commitment can be elucidated from the publicized (partial) statistics. This consensus paper, which was formulated by three research institutes active at the state level, describes the limited possibilities for current forensic healthcare research and raises the demand for a nationwide uniform data situation on patients in forensic commitment. Furthermore, how the appropriate elicitation instrument should be organizationally and structurally achieved, is sketched from a scientific perspective. This article aims at initiating a discussion on a sustainable improvement in the prerequisites for healthcare research in German forensic commitment and targets a sensitization of decision makers in politics and administration for this topic.
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Danksagung
Die Autoren danken allen Kolleginnen und Kollegen, die sich mit Hinweisen und Kritik an der Erstellung des Konsenspapiers beteiligten.
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J. Querengässer, A. Bezzel, K. Hoffmann, W. Mache und B. Schiffer geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Querengässer, J., Bezzel, A., Hoffmann, K. et al. Versorgungsforschung im Maßregelvollzug oder das Stochern im Nebel. Nervenarzt 88, 1292–1297 (2017). https://doi.org/10.1007/s00115-017-0432-x
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