Hintergrund

Mit einer Inzidenz von etwa 6–9 pro 100.000 Einwohner ist die Ellenbogengelenkluxation die zweithäufigste Gelenkluxation [14]. Angaben zur Inzidenz einer chronischen Instabilität bleiben vage, da hierbei häufig Mischbilder (Epikondylitiden, Arthrose, Gelenksteife) beobachtet werden, die eine Diagnosestellung erschweren.

Um eine geeignete Therapie auswählen zu können, empfiehlt sich zunächst die Unterscheidung zwischen akuten und chronischen sowie einfachen und komplexen Fällen [11, 18]. Einfache Luxationen sind durch rein ligamentäre Verletzungen gekennzeichnet – im Gegensatz zu komplexen Luxationen, die mit Frakturen assoziiert sind. Eine Sonderform der komplexen Luxation stellt die „terrible triad“ dar, die Kombination aus Radiusköpfchen- und Koronoidfraktur sowie der Ruptur des „lateral ulnar collateral ligament“ (LUCL; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

„terrible triad“

Anatomie

Primäre statische (Knochen und Bänder) sowie sekundäre Stabilisatoren (Muskulatur) erlauben große Bewegungsradien unter zeitgleich stabilen Gelenkverhältnissen. Insbesondere die Form der proximalen Ulna mit der korrespondierenden Fläche des distalen Humerus stabilisiert das Ellenbogengelenk trotz großer Bewegungsradien. Ebenso dient der proximale Radius (Radiusköpfchen) zur Stabilisierung bei Valgusstress und ermöglicht die Pro- und Supination des Unterarms.

Wichtige Bandstrukturen lassen sich in die folgenden 2 Gruppen aufteilen:

Radialer Bandkomplex

Das LUCL, das Lig. anulare und das LCL („lateral collateral ligament“) sind Bandstrukturen, die zur lateralen Stabilität bei Varusstress beitragen. Das ringförmige Lig. anulare umschließt das Radiusköpfchen und ist an der proximal-lateralen Seite der Ulna angeheftet. Das LCL entspingt am Epicondylus humeri radialis und fließt in das Lig. anulare ein, sodass hier ein gemeinsamer Bandkomplex entsteht. Das LUCL entspringt ebenfalls dem Epicondylus humeri radialis und setzt in direkter Nachbarschaft zum Lig. anulare an der proximalen-radialen Ulna an ([16], Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Radialer Seitenbandkomplex (LCL): 1 laterales radiales Seitenband (RCL), 2 laterales ulnares Seitenband (LUCL), 3 Lig. anulare (AL), 4 akzessorisches laterales Seitenband. (Aus [18])

Ulnarer Bandkomplex

Das MUCL („medial ulnar collateral ligament“) dient zur medialen Stabilisierung gegen Valgusstress. Es entspringt am Epicondylus humeri ulnaris und setzt, nachdem es sich fächerförmig geweitet hat, an der proximal-medialen Ulna an. Dabei werden ein posteriores und ein anteriores Bündel unterschieden, wobei Letzteres bis in die Basis des Processus coronoideus ziehen kann. ([16], Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Ulnarer Seitenbandkomplex (MUCL): 1 anteriores, 2 posteriores, 3 transversales Bündel. (Aus [18])

Biomechanische Studien ergaben, dass die knöchernen Strukturen die Hauptstabilisatoren des Ellenbogengelenks sind. Der Processus coronoideus übt diese Rolle im humeroulnaren Gelenk aus, Valgusstabilität liefert zusätzlich das Radiusköpfchen. Varusstabilität wird in voller Streckung zu 55 % und in 90 ° Flexion zu 75 % durch knöcherne Strukturen erzielt [6].

Klassifikationen

Ellenbogenluxation

Von O’Driscoll et al. [22] stammt die gängige Einteilung der einfachen Ellenbogengelenkluxation, wobei im Luxationsfall die Ligamente in der Regel kreisförmig vom LUCL zum MUCL reißen (Abb. 4, Tab. 1).

Abb. 4
figure 4

Schematische Darstellung des Verletzungsmusters nach O’Driscoll et al. [22] mit Reißen der ligamentären Strukturen mit zunehmenden Schweregrad in einem kreisförmigen Verlauf vom lateralen ulnaren Kollateralband (LUCL) zum medialen ulnaren Seitenband (MUCL). (Aus [18])

Tab. 1 Einteilung der einfachen Ellenbogengelenkluxation. (Nach [22])

Hollinger et al. [10] berichteten aus ihrem eigenen Patientenkollektiv über bis zu 60 % reine MUCL-Rupturen bei Ellenbogengelenkluxation.

Luxationsrichtungen

Eine Klassifikation bezüglich der Luxationsrichtung lieferten Letsch et al. [16] mit der relevanten Aussage, dass etwa 80 % aller Ellenbogengelenkluxationen in dorsaler und dorsoradialer Richtung verlaufen [16, 18].

Knöcherne Strukturen

Frakturen des Processus coronoideus werden nach Regan u. Morrey [24] klassifiziert (Abb. 5, Tab. 2):

Tab. 2 Klassifikation der Frakturen des Processus coronoideus. (Nach [24])
Abb. 5
figure 5

Klassifikation nach Regan u. Morrey, Typ 1 Avulsion der Spitze, Typ 2 weniger als 50 % des Koronoids betreffend, Typ 3 basisnah, mehr als 50 % des Koronoids betreffend. (Aus [23])

Akute Ellenbogenluxation

Diagnostik

Meist geht einer Ellenbogenluxation ein Unfall mit hoher Krafteinwirkung voraus, O’Driscoll et al. [21] beschrieben den häufigsten Unfallmechanismus mit einem Sturz auf den ausgestreckten Arm. Das Zusammenwirken von Außenrotation und Valguskräften führt hierbei zur weitaus häufigsten Luxation nach dorsal [4]. Etwa 80 % aller Ellenbogengelenkluxationen verlaufen in dorsaler und dorsoradialer Richtung (Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Röntgenbild eines Ellenbogens in einer typischen posterioren Luxation mit knöchernen Begleitverletzungen

Die spontane Reposition ist selten, so zeigt sich der luxierte Ellenbogen meist als Blickdiagnose. Eine umfassende klinische Untersuchung mit Prüfung der Stabilität und Beweglichkeit sollte im Akutfall nicht vor radiologischem Ausschluss einer Fraktur erfolgen (Abb. 6). Wichtig ist hierbei zunächst die Prüfung der Durchblutung und Sensomotorik. Durch seine exponierte Lage im Sulcus nervi ulnaris, posterior des Epicondylus medialis, ist der N. ulnaris durch den Unfallmechanismus besonders gefährdet.

Bezüglich der Möglichkeit einer geschlossenen Reposition ist das im Vorfeld aufgenommene Röntgenbild entscheidend, bei komplexen knöchernen Begleitverletzungen muss eine Computertomografie (CT) durchgeführt werden.

Konservative Therapie

Nach Frakturausschluss gelingt die Reposition beim Erwachsenen aufgrund des kräftigen Muskelzugs meist nur unter Analgosedierung oder Narkose.

Zur Reposition eines nach dorsal luxierten Ellenbogens wird der Oberarm fixiert, durch axialen Zug an der Hand und, in Abhängigkeit von der Luxationsrichtung, medialen oder lateralen Druck wird das Gelenk reponiert. Möglich ist die Reposition durch einen Arzt oder in der 2-Helfer-Methode, wobei der Oberarm durch einen Helfer fixiert wird. Anschließend sollten noch unter Analgosedierung die Stabilität und der Bewegungsumfang (funktioneller Bogen zwischen 30 ° und 130 ° nach Morrey u. An [20]) unter Durchleuchtung geprüft werden (Abb. 7). Einfache Luxationen sind nach erfolgreicher Reposition meist über das gesamte Bewegungsausmaß stabil. Kommt es bei zunehmender Extension zu einer erneuten Luxation, ist die Stabilität erneut in Pronation zu prüfen und entsprechend in dieser Position ruhigzustellen [9].

Nach Reposition erfolgt die Ruhigstellung des Gelenks, etwa in einer Oberarmschiene in 90 ° Beugung und neutraler Unterarmrotation oder besser funktionell in einer Ellenbogengelenkorthese. Moderne Orthesen erlauben dabei sowohl eine Limitierung der Flexion und Extension als auch der Pro- und Supination. Reluxiert das Gelenk bei zunehmender Streckung, kann diese über eine entsprechende Orthese limitiert und schrittweise weiter freigegeben werden (Abb. 8).

Abb. 7
figure 7

Stabilitätsprüfung unter Bildwandlerkontrolle nach erfolgreicher Reposition mit radialer Instabilität unter Varusstress

Abb. 8
figure 8

Ellenbogenorthese: Möglichkeit der Begrenzung von sowohl Flexion und Extension als auch Pro- und Supination

Bei einer Ruhigstellung des Ellenbogens über einen Zeitraum über 3 Wochen hinaus muss mit Bewegungseinschänkungen und Kontrakturen gerechnet werden [17]. Ziel muss somit eine möglichst frühfunktionelle Nachbehandlung sein. Mit der physiotherapeutischen Nachbehandlung kann bei stabilem funktionellem Bogen bereits nach der 2. Woche begonnen werden.

Kommt es hingegen bei der Stabilitätsprüfung in Narkose zu einem Reluxationsereignis, insbesondere im Bereich des funktionellen Bogens von 30–130 ° Beugung, halten wir eine operative Versorgung für indiziert (s. unten, [6, 15, 28]).

Chronische Instabilität

Im Gegensatz zur akuten Luxation ist die chronische Instabilität als solche schwerer zu diagnostizieren, da häufig unspezifische Beschwerden – ähnlich einer Epikondylitis – angegeben werden. Ein Luxationsgefühl wird vom Patienten meist nicht berichtet. Chronische Instabilität kann auch ohne vorhergehendes Trauma ein Resultat von Mikotraumatisierungen oder Überlastung sein, z. B. im Rahmen sportlicher Aktivitäten, Wurfsportarten usw. Auch die mehrfache gelenknahe Injektion von Kortison im Bereich des Ellenbogens in der Anamnese kann Ursache der Instabilität sein.

Die laterale Instabilität ist aufgrund der typischen Luxationsrichtung nach einem Trauma häufiger als die mediale Instabilität. Letztere findet sich zumeist bei Wurfsportlern, wie etwa im Baseball [25], man spricht hier auch von einem Valgus-Overload. Nicht selten resultiert das vermehrte Gelenkspiel in einer Abscherung von Knorpelteilchen und der Ausbildung freier Gelenkkörper.

In der klinischen Untersuchung älterer chronischer Instabilitäten ist das Pivor-Shift-Manöver nach O’Driscoll et al. [21, 22] von großer Bedeutung, da die reine Prüfung auf Varusstabilität keine Aussage über die Rotationsstabilität zulässt. Der Oberarm wird dabei anteflektiert, unter Supination, Valgusstress und axialer Kompression subluxiert das Radiusköpfchen nach dorsal und reponiert sich unter zunehmender Flexion spontan. Bei chronischer Instabilität wird eine Schmerzprovokation als positives Apprehensionzeichen gedeutet. Ein positiver Pivot-Shift deutet auf eine posteroleraterale rotatorische Instabilität (POLRI) hin (Abb. 9, [26]).

Abb. 9
figure 9

Ausführung des Pivot-Shift-Tests zur klinischen Untersuchung einer posterolateralen Rotationsinstabilität (PLRI): in Rückenlage Beugen des Arms unter Supination und Valgusstress. (Aus [18])

Relevante Bildgebung

Sonografie

Als kostengünstige, für den Patienten nicht belastende Untersuchungsmethode nimmt die Bedeutung der Sonografie in der orthopädischen Bildgebung zu. Nach Luxationen lässt sich der Gelenkerguss abschätzen und – sofern es der Patient toleriert – die mediale Aufklappbarkeit beurteilen.

Insgesamt spielt die Sonografie in der Diagnostik des Ellenbogens jedoch nur eine untergeordnete Rolle.

Röntgen

Ein Röntgenbild in 2 Ebenen des Ellenbogengelenks ist bei jeder Ellenbogenluxation essenziell. Auch wenn die Bildqualität schmerzbedingt nicht ideal erscheint, sind in der Regel eine erste Beurteilung der Luxationsrichtung und der Frakturausschluss möglich. So kann nach der radiologischen Untersuchung über die Möglichkeit einer geschlossenen Reposition entschieden werden. Zeigen sich in der klinischen Untersuchung Aufälligkeiten im Bereich des Handgelenks oder des Unterarms, sollten diese ebenfalls in die radiologische Diagnostik einbezogen werden.

Varus- und Valgusstressaufnahmen erlauben aufgrund der individuellen Varianz erst im Seitenvergleich eine valide Aussage über eine vermehrte Aufklappbarkeit ([1], Abb. 6, Abb. 7).

Magnetresonanztomografie (MRT)

Sie ist das Mittel der Wahl zur Evaluation von Weichteilverletzungen. Studien ergaben ihre ausreichende Sensitivität in der Detektion von Verletzungen des medialen und lateralen Seitenbands [27], außerdem können Begleitverletzungen am Knorpel oder freie Gelenkkörper diagnostiziert werden. Nach Ellenbogengelenkluxation führen wir in unserer Klinik grundsätzlich eine MRT-Untersuchung durch. Insbesondere ligamentäre und knöcherne Begleitverletzungen sowie v. a. auch chondrale Flakes können damit detektiert werden (Abb. 10, Abb. 11, Abb. 12). Für die Entscheidung, ob operativ oder konservativ vorgegangen werden soll, kann mit der MRT auch die Lage der rupturierten Bandstümpfe beurteilt werden. Bei deutlicher Dislokation oder Dehiszenz derselben wird die Indikation zur operativen Versorgung und anatomischen Rekonstruktion in unserem Haus großzügig gestellt.

Abb. 10
figure 10

MUCL-Ruptur, MUCL: „medial ulnar collateral ligament“

Abb. 11
figure 11

LUCL-Ruptur, LUCL: „lateral ulnar collateral ligament“

Abb. 12
figure 12

Freier chondraler Gelenkkörper (Pfeil)

Computertomografie (CT)

Bei jedem Hinweis auf eine intraatrikuläre okkulte Fraktur oder freie knöcherne Gelenkkörper, etwa durch ein Repositionshindernis oder eine Bewegungseinschränkung, sollte eine CT-Untersuchung erfolgen. In der Beurteilung knöcherner Verletzungen stellt sie den Goldstandard dar (Abb. 13, Abb. 14, Abb. 15).

Abb. 13
figure 13

Freie ossäre Gelenkkörper

Abb. 14
figure 14

Höhergradige Instabilität einer 95-Jährigen

Abb. 15
figure 15

Dislozierte Capitulum-humeri-Fraktur

Arthroskopie und Narkoseuntersuchung

Auch die Arthroskopie des Ellenbogens hat in der Behandlung der akuten und chronischen Instabilität einen Stellenwert. Sie ermöglicht eine exzellente Einsicht in das Gelenk und lässt eine exakte Beurteilung der Gelenkflächen zu. Freie Gelenkkörper können diagnostiziert und entfernt werden. Unter Sicht kann außerdem durch Varus- und Valgusstress eine dynamische Untersuchung hinsichtlich der Stabilität erfolgen, welche allen anderen Untersuchungen überlegen ist. Selbst geringe Instabilitäten können diagnostiziert werden, die bei schwierigen Untersuchungbedingungen beim wachen Patienten nur erschwert oder gar nicht erfasst werden können. Insbesondere zur Evaluation der posterolateralen Rotationsinstabilität hat die Arthroskopie einen hohen Stellenwert. Gerade die Untersuchung (z. B POLRI) bei relaxierten und narkotisierten Patienten ist häufig die einzig aussagekräftige klinische Untersuchungsmethode (Abb. 16).

Abb. 16
figure 16

a Humeroradiale Artikulation, b Dekoaptation humeroradial bei posterolerateraler rotatorischer Instabilität

Funktioneller Bogen

Hiermit wird der von Morrey [19] geprägte Begriff des „functional arc“ beschrieben. Die physiologische Beweglichkeit des Ellenbogengelenks beträgt: Extension/Flexion 5 °-0 °-145 °. Eine Ellenbogensteife liegt bei einem Streckdefizit > 30 ° und einer Beugung < 120 ° vor [29, 30].

Mit einem Bewegungsumfang von Extension/Flexion 0 °-30 °-130 °, dem funktionellen Bogen sowie einer Pro- und Supination von 50 °-0 °-50 ° sind rund 90 % der Alltagtätigkeiten möglich [30, 31]. In der Literatur findet sich üblicherweise die Empfehlung, dass bei stabilem funktionellem Bogen nach Ellenbogenluxation ein konservativer Therapieversuch angestrebt werden sollte [18]. Einige Autoren vertreten jedoch die Meinung, dass dieser Versuch nur sinnvoll ist, wenn das Gelenk nach Reposition über das gesamte Bewegungsausmaß stabil ist und nicht reluxiert. Ist dies nicht der Fall, wird zur Operation geraten, um eine durch die Ruhigstellung in der Orthese verursachte Gelenksteife zu vermeiden.

Angelehnt an den funktionellen Bogen bewährte sich ein Therapiealgorithmus von Mittlmeier u. Beck ([18], Abb. 17): Erweist sich der luxierte Ellenbogen als nach der Reposition im funktionellen Bogen stabil, kann eine frühfunktionelle Nachbehandlung gewählt werden (ggf. in Pronation, falls in Pronationsstellung eine Instabilität verbleiben sollte). Auch können eine Streck- oder Beugelimitierung mit einer Ellenbogengelenkorthese eine frühfunktionelle Behandlung ermöglichen, falls sich in der endgradigen Bewegung eine Instabilität zeigen sollte. Verbleibt im funktionellen Bogen eine Instabilität, wird die operative Refixation der betroffenen Ligamente postuliert. Intraoperativ kann das Gelenk durch die additive Anlage eines Bewegungsfixateurs zusätzlich stabilisiert werden, falls die Bandrekonstruktion keine ausreichende Stabilität liefert (z. B. bei begleitenden knöchernen Verletzungen, [18]).

Abb. 17
figure 17

Algorithmus zur chirurgischen Rekonstruktion bei Ellenbogenluxation, ORIF „open reduction internal fixation“. (Nach [18])

Therapie

Akute Luxation

Bei einfachen Luxationen mit stabilem funktionellem Bogen liefert eine operative Rekonstruktion des Bandapparats keine besseren funktionellen Ergebnisse als die konservative Therapie [13]. Somit kann in diesen Fällen ein frühfunktionelles Therapieregime unter Orthesenbehandlung gewählt werden.

Operationsindikationen nach akuter Luxation sind:

  • Repositionshindernisse etwa durch osteochondrale Fragmente,

  • hochgradige Instabilität mit Reluxationsneigung nach beschriebener Reposition im funktionellen Bogen,

  • offene Luxation,

  • Reluxation und Subluxation nach erfolgloser konservativer Therapie sowie

  • die chronische Instabilität [22].

Sonderfall Ellenbogenluxationsfrakturen

Luxationsfrakturen des Ellenbogengelenks stellen eine schwere Verletzung dar. Eine generelle Empfehlung zum standardisierten Vorgehen kann aufgrund der häufig auftretenden Begleitverletzungen und deren Inhomogenität nicht gegeben werden. Diese Verletzungen sind aufgrund ihrer Komplexität im Einzelfall zu bewerten und davon Therapiekonzepte abzuleiten.

Unstrittig ist die Empfehlung, dass das Gelenk zügig reponiert werden sollte. Vom Allgemeinzustand des Patienten abhängig können dann ein ein- oder mehrzeitiges Vorgehen oder auch eine konservative Therapie diskutiert werden. Zur Retention der Reposition bewährte sich die Wahl eines Bewegungsfixateurs. Mit einer Orthesentherapie wird aufgrund der höhergradigen Instabilität häufig keine Retention bei Luxationsfrakturen erreicht.

Ein Bewegungsfixateur erlaubt im Fall einer einzeitigen operativen Versorgung der knöchernen und ligamentären Strukturen eine frühfunktionelle Therapie unter zeitgleichem Schutz der Rekonstruktion, um die Einheilung nicht zu gefährden [10].

Als weiterer Grundsatz kann gelten, dass im Fall einer operativen Versorgung zunächst die knöchernen Strukturen refixiert werden sollten, um die Gelenkkongruenz wiederherzustellen. Insbesondere sind Gelenkstufen zu vermeiden, die eine Arthrose zur Folge haben können.

Dem Radiusköpfchen kommt eine zentrale Rolle bei der Valgusstabilität zu. Dessen Resektion sollte daher bei gleichzeitigen medialen Bandverletzungen vermieden werden. Ist eine Rekonstruktion nicht möglich, kann eine Radiusköpfchenprothese den lateralen Pfeiler des Ellenbogens wiederherstellen und die Ausbildung einer knöchern bedingten Valgusinstabilität verhindern (Abb. 18).

Die Osteosynthese einer Koronoidfraktur wird beim Typ 3 nach Regan u. Morrey [24] empfohlen. Beim Typ 1 ist ein konservatives Vorgehen indiziert, da hierbei die anteriore Kapsel nicht im frakturierten Bereich liegt. Ab dem Typ 2 kommt es meist zu einer Instabilität, und es werden die Refixation mittels Fadenanker oder Schrauben (ggf. auch Miniplatten) postuliert, um ein knöchern bedingtes anteriores Herausluxieren zu vermeiden [5].

Abb. 18
figure 18

Radiusköpfchenprothese bei nichtrekonstruierbarer Fraktur

Ist die knöcherne Kongruenz des Gelenks wiederhergestellt, empfiehlt sich die zeitgleiche Refixation des lateralen Bandkomplexes. Durch Fadenankersysteme gelingt dies im Akutfall anatomisch (Abb. 19). Bezüglich des medialen Bandkomplexes ist bei anliegenden Bandstümpfen eine konservative Behandlung möglich. In unserem eigenen Vorgehen werden bei Ellenbogengelenkluxationsfrakturen die medialen Bandstümpfe in den Fällen einzeitig refixiert, in denen sie retrahiert oder umgeschlagen sind oder ein operativer Zugang zur Versorgung der Begleitverletzungen angelegt ist. Eine regelhafte mediale Bandrefixation erfolgt nicht [15].

Abb. 19
figure 19

MUCL- und LUCL-Läsion (a), LUCL-Refixation (b,c), LUCL „lateral ulnar colateral ligament“, MUCL „medial ulnar collateral ligament“

Bei stabiler Osteosynthese und ligamentärer Refixation kann bei entsprechender Compliance des Patienten eine Orthesentherapie mit frühfunktioneller Behandlung durchgeführt werden. Alternativ etablierte sich auch der Bewegungsfixateur [10]. Eventuelle begleitende Nervenverletzungen sollten interdisziplinär mikrochirurgisch mitbehandelt werden.

Chronische Instabilität

Konservative Therapieregimes zeigen schlechte Ergebnisse in der Behandlung chronischer Instabilitäten [7]. Allenfalls können sie zur Reduktion der Beschwerdesymptomatik herangezogen werden.

Die Stabilisierung einer chronischen Instabilität kann in der Regel nur durch Bandplastiken erreicht werden. Hierfür können unterschiedlichste Transplantate verwendet werden, wobei sich für den Ellenbogen, aufgrund der topografischen Nähe, ein Streifen aus der Trizepssehne anbietet [3, 7, 26].

Für die posterolaterale Rotationsinstabilität bewährte sich der klassische Kocher-Zugang zum lateralen Ellenbogen (Zugang zwischen dem M. anconaeus und dem M. extensor carpi ulnaris). Über eine kleine Erweiterung desselben nach proximal kann ein Streifen aus dem mittleren Drittel der Trizepssehne gewonnen werden (Abb. 20 a). Die Fixation an den anatomischen Ursprungs- oder Insertionsstellen (Abb. 20 b) ist entweder durch Biotenodeseschrauben, Buttonfixation, Fadenankersysteme oder durch transossäres Ausleiten (z. B. humeral) möglich. Wichtig erscheint vor der definitiven Fixation die Bestimmung der Isometrie. Diese kann simuliert werden, indem an den anatomischen Insertionsstellen temporär 2 Kirschner-Drähte platziert und um diese ein kräftiger Faden oder die bereits gewonnene Sehne geschlungen und der Unterarm durchbewegt werden (Abb. 20 b). Die Bandplastik sollte insbesondere im Bereich des funktionellen Bogens eine isometrische Spannung aufweisen, um eine frühzeitige Auslockerung zu verhindern und eine Stabilität über den gesamten Verlauf des funktionellen Bogens zu erzielen. Die Operation endet mit der sicheren und festen Refixation des Muskelstreckapparats (Abb. 20 c). Mit einer Wiederaufnahme schwerer körperlicher Arbeit kann frühestens nach etwa 3 Monaten gerechnet werden.

Abb. 20
figure 20

Verschluss der Trizepssehne nach Sehnenentnahme (a), anatomische Platzierung der 2 Kirschner-Drähte: Isometriebestimmung (b), Grazilissehnenplastik vor Verschluss der Extensoren (c)

Die chronische mediale Instabilität spielt im angloamerikanischen Raum eine größere Rolle als in Deutschland. Hierzulande überwiegt bei den chronischen Ellenbogeninstabilitäten die posterolaterale Instabilität. Als Hauptgrund kann die größere Verbreitung von Wurfsportarten (z. B. Baseball oder American Football) im angloamerikanischen Sprachraum angesehen werden. Die Operationstechnik ist identisch zum Vorgehen auf der lateralen Seite und richtet sich an den anatomischen Ursprungs- und Insertionslandmarken des MUCL aus. Alle gängigen Fixationsmöglichkeiten und Sehnentransplantate können angewandt werden [2, 7]. Ein besonderes Augenmerk liegt in der vorsichtigen Präparation und Schonung des N. ulnaris, wobei eine Transposition des Nervs nach ventral in der Regel unterbleiben sollte.

Fazit für die Praxis

  • Akute und chronische Ellenbogengelenkinstabilitäten stellen ein anspruchsvolles Krankheitsbild dar.

  • Falsche oder verspätete Behandlungen von Ellenbogengelenkinstabilitäten können zu deutlichen Funktionsstörungen der oberen Extremität führen.

  • In der Frühdiagnostik, aber auch für Verlaufskontrollen bewährten sich neben der einfachen Röntgenuntersuchung v. a. das MRT, bei Frakturen das CT.

  • Bei einfachen, akuten Luxationen ohne nachfolgende Reluxationsneigung

    • setzte sich ein konservatives frühfunktionelles Vorgehen mittels Orthesenbehandlung durch.

    • Klinisch hilfreich erscheint die Beurteilung des funktionellen Bogens, aus dem sich der Therapiealgorithmus ableiten lässt.

  • Komplexe Luxationen

    • bedürfen in den meisten Fällen eines operativen Vorgehens, um die knöcherne Kongruenz wiederherzustellen und die ligamentären Bandstrukturen zu refixieren.

    • Dieses Vorgehen erlaubt ebenfalls eine frühfunktionelle Behandlung, was das Risiko von Gelenksteifen minimiert.

    • Sowohl eine Orthesentherapie als auch eine Behandlung mit einem Bewegungsfixateur können hilfreich sein.

  • Chronische Instabilitäten

    • haben viele mögliche Ursachen und bedürfen einer exakten Anamnese und einer gründlichen Untersuchung.

    • Insbesondere bei fraglichen und unklaren chronischen Instabilitäten ist die Arthroskopie hilfreich.

    • Bei klinisch relevanten Instabilitäten etablierten sich operative Verfahren mit Bandplastiken, um eine Schmerzreduktion und Wiederherstellung der Ellenbogengelenkfunktion zu erlangen.

  • Die adäquate frühfunktionelle Nachbehandlung ist am Ellenbogen von entscheidender Bedeutung, um ein gutes klinisches Ergebnis zu erzielen.