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Pflegebedürftigkeit im Lebensverlauf

Der Einfluss von Familienmitgliedern und Freunden als Versorgungsstrukturen auf die funktionale Gesundheit und Pflegebedürftigkeit im häuslichen Umfeld

Long Term Care in the Life Course

On the Influence of Support from Family Members and Friends on Functional Health and the Utilization of Long Term Care at Home

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KZfSS Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Der Beitrag untersucht die Einflüsse familialer Versorgungsstrukturen und ökonomischer Ressourcen auf die funktionale Gesundheit im Alter. Er geht der Frage nach, inwieweit die für die funktionale Gesundheit bekannten Einflüsse auch auf eine Pflegebedürftigkeit nach SGB XI und damit auf den Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung übertragbar sind. Es werden drei Hypothesen zum Einfluss der ökonomische Lage und der sozialen Einbettung – auch in ihrem Wechselspiel – auf funktionale Gesundheitseinschränkungen, den Pflegebeginn, differenziert nach Pflegestufen sowie auf die Wechsel zwischen den Pflegestufen und auf einen Heimeintritt hin untersucht. Die Analyse basiert auf dem sozio-oekonomischen Panel (SOEP). Im Ergebnis zeigt sich, dass das Vorhandensein von nahen Angehörigen die Inanspruchnahme von Pflegeleistungen nach SGB XI reduziert. Allerdings ist dies nur für männliche Pflegebedürftige zu beobachten. Die Substitution von Pflegeleistungen nach SGB XI erfolgt damit primär durch die Ehepartnerin. Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI umfasst deshalb mit der familialen Versorgungsstruktur auch andere Aspekte als die von (pflegebegründenden) Erkrankungen. Diese Substitution kann in den unteren Einkommensschichten nicht festgestellt werden. Vermutlich durch die finanzielle Anreizstruktur erhöht sich hier sogar das Pflegerisiko, wenn eine Partnerschaft vorliegt. Damit werden auch Grenzen der Substituierbarkeit von Pflegeleistungen im unteren Einkommensbereich aufgezeigt.

Abstract

The paper investigates levels of functional health in old age as an outcome determined by support from family members and the individual’s financial assets. It addresses the question to what extent these risk factors for functional health also apply to the risk of long-term care (LTC) as defined by German Law SGB XI and may thus be transferable. Three hypotheses are presented, relating the individual’s economic resources and social integration to functional health limitations and to the onset of LTC. Results are stratified by levels of care, taking into account changes in levels of care over time as well as the location of care (at home or in a nursing home). The analysis is based the German Socio-Economic Panel (SOEP). For males it was shown that presence of close relative or spouse reduces the utilization of care (according to the LTC- definition by German Law (SGB XI). For males, long-term care was mostly provided by the spouse. The need of care depends not only on functional health status but also on the type of (family-)network. Substitution could not be found in the lower income groups. The utilization of LTC even increases for less affluent males living with a spouse due to financial incentives provided by LTC insurance. Substitutability of care services may thus vary by income group.

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Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3
Abb. 4

Notes

  1. Den Einfluss des bedarfsgewichteten Haushaltseinkommens auf die Prävalenz von Pflegebedürftigkeit als Kausaleffekt zu interpretieren, ist auch deshalb problematisch, da Pflegebedürftigkeit im häuslichen Umfeld mit höheren Einkommen, nämlich zuzüglich der Pflegegeldleistungen in Höhe von derzeit (ab 1.1.2014) 235 (Pflegestufe I), 440 (Pflegestufe II) und 700 Euro (Pflegestufe III), korrespondiert. Dadurch würden höhere Einkommen unzulässigerweise mit einer höheren Pflegeprävalenz in Verbindung gebracht.

  2. Davon abzugrenzen sind Struktur und Verfügbarkeit von Gesundheitsleistungen (Macinko et al. 2003, S. 419). So haben beispielsweise Klein und Unger (2001) gezeigt, dass bei einem schlechten Gesundheitszustand der Einkommenseffekt am geringsten ausfällt, wenn die Bevölkerung umfassend in ein staatlich-öffentlich organisiertes Krankenversicherungs- oder Versorgungssystem mit einer für den Einzelnen (weitgehend) unentgeltlichen Inanspruchnahme der Leistungen einbezogen ist wie in Großbritannien oder Deutschland. Der Einkommenseffekt bleibt jedoch bestehen, wenn die medizinische Versorgung stark von privaten Ausgaben abhängt, wie in den USA.

  3. Bislang liegen erst wenige Studien zur Pflegebedürftigkeit nach SGB XI auf Basis des SOEP vor (z. B. Schneider et al. 2001; Unger und Rothgang 2010; Weick 2006).

  4. Bei der Berechnung des bedarfsgewichteten Äquivalenzeinkommens wird das Haushaltsnettoeinkommen durch Bedarfsgewichte geteilt Die Gewichte betragen 1 für den Haushaltsvorstand, 0,5 für jede weitere Person im Alter von mindestens 14 Jahren im Haushalt und 0,3 für jede Person, die jünger als 14 Jahre ist (neue OECD−Äquivalenzskala). Das bedarfsgewichtete Äquivalenzeinkommen lässt sich auch als das individuelle Wohlstandsniveau interpretieren.

  5. Die berichteten Inzidenzen und Pflegestufenverteilungen beziehen sich zwar auf alle Pflegeleistungen. Da jedoch der Anteil der häuslichen Pflege an allen Pflegleistungen insgesamt ca. zwei Drittel sowie bei den Männern der Anteil der häuslichen Pflege (670 000) an allen Leistungen (863 000) im Jahr 2011 sogar 78 % beträgt (Statistisches Bundesamt 2013), dürften die Pflegestufenverteilungen und Pflegeinzidenzen bei den Männern in der häuslichen Pflege die Verteilung über alle Pflegeleistungen dominieren.

  6. Da der Heimeintritt primär in den oberen Altersjahren erfolgt und somit für die unteren Altersjahre kaum Ereignisse vorliegen, wurde auf Interaktionseffekte mit dem Alter verzichtet.

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Unger, R., Giersiepen, K. & Windzio, M. Pflegebedürftigkeit im Lebensverlauf. Köln Z Soziol 67 (Suppl 1), 193–215 (2015). https://doi.org/10.1007/s11577-015-0312-y

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