Osteoporose im Kindes- und Jugendalter

Der Skelettapparat ist ein komplexes Organsystem, das im Laufe des Lebens unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden muss. In der kindlichen Entwicklung erfährt der knöcherne Anteil gerade während des pubertären Wachstumsschubs eine deutliche Zunahme des Mineralgehalts, die bis zum jungen Erwachsenalter zu einem Höhepunkt der Knochendichte und Frakturresistenz führt. Eine pathologische Strukturveränderung in dieser vulnerablen Phase kann unabhängig von der Ursache zu langfristigen Beeinträchtigungen der Lebensqualität und Selbstständigkeit bis hin zu bleibenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die betroffenen Patienten führen.

Die Definition der pädiatrischen Osteoporose unterscheidet sich grundlegend von den Kriterien für Erwachsene und wurde durch die International Society for Clinical Densitometry (ICSD) [1] wie folgt definiert:

  • Nicht traumatische Wirbelkörperkompressionsfraktur

    ODER

  • KnochendichteFootnote 1 Z‑Score ≤ −2 SDS UND relevante FrakturanamneseFootnote 2,Footnote 3

  • Eine normale Knochendichte schließt das Vorliegen einer kindlichen Osteoporose NICHT aus

Wie aus der Definition hervorgeht, liegt bei Kindern und Jugendlichen ein diagnostischer Schwerpunkt auf der Erfassung der klinischen Symptomatik im Sinne der Frakturneigung und basiert wie auch bei Erwachsenen nicht alleine auf Befunden der Knochendichtemessung. Einen wichtigen Kritikpunkt der aktuell gültigen Definition stellt die Notwendig der rezidivierenden Frakturierung dar, die gerade bei Kindern und Jugendlichen mit hohem Risiko für Osteoporose oftmals zu einer Verzögerung der Diagnosestellung und damit auch zu verzögerter Einleitung von therapeutischen Maßnahmen führt. Des Weiteren werden in der derzeitigen Definition bei gesunden Kindern und Jugendlichen häufige Frakturen wie Unterarmfrakturen nicht ausreichend von bei Gesunden seltenen Frakturen wie Femurfrakturen abgegrenzt. Entsprechend wurde rezent eine diagnostische Anleitung zur Abklärung der pädiatrischen Osteoporose propagiert, welche neben der Knochendichte auch Frakturcharakter und klinischen Kontext einbezieht (Abb. 1; [4]).

Abb. 1
figure 1

Vorschlag zur Diagnostik der Osteoporose bei Kindern, modifiziert nach Ward et al. [4] PTH Parathormon, ALP alkalische Phospatase, BWS Brustwirbelsäule, LWS Lendenwirbelsäule, DXA double energy X‑ray absorptiometry, TBLH total body less head, BMD bone mineral density

Im Kindes- und Jugendalter werden die osteoporotischen Veränderungen in zwei große Gruppen unterteilt, die sich in Ätiologie und Therapie unterscheiden:

Primäre Osteoporose

Die primäre Osteoporose wird durch seltene Erkrankungen definiert, die aufgrund von genetischen Veränderungen zu einer Strukturschwäche des Knochens und damit zu einer erhöhten Knochenbruchneigung führen. Die häufigsten Formen der primären Osteoporose werden als Osteogenesis imperfecta bezeichnet, die zu zirka 80 % durch Veränderungen in den Genen Col1A1 und Col1A2, also für das Hauptkollagen des Knochens kodierende Gen, verursacht werden. Abhängig von der genetischen Veränderung kann der Verlauf von perinatal letaler Symptomatik bis zu weitgehend asymptomatischen Patienten variieren. Entsprechend werden vier Subgruppen der Osteogenesis imperfecta nach Sillence eingeteilt [5]. Obwohl die ursprüngliche Einteilung in der Klinik noch weit verbreitet ist, können die genetische Diversität und neue Einblicke in Pathomechanismen nur partiell abgebildet werden [6]. Neben weiteren Ansätzen der Klassifikation wurde 2014 die aktualisierte Version der Sillence-Klassifikation veröffentlicht, die ein Kontinuum zur verbreiteten Typisierung sowie einen Überblick über genetische Ursache und klinischen Verlauf der einzelnen Formen darstellt (Tab. 1).

Tab. 1 Übersicht der klinischen und genetischen Typen der Osteogenesis imperfecta, modifiziert nach van Dijk und Sillence [7]

Die häufigsten Typen der Osteogenesis imperfecta stellen Typ I mit moderater Knochenbruchneigung ohne progressiv-deformierenden Verlauf sowie der Typ 3 mit kongenitalen Frakturen und Deformitäten dar. Als typische Begleitsymptome werden bei beiden Typen blau-gräulich imponierende Skleren beobachtet, die durch veränderte Lichtbrechung durch die gestörte Kollagenstruktur entstehen.

Weitere Symptome sind Schmelzdefekte (Dentinogenesis imperfecta), Schlaffheit von Bändern und Gelenken, leichte Hämatombildung, Hörminderungen sowie seltene Symptome wie Basilarinvagination und kardiale Anomalien. Gerade bei schweren Verlaufsformen ist die interdisziplinäre Versorgung der Patienten durch spezialisierte Einrichtungen für pädiatrische Orthopädie und Osteologie essenziell, um ein koordiniertes Vorgehen der pharmakologischen Therapien sowie korrigierenden und stabilisierenden chirurgischen Eingriffen zu ermöglichen. Ziel ist das Erreichen einer möglichst gering eingeschränkten Mobilität sowie selbstständiger Alltags- und Berufsfähigkeit, was für die meisten Patienten erreicht werden kann. Für Patienten mit milder Verlaufsform wird ein möglichst normales Alltagsleben mit hoher Partizipation und Aktivität angestrebt, wobei sportliche Einschränkungen durch Verwendung von Schutzbekleidung (Schienbeinschoner, Rückenprotektoren) und Koordinationstrainings oft weitgehend vermieden werden können. Im Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit Osteogenesis imperfecta stellt für betreuende Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Betreuer die Selbsteinschätzung und Schmerzwahrnehmung der Patienten eine wichtige Information dar, die ernst genommen und nicht übergangen werden soll. Eine multidisziplinäre medizinische Versorgung durch ein spezialisiertes Team aus Pädiatrie, Kinderorthopädie, funktioneller Therapie sowie Skelettradiologie stellt die Basis der Versorgung und Koordination der Betreuung der Patienten dar.

Sekundäre Osteoporose

Lange wurde die Osteoporose hauptsächlich als eine Erkrankung des späten Erwachsenenalters betrachtet, der im Kindes- und Jugendalter kaum Bedeutung zukommt. Erst seit relativ kurzer Zeit wird den pädiatrischen Formen der erworbenen Osteoporose größere wissenschaftliche Aufmerksamkeit geschenkt. Durch die Vulnerabilität während der Skelettreifung können pathologische Auswirkungen auf den Skelettapparat mit irreversiblen, langfristigen Folgen und entsprechenden Konsequenzen für die Lebensqualität einhergehen. Die Awareness der betreuenden Disziplinen und damit eine frühzeitige Diagnostik und Therapie sind daher von großer Bedeutung. Ein rezenter Konsensus der Spanischen Gesellschaft für Pädiatrische Rheumatologie gibt einen guten Überblick über häufige Ursachen und diagnostische Ansätze für osteoporotische Veränderungen bei Kindern- und Jugendlichen, eine modifizierte Übersicht findet sich in Tab. 2 [8]. Beispielhaft werden in den folgenden Absätzen häufige Ätiologien der sekundären pädiatrischen Osteoporose beschrieben.

Tab. 2 Übersicht über unterschiedliche Erkrankungsgruppen und Ursachen der pädiatrischen Osteoporose, modifiziert nach [8]

Glukokortikod-induzierte Osteoporose

Die langfristige Behandlung mit Glukokortikoiden stellt eine der häufigsten Risikofakturen für die pädiatrische Osteoporose dar und kann in Kombination mit der bestehenden Grunderkrankung zu einem ausgeprägten Phänotyp führen. Trotz des zunehmenden Einsatzes der Biologicals stellen Glukokortikoide noch immer eine essenzielle Behandlungsoption bei einer Vielzahl an inflammatorischen Erkrankungen dar. Glukokortikoide führen direkt durch eine Veränderung des Verhältnisses von Osteoprotegerin zu Receptor Activator of Nuclear Factor-kappa‑B Ligand (RANKL) zu einer starken Stimulation der knochenabbauenden Osteoklastenaktivität. Zusätzlich zu spezifischen Risikofaktoren der Grundkrankheiten (wie Zytokinproduktion bei rheumatoiden Erkrankungen oder Malnutrition bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen) wird so die Entwicklung osteoporotischer Symptome potenziert.

Da der Verlauf der Grunderkrankung ausschlaggebend für die Gesamtexposition mit knochenbeeinträchtigenden Substanzen ist, beeinflusst die Inklusionskriterien gerade bei glukokortikoid-induzierter Osteoporose das Outcome klinischer Studien. In spezifischen Patientengruppen wie bei der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) oder dem systemischen Lupus erythematodes (SLE) wurde eine hohe Rate an Wirbelkörperfrakturen von 6–28 % beschrieben, wobei die Zusammensetzung der Kollektive eine Vergleichbarkeit der Studien erschwert [9]. Rezente Daten einer randomisierten Studie zu oraler Bisphosphonattherapie bei Patienten mit JIA konnten einen deutlichen Zugewinn an Knochendichte feststellen, eine Reduktion der Frakturrate konnte jedoch bei einer Fallzahl von 217 Patienten nicht bewiesen werden [10].

Neuromuskuläre Erkrankungen/Muskeldystrophien

Bei Muskeldystrophien wie der Muskeldystrophie Duchenne (DMD) kommt es sowohl zu einer Inaktivitätsosteoporose als auch durch die inflammatorische Komponente zu einer Beeinträchtigung des Knochens. Zusätzlich stellt die langfristige Behandlung mit Glukokortikoiden eine gängige und lebenszeitverlängernde Maßnahme dar, die jedoch mit einer Wirbelfrakturrate von 30–50 % einhergeht. Studiendaten legen eine verlängerte Überlebensdauer von Patienten mit DMD unter Bisphosphonattherapie nahe, was unter anderem der Verzögerung des Auftretens mobilisationseinschränkender Frakturen zugeschrieben wird [11]. In den aktuellen Konsensus-Guidelines wird eine Bisphosphonattherapie bei Wirbelkörperfraktur/en oder Fraktur der langen Röhrenknochen nach inadäquatem Trauma empfohlen, wobei seit 2018 ein Screening nach asymptomatischen vertebralen Kompressionsfrakturen verankert ist [12].

Leukämische Erkrankungen

Die akute lymphatische Leukämie (ALL) ist die häufigste onkologische Erkrankung des Kindes- und Jugendalters. Kanadische Daten zeigen eine hohe Prävalenz von Wirbelkörperfrakturen bei Diagnose von 16 % und einer 6‑Jahres-Wahrscheinlickeit von 36 % [13]. Im Gegensatz zu anderen Formen der sekundären Osteoporose weisen Patienten mit erfolgreicher Behandlung der ALL häufig ein hohes skelettales Regenerationspotenzial auf. Eine Wiederaufrichtung komprimierter Wirbelkörper wurde sowohl spontan als auch unter Bisphosphonattherapie beschrieben [13, 14].

Immobilisation

Der Skelettapparat unterliegt einer ständigen Anpassung an mechanische Einflüsse und Belastungen durch Muskulatur und Scherkräfte. Dieses sogenannte Mechanosensing wird hauptsächlich durch netzwerkartig verbundene Osteozyten, die numerisch häufigsten Knochenzellen, gewährleistet und stellt eine grundlegende Voraussetzung für die koordinierte Tätigkeit der knochenanbauenden Osteoblasten dar. Entsprechend führt eine Verminderung dieser mechanischen Einflüsse zu einer Umstellung des Knochenmetabolismus und zu einem Abbau an Knochensubstanz. Zu den häufigsten Diagnosen der Immobilisation im Kindes- und Jugendalter zählen die infantile Zerebralparese sowie Rückenmarksverletzungen. Häufig kommen zur mechanischen Komponente zusätzliche Risikofaktoren wie Malnutritution, geringe Sonnenexposition, niedrige Vitamin-D-Spiegel und niedrige Kalziumzufuhr sowie eine Komedikation mit klassischen Antiepileptika hinzu. Patienten mit infantiler Zerebralparese weisen bereits mit dem 9. Lebensjahr zu beinahe 100 % verminderte Knochendichtewerte und Frakturprävalenzen um 26 % auf [15]. Häufige Lokalisationen von Frakturen ohne oder nach minimalen Traumen stellen der distale Femur sowie die proximale Tibia dar. Die Überlappung der Immobilisation mit weiteren spezifischen Risikofaktoren der entsprechenden Grunderkrankung, wie bei Muskeldystrophien oder schweren Verlaufsformen der Osteogenesis imperfecta, trägt zusätzlich zur Komplexität und Notwendigkeit einer individualisierten Therapie bei. Therapiekonzepte wie Ganzkörpervibrationstherapien können zur Verbesserungen der muskulären Funktion führen [16]. Ähnlich wie bei anderen Formen der sekundären Osteoporose konnten Therapieversuche mit Bisphosphonaten die Knochendichte steigern, eindeutige Daten zur Senkung der Frakturinzidenz liegen jedoch nicht vor.

Eine Sonderform der sekundären Osteoporose stellt die vermehrte Knochenresorbtion mit schweren Verbrennungsverletzungen dar: Durch die massive Freisetzung von Zytokinen und endogenen Glukokortikoiden kommt es zusammen mit der Immobilisation zu oftmals massivem Muskel- und Knochenschwund, der in bis zu 15 % der betroffenen Kinder zu einer Fraktur führt [17]. Bisphosphonate konnten in einer plazebokontrollierten, randomisierten Studie den Verlust an Mineralsubstanz effizient verhindern [18], rezente In-vitro-Daten unterstützen zusätzlich die Hypothesen von positiven Effekten der Bisphosphonate auf den Muskelkatabolismus bei Patienten mit Verbrennungen [19].

Prävention

Bei Kindern und Jugendlichen mit Risiko für die Entwicklung einer Osteoporose ist die Prävention von herausragender Bedeutung. Die adäquate Zufuhr von Kalzium und Vitamin D ist neben einer adäquaten Kalorien- und Eiweißzufuhr und Normalisierung des BMI oft der erste Schritt zur Minimierung der Risikofaktoren. Neben der Optimierung eventueller Grunderkrankungen stellen glukokortikoidsparende Therapieansätze häufig wichtige Schritte in der Vermeidung osteoporotischer Veränderungen dar. Bei verzögerter Pubertätsentwicklung als häufiges Symptom chronisch kranker Kinder sollte eine Pubertätseinleitung im adäquaten Alter erwogen werden, um eine physiologische Knochenreifung und Steigerung des Mineralgehalts zu ermöglichen. Körperliche Aktivität, funktionelle Therapien und gegebenenfalls Schmerztherapien sind unerlässlich für die Vermeidung von Immobilisation (Tab. 3).

Tab. 3 Maßnahmen zur Prävention von osteoporotischen Veränderungen bei Risikopatienten

Funktionelle Therapiekonzepte

Die Verbesserung der Mobilität und der Erhalt der Selbstständigkeit sind wichtige Therapieziele, die durch Stärkung des muskuloskelettalen Apparates angestrebt werden. Sowohl bei primärer als auch bei sekundärer Osteoporose besteht häufig eine Muskelhypotonie, nach Frakturen oder Operationen kann das Erlernen eines neuen Bewegungsablaufs essenziell für den Erhalt der Funktion sein. Zusätzlich müssen oft Angst vor Bewegung und gelernte Inaktivität durch gezieltes und stützendes Training überwunden werden. Gerade bei Patienten mit stattgehabten Frakturen, Operationen oder Knochenschmerzen stellt die funktionelle Therapie durch ein erfahrenes Team einen integralen Bestandteil der Betreuung der Patienten dar.

Gezielte Rehabilitationskonzepte, basierend auf Ganzkörpervibrationstraining und verschieden Zyklen an funktionell-therapeutischen Interventionen, konnten bei Patienten mit schwerer Osteogenesis imperfecta sowohl Motilität als auch Knochendichte steigern [20]. Die Etablierung von spezifischen Rehabilitationsprogrammen bedarf jedoch eines hohen Maßes an interdisziplinärer Zusammenarbeit, Ressourcenallokation und wissenschaftlicher Begleitung, um ein möglichst optimiertes Outcome für die Patienten erzielen zu können.

Medikamentöse Therapieoptionen

Bisphosphonate

Bisphosphonate sind Derivate des Pyrophosphats mit hoher Affinität zum Hydroxylapatit des Knochens. Durch eine Inhibition des Mevalonat-Signalwegs wird die Ostoklastogenese inhibiert, womit eine Reduktion der Absorption und des Knochenumbaus bewirkt wird. Sowohl parenterale als auch enterale Formulierungen stehen zur Verfügung, wobei die orale Gabe durch das Risiko einer Ösophagitis durch inkorrekte Einnahme bei jüngeren Patienten eingeschränkt ist. Die gebräuchlichsten i.v. Präparate im DACH-Raum sind Zoledronat, Neridronat und Pamidronat, bei den oralen Präparaten finden vor allem Risedronat und Alendronat Anwendung. Durch die Veröffentlichung eines Konsensus der Australasian Paediatric Endocrine Group zum Einsatz von Bisphosphonaten bei Kindern und Jugendlichen liegt seit 2018 eine strukturierte Übersichtsarbeit für die klinische Anwendung bei primärer und sekundärer Osteoporose vor [21].

Bisphosphonate bei Osteogenesis imperfecta

Die breiteste Erfahrung betreffend den Einsatz von Bisphosphonaten in der pädiatrischen Osteoporose liegt bei Patienten mit Osteogenesis imperfecta vor, bei denen die Substanzgruppe bereits seit mehreren Jahrzehnten eingesetzt wurde. Mit Veröffentlichung eines Cochrane-Reviews wurde über Verbesserungen der Knochendichte berichtet, eine generelle Aussage zu Frakturrate, Schmerz oder Wachstum konnte jedoch aufgrund insuffizienter Datenlage nicht gegeben werden [22]. Eventuelle Unterschiede hinsichtlich der Wirksamkeit auf vertebrale Veränderungen machen die intravenöse Gabe zur bevorzugten Therapieoption bei entsprechender Symptomatik. Die Indikation einer Therapie wird meist durch eine Frakturrate von zwei langen Röhrenknochen pro Jahr, eine singuläre Wirbelkörperfraktur oder chronische Knochenschmerzen gestellt.

Bisphosphonate bei sekundärer Osteoporose

Der Einsatz von Bisphosphonaten in der sekundären Osteoporose sollte immer nur unter der Voraussetzung der Optimierung der Risikofaktoren, wie zuvor angegeben, erfolgen. Insbesonders ein Vitamin-D-Mangel muss vor Therapieeinleitung ausgeglichen sein, da sonst eine schwere Hypokalzämie möglich ist. Die Datenlage zur medikamentösen Therapie von Kindern und Jugendlichen mit sekundärer Osteoporose ist meist relativ gering, da randomisierte plazebokontrollierte Studien in diesen Kohorten kaum durchgeführt werden. Relevanter Faktor ist die Charakteristik der zugrunde liegenden Ursache: Während bei Kindern und Jugendlichen mit leukämischen Erkrankungen ein eher temporärer Verlauf mit hoher endogener Regenerationswahrscheinlichkeit besteht, liegt bei Erkrankungen wie Muskeldystrophien meist ein progressiv sich verschlechternder Verlauf vor. Entsprechend gilt es, eine Therapie denjenigen Patienten anbieten zu können, die in der Risiko-Nutzen-Abwägung am meisten von der Therapie profitieren.

Nebenwirkungen

Die häufigste therapieassoziierte Nebenwirkung – vor allem bei Erstverabreichung einer Bisphosphonattherapie – ist eine Akutphasenreaktion mit Fieber, Knochenschmerzen und Übelkeit, die bei bis zu 80 % der Patienten auftritt. Durch das meist gute Ansprechen auf Antiphlogistika kann dieses meist 1–2 Tage nach Verabreichung auftretende Symptom mit den Familien vorbesprochen und gut gehandhabt werden. Eine Dosisreduktion bei der Erstgabe ist in den meisten Therapieschemata empfohlen. Durch die Hemmung der Osteoklastentätigkeit kann es zu einem therapieassoziierten Abfall des Serumkalziums kommen. Entsprechend ist auf einen suffizienten 25-OH-Vitamin-D-Status bei Therapiebeginn sowie eine adäquate Kalzium- und Phosphatzufuhr zu achten. Die Bisphosphonat-induzierte Osteonekrose des Kieferknochens als typische Komplikation bei Erwachsenen wurde bislang im Kindes- und Jugendalter nicht beobachtet. Ein Sicherheitsintervall zu invasiven kieferchirurgischen Eingriffen von 6–12 Monaten wird dennoch empfohlen. Die Ösophagitis repräsentiert eine seltene, aber bedrohliche Komplikation der oralen Bisphosphonate, bei deren Einnahme auf eine möglichst schnelle Passage durch den Ösophagus geachtet werden muss. Zusammen mit der unklaren Datenlage bez. der Wirkung auf Wirbelkörperfrakturen ist die Indikation für die orale Verabreichung damit im pädiatrischen Bereich stark eingeschränkt. Aufgrund von eventuellen Effekten auf die Frakturheilung wird generell die Entwicklung einer Kallusformation vor Verabreichung empfohlen. Die Datenlage zu verzögerter Heilung nach Osteotomien ist nicht eindeutig, gegebenenfalls ist eine Adaptation der Verabreichung zur Vermeidung von Effekten auf den Heilungsverlauf indiziert. Kontraindikationen stellen Schwangerschaft, Niereninsuffizienz, floride Rachitis sowie Hypophosphatasie (inhibierende ALPL-Mutationen mit verminderter Aktivität der alkalischen Phosphatase) dar.

Perspektiven der medikamentösen Therapie

Der Einsatz spezifischer antiosteoporotischer Biologika ist durch die Zulassung des monoklonalen RANKL-Antikörpers Denosumab im Erwachsenenbereich bereits seit Jahren etabliert, im pädiatrischen Bereich jedoch erst in Fallserien erprobt. Starke Schwankungen des Serumkalziumspiegels, Rebound-Hyperkalzämie nach Therapiebeendigung sowie die Beobachtung eines Wirkungsverlustes bei Dauerbehandlung lassen eine Anwendung außerhalb von Studienprotokollen derzeit nur in Einzelfällen zu. Für 2023 werden Daten einer multizentrischen Studie zur Behandlung von pädiatrischen Patienten mit Osteogenesis imperfecta erwartet [23].

Im Gegensatz zum antiresorptiven Charakter von Bisphosphonaten und Denosumab stellen osteoanabole Therapeutika wie Parathormon(PTH)-Analoga potenziell deutlich wirksamere Substanzen zur Behandlung der Osteoporose dar. Aufgrund einer im Tierversuch erhöhten Malignitätsrate steht diese Substanzgruppe im pädiatrischen Bereich jedoch nicht zur Verfügung. Mit der Entwicklung und kürzlichen Zulassung eines monoklonalen Sklerostin-Antikörpers (Romosozumab) für postmenopausale Frauen liegt nun die Aussicht auf eine osteoanabole Therapieoption im pädiatrischen Bereich vor. Daten zum Einsatz bei Patienten mit Osteogenesis imperfecta werden jedoch erst in den nächsten Jahren erwartet.

Conclusio

Die Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei Kindern und Jugendlichen stellt eine klinische Herausforderung dar – klinische Algorithmen und verbesserte spezifische Diagnostik helfen im klinischen Alltag, seltene genetische Formen zu diagnostizieren und von sporadischen Frakturen bei gesunden Kindern abzugrenzen. Screening-Untersuchungen mittels Knochendichtemessungen sind nicht indiziert. Bei der stetig wachsenden Gruppe an Kindern und Jugendlichen mit chronischer Grunderkrankung ist eine wachsende Awareness hinsichtlich der Entwicklung osteoporotischer Veränderungen essenziell. Trotz verbesserungswürdiger Datenlage stehen mittlerweile sowohl für die primäre als auch für die sekundäre Osteoporose bei pädiatrischen Patienten Therapieoptionen mit reichen Erfahrungswerten zur Verfügung, die gegebenenfalls individuell an die entsprechenden Bedürfnisse der Patienten angepasst werden. Die Betreuung durch multidisziplinäre Teams, die neben pädiatrisch-internistischer auch kinderorthopädische Expertise aufweisen, stellt gerade bei komplexem Krankheitsverlauf einen wichtigen Punkt in der Patientenversorgung dar. Die Fülle an Daten der letzten Jahre und die Vielzahl an laufenden Studien lassen auf einen weitere Verbesserung der Therapien für diese vulnerable Patientenkohorte hoffen, um die Lebensqualität, Mobilität und Selbstständigkeit von Kindern und Jugendlichen mit Osteoporose gezielter steigern zu können.

Links

  • Zentrum für Seltene Knochenerkrankungen, Störungen der Mineralisation und seltene Wachstumsstörungen – Vienna Bone and Growth Center www.knochenzentrum.at

  • Patientenorganisation Osteogenesis imperfecta Austria – OIA www.glasknochen.at

Fazit für die Praxis

Osteoporose im Kindes- und Jugendalter umfasst sowohl seltene genetische Erkrankungen als auch Knochenveränderungen bei chronischen Erkrankungen. Die frühzeitige Einleitung von diagnostischen Maßnahmen bei Symptomen wie Rückenschmerzen, häufigen Frakturen oder typischen Stigmata für Osteogenesis imperfecta trägt entscheidend zur Optimierung der Therapie und Vermeidung von Spätfolgen bei.