Pulmonale Infekte und ventilatorassoziierte Pneumonien (VAP) sind ein häufiges Problem bei langzeitbeatmeten Intensivpatienten. Die VAP ist die häufigste nosokomiale Infektion in der Intensivmedizin und stellt einen unabhängigen Risikofaktor für die Letalität von Intensivpatienten dar [2]. Eine Prävention dieser Infekte hat daher einen hohen Stellenwert [10]. Mikroaspirationen entlang des Tubuscuffs scheinen eine der wichtigsten endogen Ursachen zu sein [15, 16], und experimentelle Arbeiten konnten bereits nach kurzer Zeit eine deutliche Leckage am Cuff vorbei zeigen [20, 21]. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass durch die Entfernung des kontaminierten Sekretes über dem Tubuscuff eine Reduktion der VAP möglich erscheint [3].

Nicht nur Mikroaspirationen entlang des Cuffs sind ein Problem bei Langzeitbeatmeten, sondern auch die Schäden der Trachealschleimhaut durch den Tubus und seinen Cuff. Ein den jeweiligen Bedingungen, z. B. Husten, Absaugen usw., angepasster und kontinuierlich überwachter Cuffdruck erscheint hier wünschenswert.

Mit dem seit 2009 auf dem deutschen Markt verfügbaren PneuX P.Y.-System (PneuX) werden mehrere Faktoren vereint, die evtl. einen positiven Effekt auf das Auftreten von pulmonalen Infekten und von Trachealschleimhautschäden haben.

Material

Das PneuX-System (Abb. 1) besteht aus einem besonders weichen und flexiblen Silikontrachealtubus (alternativ auch Trachealkanüle) mit einem „Low-volume/low-pressure-Silikon-Cuff“, der keine Falten wirft und der Trachealwand eng anliegt. Der Tubus ist mit einer teflonähnlichen Schicht aus Parylene beschichtet, sodass das Anheften von Biofilmen entlang des Tubus deutlich erschwert ist, und verfügt über 3 Spülkanäle oberhalb des Cuffs, über die der subglottische Raum intermittierend von Sekret frei gespült werden kann. Zum System gehört weiterhin ein Trachealwanddruckmonitor, der den Cuffdruck konstant hält.

Abb. 1
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PneuX P.Y.-Tubus und Treachalwanddruckmonitor. [Mit freundl. Genehmigung der Venner Medical (Deutschland) GmbH]

Methode

Bei der Untersuchung handelte es sich um eine nichtinterventionelle Anwendungsbeobachtung mit einem CE-zertifizierten Medizinprodukt. Alle während der Anwendungsbeobachtung erhobenen Daten waren Routineparameter, die bei allen Patienten der Intensivstation standardmäßig bestimmt werden. Es wurden voraussichtlich langzeitbeatmete chirurgische Patienten (erwartete Beatmungsdauer mindestens 1 Woche), die bisher nicht länger als 24 h beatmet waren, nach Aufnahme auf der Intensivstation mit dem PneuX-Tubus intubiert, und der Cuffdruck wurde mittels Trachealwanddruckmonitor gesteuert. Da 29 der 30 Patienten bereits intubiert auf der Station aufgenommen wurden, erfolgte am Aufnahmetag die Umintubation nach ausreichend langer Präoxygenierung, muskelrelaxiert und mithilfe eines langen Bougie unter laryngoskopischer Sicht und vorheriger Sekretentfernung aus dem Rachenraum. Dass diese Maßnahme sicher und ohne erhöhte Pneumonierate durchführbar ist, konnten Fletcher et al. [5] in einer aktuellen Arbeit zeigen. Weiterhin wurde 3-mal täglich eine Spülung des subglottischen Raums via PneuX-Tubus mit 20–50 ml steriler 0,9% NaCl-Lösung durchgeführt und die Spülflüssigkeit oral abgesaugt. Nach durchgeführter Spülung wurde das verbleibende Sekret via PneuX-Spülkanäle entfernt.

Routinemäßig erfolgten die Kontrolle der Infektparameter, die Menge und Beschaffenheit des Trachealsekrets sowie mindestens 2-mal wöchentlich eine Röntgenaufnahme des Thorax (Rö-Tx). An jedem Tag, an dem ein Rö-Tx durchgeführt wurde, wurde zusätzlich der Clinical Pulmonary Infection Score (CPIS) nach Pugin et al. [12] der Patienten bestimmt, der bereits mehrfach in anderen Arbeiten verwendet wurde [8, 9]. In den CPIS gehen verschiedene Variablen (Temperatur, Leukozyten, Trachealsekret, Oxygenierung, Thoraxröntgenbild, Trachealsekret) ein, die in der täglichen Routine bestimmt werden. Zur Beurteilung, ob der Patient eine Pneumonie entwickelt hat oder nicht, wurde ein CPIS >6 festgelegt. In dieser Untersuchung verwendeten wir den in den deutschen Sepsis-Leitlinien benutzten modifizierten CPIS (Tab. 1).

Tab. 1 Clinical Pulmonary Infection Score (CPIS), wie er in den deutschen Sepsis-Leitlinien Verwendung findet

Bei Patienten, die im weiteren Verlauf vom PneuX auf einen Standardtubus/eine Trachealkanüle umintubiert wurden, wurde der CPIS der Zeit mit dem Standardtubus mit dem PneuX-Patientenkollektiv verglichen. Zum Vergleich der Gruppen kam für stetige Parameter der t-Test und für kategoriale Parameter der χ2-Test zur Anwendung, als signifikant wurde ein p<0,05 festgelegt.

Ergebnisse

Im Zeitraum von Februar bis Oktober 2009 wurden 30 Patienten mit dem PneuX-Tubus intubiert. Es handelte sich hierbei um 16 Frauen und 14 Männer. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 65,8 Jahren (SD 21). Die notwendige Umintubation bei 29 Patienten gelang in allen Fällen problemlos. Die durchschnittliche Beatmungszeit mit dem PneuX lag bei 12 Tagen (SD 5,5) und die Gesamtbeatmungszeit bei 17,5 Tagen (SD 8,25). Im Behandlungsverlauf erhielten 15 Patienten eine dilatative Tracheotomie. Sieben dieser Patienten erhielten im Rahmen der Tracheotomie eine PneuX-Trachealkanüle, 8 eine Standardtrachealkanüle (Portex). Ein Patient musste nach versehentlicher intraoperativer Extubation reintubiert werden und erhielt hier einen Standardtubus (Portex). Bei diesen 9 Patienten wurde zu diesem Zeitpunkt der Einsatz des PneuX beendet.

Eine Pneumonie nach den oben benannten Kriterien mit einem CPIS >6 während der Zeit der PneuX-Anwendung war bei 4 Patienten nachweisbar, wobei 2 Patienten bereits mit einer CAP („community acquired pneumonia“) als Nebendiagnose aufgenommen wurden. Nach Ausheilung der CAP entwickelte keiner der beiden Patienten im weiteren Verlauf eine VAP. Eine wirkliche VAP entwickelten 2 der 30 Patienten. Der durchschnittliche CPIS aller Patienten über den gesamten Beobachtungszeitraum betrug 3,1 (SD 1,26), der durchschnittliche maximale CPIS 4,7 (SD 1,79). Betrachtet man die CPIS-3,1- (SD 1,26) Werte der Patienten während der PneuX-Anwendung im Vergleich zu den Werten während der Anwendung eines Standardtubus/einer Trachealkanüle [CPIS 4,38 (SD 1,8)], so war der CPIS beim PneuX signifikant niedriger (p<0,05). Die Tab. 2 verdeutlicht die allgemeinen Patientendaten und die des CPIS.

Tab. 2 Patientendaten

Diskussion

Mit dem PneuX steht ein Tubus mit Trachealwanddruckmonitor zur Verfügung, der das Potenzial hat, pulmonale Infekte beim Intensivpatienten zu reduzieren. Durch den besonderen Cuff und die spezielle Beschichtung des Tubus, werden 2 der Hauptprobleme bei der Entstehung pulmonaler Infekte, nämlich die Mikroaspiration entlang des Tubuscuffs und die Bildung entsprechender Biofilme am Tubus, reduziert. Wie unserer Ergebnisse zeigen, lag durch den Einsatz des PneuX der CPIS der Patienten im Vergleich zu Standardtrachealkanüle und Tubus signifikant niedriger, was unserer Meinung nach das Potenzial des PneuX, pulmonale Infekte reduzieren zu können, unterstreicht. Um eine deutliche Reduktion der VAP-Häufigkeit im Vergleich zu Standardtuben zu demonstrieren, hätten wir eine Vergleichsgruppe bilden müssen. Es war jedoch nicht das Anliegen dieser Arbeit zu zeigen, dass eine signifikante Reduktion der VAP möglich ist, sondern es sollten erste Erfahrungen mit dem System gesammelt und anhand eines objektiven jederzeit wiederholbaren Parameters, nämlich dem CPIS, aufgezeigt werden, dass das PneuX das Potenzial besitzt, pulmonale Infekte deutlich zu reduzieren. Um dieses Potential zu beweisen, sind in Zukunft Vergleichsstudien mit deutlich größeren Patientenzahlen als in unserer Arbeit notwendig.

PneuX hat das Potenzial, pulmonale Infekte zu reduzieren

Insgesamt entwickelte sich bei 4 der Patienten, die mit dem PneuX-Tubus intubiert waren, eine Pneumonie nach den „kanadischen Guidelines“ [14]. Zwei dieser Patienten wurden bereits mit dem Nachweis eines pulmonalen Infektes auf der Intensivstation aufgenommen. Von den Patienten, die am Aufnahmetag keine Infektzeichen aufwiesen und mit dem PneuX versorgt wurden, entwickelten 2 eine Pneumonie. Allgemeine Angaben zur VAP sprechen von einer Rate von 8–28% der beatmeten Intensivpatienten [4], wobei die Erfahrungen der Autoren zumindest bei Langzeitbeatmeten (Beatmung >7 Tage) eher eine häufigere Rate an pulmonalen Infekten, wobei hier auch eitrige Tracheobronchitiden inkludiert sind, erkennen lassen. Es sei an dieser Stelle nochmals erwähnt, dass es nicht Gegenstand der Untersuchung war, den Einfluss des PneuX auf die Häufigkeit einer VAP zu untersuchen.

Einige der Features des PneuX konnten in der Literatur bereits ihr Potenzial, pulmonale Infekte zu reduzieren, nachweisen. Ein Metaanalyse von Dezfulian et al. [3] zeigte den positiven Effekt einer subglottischen Sekretentfernung hinsichtlich der Häufigkeit einer Pneumonie. Durch die Möglichkeit der subglottischen Spülung gelingt es, den Bereich zwischen Tubuscuff und Rachenraum zu reinigen und das sich an dieser Stelle befindliche, oft übel riechende Sekret zu beseitigen. Wir verwendeten in unserem Patientengut eine Spülmenge von 20–50 ml, die deutlich geringer ist als die von Fletcher et al. [6] beschriebenen 50–200 ml. Unserer Meinung nach sind auch die niedrigeren Spülvolumina bei 3-maliger Anwendung täglich effektiv. In unseren Augen scheint die intermittierende subglottische Spülung eine sinnvolle und effiziente Maßnahme zur Beseitigung des Sekretes darzustellen und schont die Trachealschleimhaut im Vergleich zur subglottischen Absaugung, da in einer tierexperimentellen Arbeit [1] durch die subglottische Saugung deutliche Schäden an der Trachea nachgewiesen werden konnten, wobei die genannte Arbeit in einem entsprechenden Leserbrief [17] heftig kritisiert wurde.

Der Cuffdruckkontrolle kommt eine wichtige Bedeutung zu

Da hohe Cuffdrücke die Trachealschleimhaut schädigen können und zu niedrige Drücke unter 20 cm Wassersäule mit einer erhöhten Pneumonierate vergesellschaftet sind [4], kommt dem Trachealwanddruckmonitor des PneuX eine wichtige Bedeutung hinsichtlich dieser beiden Probleme zu. Weiterhin wird in den aktuellen europäischen Empfehlungen zur VAP-Prävention, in der 16 Präventionsmöglichkeiten nach ihrer Wertigkeit gelistet sind, die Cuffdruckkontrolle an 6. Stelle des Rankings geführt [13]. Da der Trachealwanddruckmonitor speziell für das PneuX entwickelt wurde und auch nur mit diesem verwendet werden kann, ist die Übertragung von Studienergebnissen mit anderen kommerziell erhältlichen Cuffdruckkontrollern, bei denen kein Einfluss auf die VAP-Rate [16] oder eine Indifferenz mit den „Self-sealing-Eigenschaften“ der Tuben [18] gezeigt werden konnte, schwierig.

Eine aktuelle Studie unterstreicht die Biofilmbildung an konventionellen Tuben als wichtigen Faktor bei der VAP-Entstehung [19]. Nach 10 Intubationstagen waren alle Tuben durch entsprechende Biofilmbildung kontaminiert. Eine spezielle Beschichtung des PneuX-Tubus aus Parylene soll diese Biofilmbildung reduzieren. Unserer Erfahrung nach scheint sich diese Beschichtung zumindest makroskopisch zu bewähren, da die benutzten Tuben kaum Verunreinigungen aufwiesen. Der Beweis, dass die Beschichtung auch mikroskopische Verunreinigungen reduziert, steht allerdings noch aus, da eine solche Untersuchung unseres Wissens bisher beim PneuX-Tubus noch nicht durchgeführt wurde.

Während der Anwendung des PneuX zeigten sich 2 wichtige Punkte, die als nachteilig anzusehen sind: 29 unserer Patienten erreichten die Intensivstation bereits intubiert und mussten daher auf den PneuX-Tubus umintubiert werden. Jede erneute Intubation stellt ein gewisses Risiko für den Patienten dar, was in seltenen Fällen deletäre Folgen haben kann. Jedoch kann dieses Risiko bei entsprechender Vorbereitung und unter den optimalen Bedingungen einer Intensivstation minimiert werden. So konnten Fletcher et al. [5] zeigen, dass bei ihren Patienten die Umintubation mit einem Bougie bei allen Patienten problemlos erfolgte. Es sei aber auch erwähnt, dass Heiniger et al. [7] bei 16 Patienten in 5 Fällen über Probleme beim Tubuswechsel berichten. Unserer Meinung nach bleibt das Risiko eines Tubuswechsels unter den Bedingungen der Intensivstation, dem Einsatz eines Bougie oder Tubuswechslers, direkter Laryngoskopie [11] und in den Händen erfahrener Intensivmediziner kalkulierbar und gering.

Ein zweiter Aspekt, der kritisch diskutiert werden sollte, ergibt sich aus der fehlenden Möglichkeit, die beim PneuX zwar vorhandene Trachealkanüle im Rahmen einer dilatativen Tracheotomie einzusetzen. Die oben diskutierten Vorteile des Systems gehen mit der dilatativen Tracheotomie verloren, da es zurzeit noch kein offiziell passendes Dilatationsset für das PneuX gibt. Bei chirurgisch durchgeführten Tracheotomien kann hingegen sofort die entsprechende Trachealkanüle verwendet werden. Wir verwendeten in unserem Patientengut das Blue RhinoTM von Cook zur Tracheotomie, verweisen aber darauf, dass eine Kompatibilität beider Systeme (PneuX und Blue Rhino) formal nicht besteht und der Einsatz sich im „off lable use“ bewegt.

Bei dem PneuX P.Y.-System handelt es sich um ein neues, innovatives und leider jedoch im Vergleich zu Standardtuben teures System. Da aber die VAP mit deutlich erhöhten Kosten verbunden ist, sollte sich das System auch finanziell rechnen, wobei es für den deutschen Raum bisher nur Schätzungen gibt. Für Großbritannien konnte die Kosteneffektivität des Systems bereits nachgewiesen werden (P. Young, persönliche Mitteilungen). Allgemein lässt sich schätzen, dass durch 2 bis 3 verhinderte VAPs pro Jahr und der damit verbundenen Folgekosten das System bereits kostenneutral arbeiten sollte.

Fazit für die Praxis

Zusammenfassend können die Erfahrungen mit dem System als sehr positiv gewertet werden, und es gelang eine signifikante Reduktion des CPIS im Vergleich zu den verwendeten Standardtuben. Nach Meinung der Autoren besitzt das PneuX das Potenzial, beatmungsbedingte pulmonale Infekte zu reduzieren, wobei der Beweis durch folgende Studien noch erbracht werden muss. Da sich Beatmungspneumonien besonders bei längeren Beatmungszeiten entwickeln, scheinen Patienten mit der Notwendigkeit der Langzeitbeatmung mit einer erwarteten Beatmungszeit von mindestens 72 h und länger von dem System besonders zu profitieren.