„Entdeckung bedeutet: Etwas zu sehen, was jeder andere gesehen hat, und zu denken, was niemand gedacht hat.“

Dr. med. Albert von Szent-Györgyi Nagyrápolt, Nobelpreis für Physiologie/Medizin 1937

Medizinhistorischer Hintergrund

Aus der Erforschung des Vitamin C sind 3 Nobelpreisträger hervorgegangen und einige grosse Pharmaunternehmen entstanden [1,2,3].

Die lange Geschichte des Vitamin C ist eng mit Skorbut verbunden. Bis Ende des 18. Jahrhunderts war Skorbut die häufigste Todesursache auf hoher See. Die Erkrankung definiert sich durch Schwächung des Bindegewebes, schlechte Wundheilung und erhöhte Infektanfälligkeit. Die Symptome traten immer 3–4 Monate nach dem Ablegen der Schiffe auf. In der Abhandlung „A treatise of the scurvy“ beschrieb 1752 der schottische Schiffsarzt James Lind, dass die vorbeugende Einnahme von Orangen- und Zitronensaft Skorbut verhindern konnte. Erst 1768 übernahm James Cook Linds Empfehlungen und auf der Schiffreise verstarb kein einziger Seemann an Skorbut. Für diesen Erfolg wurde Cook 1776 durch die Royal Society ausgezeichnet und ab 1795 waren Zitrusfrüchte an Bord Pflicht [4, 5].

Rund 120 Jahre später isolierte 1920 der britische Chemiker Sylvester Solomon Zilva erstmals eine Substanzmischung aus der Zitrone, die Skorbut heilen konnte und die er Vitamin C nannte. 1928 isolierte der ungarische Biochemiker Szent-Györgyi aus Paprikaschoten, Weisskohl und Nebennierenrinden eine reine, kristalline Substanz. Zusammen mit seinem britischen Kollegen Norman Haworth konnte er 1932 nachweisen, dass mit dieser Substanz Skorbut geheilt werden kann, und gab ihr die Bezeichnung A-Scorbin-Säure. Beide erhielten für ihre Forschungen am Vitamin C 1937 den Nobelpreis. Ein Jahr nach Szent-Györgyis und Haworths Entdeckung gelang dem Schweizer Chemiker Tadeusz Reichstein die chemische Synthese von Vitamin C. Tadeusz Reichstein wurde 1950 erster Nobelpreisträger der Universität Basel. Er verkaufte Ende 1933 sein Patent des Syntheseverfahrens an das Schweizer Pharmaunternehmen Hoffmann-La Roche, das kurze Zeit später als erstes Unternehmen überhaupt ein Vitamin industriell herstellte und im 20. Jahrhundert weltweit führender Vitaminproduzent wurde. Die Produktionsmenge nahm stetig zu und im Jahr 2001 wurden 110.000 Tonnen mit einem Umsatz von 600 Mio. US$ hergestellt. 2003 verkaufte Roche die Vitaminsparte an das niederländische Unternehmen DSM. Heute stellt die Volksrepublik China das wichtigste Erzeugerland dar [1, 3, 6,7,8,9].

Physiologische Vitamin-C-Synthese

Der Mensch kann kein Vitamin C herstellen, da ihm das Gulonolactonoxidase(GLO)-Enzym, das für den letzten Syntheseschritt benötigt wird, fehlt. Wegen einer genetischen Mutation kann das GLO-Gen nicht transkribiert werden.

Die meisten Tiere besitzen die Fähigkeit, ihr eigenes Vitamin C in der Leber zu synthetisieren. Die endogene Vitamin-C-Synthese beginnt mit der Glukose. Für den letzten Syntheseschritt wird L‑Gulonolacton unter H2O2-Bildung von der Gulonolactonoxidase in L‑Ascorbinsäure umgewandelt. Säugetiere produzieren täglich mehrere Gramm Vitamin C und können diese Produktion in Stresssituationen um das 10-Fache erhöhen [1, 5, 10,11,12,13].

Vorkommen von Vitamin C

Die grössten Mengen an Vitamin C finden sich in Obst und Gemüse. Je reifer und ursprünglicher diese sind, desto mehr Vitamin C enthalten sie. Tierische Produkte enthalten vor allem in den Innereien Ascorbinsäure.

Das wasserlösliche Vitamin C ist sehr licht-, hitze-, und oxidationsempfindlich, weshalb die Reife, die Lagerung und die Verarbeitung der Lebensmittel einen grossen Einfluss auf den natürlichen Vitamin-C-Gehalt haben und Verluste bis zu 90 % betragen können [14, 15].

Pharmakokinetik

Bei oraler Einnahme von Vitamin C wird bereits ein Teil über die Mundschleimhaut aufgenommen. Die Hauptresorption findet sekundär-aktiv über einen natriumabhängigen L‑Ascorbinsäure-Transporter im proximalen Dünndarm statt und über die Glukosetransporter als Dehydroascorbinsäure. In der Zelle wird Dehydroascorbinsäure zu L‑Ascorbinsäure reduziert.

Im Blut liegt Vitamin C zum grössten Teil als Ascorbinsäure und zum kleineren Teil als oxidierte Form Dehydroascorbinsäure vor. Nur rund ein Viertel davon ist an Plasmaproteine gebunden und der restliche Anteil befindet sich frei im Plasma.

Der Anteil des resorbierten Vitamin C liegt bis zur oralen Dosis von 300 mg bei 90 % und sinkt bei höherer Dosierung ab. Die Halbwertszeit des Vitamin C beträgt 3 h.

Aufgrund der abnehmenden Absorptionsfähigkeit des Vitamin C ab einer oralen Dosis von 300 mg kann eine höhere Plasmakonzentration durch eine über den Tag verteilte Einnahme erreicht werden.

Durch parenterale Gabe können höhere Vitamin-C-Plasmaspiegel erreicht werden, da so die limitierende Aufnahme über den Vitamin-C-Transporter umgangen wird.

Werden beispielsweise alle 4 h 3 g Vitamin C oral verabreicht, führt dies zu einem Serumspiegel von 0,22 mmol/l. Wird wiederum dieselbe Dosis in gleicher Frequenz infundiert, beträgt der Serumspiegel 13 mmol/l. In physiologischer Konzentration hat Vitamin C eine antioxidative und in hohen, pharmakologischen Konzentrationen, ab einem Serumspiegel von 10 mmol/l, eine oxidative Wirkung.

Immunkompetente Zellen, wie etwa die Leukozyten, können Ascorbinsäure anreichern, sodass ihr Vitamin-C-Spiegel 10- bis 100-fach höher ist als im Blut. Somit spiegelt die Vitamin-C-Konzentration der Leukozyten die Körperreserven wider.

Die körpereigenen Speicher können den Menschen 100–130 Tage lang versorgen, falls kein Vitamin C zugeführt wird. Bei hohen Konzentrationen von Vitamin C im Blut wird dieses als Oxalsäure renal ausgeschieden, was ab einer Konzentration von rund 68 µmol/l geschieht [4, 10, 12, 14,15,16,17,18].

Wirkungsspektrum von Vitamin C im menschlichen Organismus

Vitamin C ist an 15.000 Stoffwechselabläufen beteiligt und kein anderes Vitamin besitzt eine so grosse Vielfalt an Wirkungen. Aufgrund seiner antioxidativen Wirkung spielt die Ascorbinsäure in biologischen Systemen als Radikalfänger eine wichtige Rolle und schützt Lipide, Proteine, Nukleinsäuren und Zellmembranen vor oxidativen Schäden. Die reduzierte Ascorbinsäure und die oxidierte Dehydroascorbinsäure bilden ein Redoxsystem mit der Semidehydroascorbinsäure als reaktionsfähige Zwischenstufe [14, 16, 18].

Von den vielen Wirkungen dieses pleiotropen Vitamins sind im Folgenden die Funktionen genannt, die das Immunsystem betreffen. Diese sind in Tab. 1 zusammengefasst.

Dadurch, dass das Vitamin C das oxidierte Tocopherylradikal in das fettlösliche, antioxidative α‑Tocopherol wandelt, wird die fettlösliche, zellmembrangebundene antioxidative Kapazität gesichert.

Ascorbinsäure ist für die Immunkompetenz essenziell, indem es die Immunabwehr, die Komplementaktivierung und die Interferonproduktion reguliert. Sie vermindert die NF-κB-, TNF-α- und die IL-6-Produktion und schützt so vor einer extensiven Immunantwort (Zytokinsturm).

Durch Unterstützung der Proliferation und der Beweglichkeit der neutrophilen Granulozyten und Makrophagen und der Chemotaxis wird die Phagozytose angeregt [4, 16, 17, 19,20,21].

Infizierten Zellen lagern Eisen ein, das durch Wasserstoffperoxid unter Bildung freier Radikale oxidiert wird. Ascorbinsäure reduziert das oxidierte Eisen, sodass dieses erneut mit dem Wasserstoffperoxid reagieren kann. Dieser Fenton-Reaktionsmechanismus führt zur Bildung von mikrobizid wirkenden reaktiven Sauerstoffspezies (ROS). Dadurch unterstützt Vitamin C die Phagozytose, gleichzeitig schützt es durch seine antioxidative Wirkung die Zellmembran der phagozytierenden Zelle [16].

Ascorbinsäure ist direkt mikrobizid und ab Serumkonzentrationen von 10 mmol/l pro oxidativ. Die Apoptose und das Beseitigen von Detritus werden durch Vitamin C erleichtert und somit die Nekrose vermindert [4, 18]. Es stabilisiert die epitheliale Barriere und beschleunigt die Wundheilung, indem es die Kollagensynthese, die Keratinozytendifferenzierung und die Lipidsynthese anregt.

Weiter stimuliert es die Proliferation und Differenzierung von B‑ und T‑Lymphozyten, was zu einer vermehrten Antikörperproduktion führt. Somit unterstützt Vitamin C sowohl das unspezifische wie auch das spezifische Immunsystem.

Die Unterstützung der Immunkompetenz durch Vitamin-C-Supplementation ist umso ausgeprägter, je tiefer der Vitamin-C-Spiegel vor der Zufuhr ist [4, 5, 21, 22].

Zudem dient Vitamin C als Kofaktor von Enzymen, die für die Katecholamin- und Carnitinsynthese und für den Phase-I-Metabolismus vieler Medikamente zuständig sind. Es erhöht die Eisenresorption und überträgt Eisen von Transferrin auf Ferritin. Ausserdem vermindert es die Toxizität von Schwermetallen und fördert die Bildung von Komplexen und deren Ausscheidung.

Die Proteinglykosylierung wird gehemmt und dadurch die Funktion dieser Proteine erhalten. Es werden weniger AGE wie HbA1c gebildet. Vitamin C verhindert die Umwandlung von Nitraten in krebserregende Nitrosamine.

Ascorbinsäure bewirkt eine vermehrte, blutdrucksenkende Stickstoffmonoxidbildung, was insbesondere für Patienten mit kardiovaskulären Begleiterkrankungen wichtig ist. Stickstoffmonoxid reguliert die Zelladhäsion und die Fibrinolyse und vermindert die Thromboseneigung [19, 23].

Zeichen einer Überdosierung/Toxizität

Bei täglicher oraler Dosierung bis 10 g über eine lange Zeit und bei kurzzeitigen Hochdosistherapien bis zu 1,5 g/kgKG und Tag wurden keine schädlichen Nebenwirkungen beobachtet. Hohe orale Zufuhr ab 3 g kann laxierend wirken. Die Bildung von Nierensteinen unter hohen Dosierungen wurde wiederlegt. Die Oxalatausscheidung im Urin wird durch Substitution nur unwesentlich erhöht [1, 14, 19].

Diagnostik und Normwerte

Vitamin C ist stark licht- und oxidationsempfindlich, weshalb die Blutprobe sofort stabilisiert und vor Licht geschützt werden muss. Der Ascorbinsäurespiegel wird mit Hochleistungsflüssigkeitschromatographie gemessen und der Normalwert im Serum beträgt 11–113 µmol/l. Eine gute Versorgung ist ab 60 µmol/l, eine optimale Immunfunktion ab 70 µmol/l und der Endothelschutz ab 80 µmol/l gewährleistet [1, 5, 16].

Unphysiologisch hohe Vitamin-C-Konzentrationen interferieren, aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit, mit dem Testsystem, das den kapillaren Glukosespiegel misst.

Da diese unspezifische Reaktion proportional zur Vitamin-C-Konzentration ist, kann sie zur Abschätzung der Vitamin-C-Spiegel unter Infusionstherapie eingesetzt werden.

Diese Messmethodik ist nicht anwendbar bei oraler Verabreichung von Vitamin C, weil damit der Blutspiegel nicht hoch genug ansteigt, um eine Interferenz zu erzeugen [24].

Bedarf

Aktuell wird prophylaktisch jene Vitamin-C-Dosis angegeben, die gerade zur Vermeidung von Skorbut ausreichend ist. Somit liegt die empfohlene Tagesdosis nach der Deutschen sowie der Schweizerische Gesellschaft für Ernährung für Vitamin C bei 90–110 mg bzw. bei Schwangeren 110 mg und bei Stillenden 150 mg pro Tag. Jedoch können aus evolutionsbiologischen Gründen Dosierungen im Grammbereich definitiv empfohlen werden. Die Dosierungen bewegen sich somit im Bereich von 5–30 mg/kgKG und Tag. Die vom Körpergewicht abhängige Tagesdosis beträgt 400 mg bis 3 g [1, 14, 15, 19].

Eine Entzündung kann die Bioverfügbarkeit von Vitamin C stark senken. So kann beispielsweise eine virale Infektion innerhalb von Stunden eine so bedeutende Abnahme des Vitamin-C-Gehalts in den Leukozyten hervorrufen, dass die Skorbutgrenze erreicht wird [22, 25].

Einen erhöhten Bedarf haben Raucher, Alkoholiker, Senioren sowie Personen mit einer obst- und gemüsearmen Kost. Weiter haben Patienten mit Magen-Darm-Erkrankungen, Diabetes mellitus, dialysepflichtiger Niereninsuffizienz und Multimorbide ebenfalls einen erhöhten Bedarf. Letztlich sollte bei starker körperlicher und psychischer Belastung, Schwangerschaft und in der Stillzeit vermehrt Vitamin C zugeführt werden [1, 4, 14,15,16, 19].

Für eine therapeutische Wirkung sind höhere Dosierungen notwendig. Generell werden 150–200 mg pro Tag empfohlen. Bezieht man die Dosis auf das Körpergewicht sind orale Tagesdosierungen von 3–10 g notwendig. Parenteral sind mit langsamer Auftitrierung Dosierungen bis zu 100 g pro Tag möglich [14, 23].

Kontraindikationen

Kontraindikationen sind bei Dosierungen ab 10 g pro Tag zu beachten. Hierbei gelten Eisenspeicherkrankheiten, Niereninsuffizienz, Störungen des Oxalsäurestoffwechsels, Netzhautblutungen und Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel (Fauvismus) als absolute Kontraindikationen und eine Oxalat-urolithiasis in der Vorgeschichte gilt als eine relative Kontraindikation [1, 14, 16].

Pathophysiologie der COVID-Erkrankung

Die Atemwegserkrankung COVID-19 ist die dritte, nach MERS und SARS, durch Coronaviren (CoV) ausgelöste Epidemie im 21. Jahrhundert. SARS-CoV‑2 wird durch Tröpfcheninfektion und Aerosolen verbreitet, wobei ein noch asymptomatischer Träger bereits das Virus weitergeben und die Inkubationszeit bis zu 14 Tage betragen kann. Ob nach einer durchgemachten COVID-19-Krankheit eine Immunität gegeben ist oder ob eine Zweitinfektion möglich ist, ist Gegenstand der Forschung [26, 27].

Die durch das SARS-CoV‑2 ausgelöste Lungenkrankheit hat klinisch einen sehr unterschiedlichen Verlauf, wobei sich rund 80 % der Infizierten spontan erholen. Schwere Verläufe, mit Atemnot und tiefer Sauerstoffsättigung, treten bei 14–15 % der Erkrankten auf und bei immerhin 5–6 % der Fälle ist die Erkrankung kritisch bis lebensbedrohlich, wobei insbesondere ältere Menschen und Polymorbide ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf aufweisen [26, 28]. Eine gefürchtete Komplikation der SARS-CoV-2-Erkrankung stellt die bilaterale interstitielle Pneumonie dar, die mit einem akuten Atemnotsyndrom (ARDS) und einer Entzündung und Thrombosierung der Kapillargefässe einhergehen kann. Daraus kann letztlich ein Multiorganversagen resultieren [28, 29].

Die „Eintrittspforte“ für das SARS-CoV-2-Virus in die Zelle ist der ACE2-Rezeptor, der sich auf Lungenepithelzellen, im Darm, auf den Fettzellen, in den Nieren- und in den Gefässepithelien befindet.

SARS-CoV‑2 bewirkt in der Wirtszelle eine Zunahme von NF-κB und Chemokinen, was zum apoptotischen Zelltod und dadurch zur Verbreitung der von der Zelle replizierten Viren führt [26, 28].

Die Virusinfektion stimuliert das angeborene Immunsystem. Die Zellen dieses Systems enthalten Inflammasomen, zytoplasmatische Proteinkomplexe, die für die Aktivierung von Entzündungsreaktionen verantwortlich sind [30, 31].

Zwei Stunden nach einer Infektion wird TNF‑α vom Makrophagen nach Viruskontakt sezerniert. Drei Stunden nach der Ansteckung wird von der infizierten Epithelzelle, durch Aktivierung der Inflammasomen, IL-1β ausgeschüttet. Vier Stunden nach Befall wird IL‑6 von den durch TNF‑α angelockten Neutrophilen, Granulo- und Monozyten, gebildet. TNF‑α, IL-1β und IL‑6 wirken hierbei als proinflammatorische Zytokine.

Das Ausmass der Entzündung hängt vom Gleichgewicht zwischen den proinflammatorischen (TNF, IL-1β, IL‑6, IL-8) und den antiinflammatorischen Zytokinen (IL-10, IL-1RA) und T‑Lymphozyten (Treg, TH2) ab.

Die Infektion mit SARS-CoV‑2 stört die immunologische Homöostase. Durch das Virus initiiert wird die Entzündung durch die hohen proinflammatorischen Zytokine unterhalten. Die von proinflammatorischen Zytokinen angelockten Leukozyten werden zur ungehemmten Bildung weiterer Zytokine anregt (positive Rückkopplung). Diese Überreaktion kann zu einem Zytokinsturm mit bis zu 30-fach erhöhten IL-6-Konzentrationen im Serum führen.

Es entstehen dabei grosse Mengen an Sauerstoff- und Stickstoffradikalen und an Gerinnungsfaktoren. Aus einer vorerst lokalen Entzündung, wie beispielsweise einer Pneumonie, kann sich eine Sepsis entwickeln.

Aus dem oben beschriebenen Mechanismus lässt sich ableiten, dass der IL-6-Serumspiegel mit dem Schweregrad der Entzündung korreliert.

Das Risiko, einen Zytokinsturm zu entwickeln, hängt von endogenen (genetische Polymorphismen, Alter, Erkrankungen) und exogenen Faktoren (Stress, Noxen) ab [29].

Nach dem Zytokinsturm kommt es zu einer systemischen Produktion von antiinflammatorischem IL-10. Diese immunologische Gegenreaktion kann so ausgeprägt sein, dass es zu einer „Immunparalyse“ kommt. Die Immunsuppression erhöht das Risiko einer Superinfektion. Persistierende hohe IL-10-Spiegel scheinen an der Entwicklung der postinfektiösen diffusen Lungenfibrose beteiligt zu sein.

Simultan zum unspezifischen Immunsystem wird die spezifische Immunantwort durch die Phagozytose eines Virus aktiviert. Ein bis 4 Tage nach der Infektion werden IgM-Antikörpern, 14 Tage später IgG-Antikörper gebildet [29, 32,33,34].

Vitamin C als Therapie bei SARS-COV-2

Vitamin C kann in allen Phasen der viralen Infektion eingesetzt werden. Es vermindert durch seine immunmodulierende Wirkung den Schwergrad der Infektion und verkürzt bei hospitalisierten Patienten den Klinikaufenthalt. Weiterhin wirkt es als Kofaktor der Vasopressorensynthese, insbesondere der Katecholamie und des Stickstoffmonoxids, was zu einer besseren (Mikro)zirkulation und verminderten Thromboseneigung führt. Die endotheliale Barriere wird gestärkt. Dadurch, dass es die Produktion der proinflammatorischen Zytokine vermindert, beschleunigt es die Regenration bzw. die Wundheilung und vermindert so Komplikationen wie diffuse eine Lungenfibrose [18, 20, 35,36,37,38,39].

Je nach immunologischer Homöostase ist entweder eine orale oder eine parenterale Therapie notwendig, wobei von der einen in die andere Applikationsform gewechselt werden kann. Verschiedene Protokolle werden je nach Oxygenierungsindex angewendet: Die leichten Fälle bekommen 6–10 g pro Tag, mittelschwere mit nasaler Sauerstoffzufuhr 12–20 g pro Tag und schwere Fälle, die beatmet werden müssen, 50 g bis zu 100 g pro Tag. Je schwerer die Entzündung ist, desto tiefer sinken die Vitamin-C-Plasmaspiegel, weswegen orale Supplementierungen in hohen Dosen vertragen werden [40].

Zum Therapiebeginn kann der Vitamin-C-Status gemessen und unter Therapie überwacht werden. Da das IL-6-IL-10-Verhältnis ein wichtiger prädiktiver Faktor für den Verlauf der Erkrankung ist, könnte damit das Ansprechen auf die Therapie und das immunologische Gleichgewicht beurteilt werden. Dieser Wert kann auch herangezogen werden, um zu entscheiden, wann auf eine antioxidative (paraenterale) Vitamin-C-Therapie zu wechseln ist. Eine Ratio unter 5 ist ein relevanter prognostischer Faktor für das Ansprechen der Therapie und einen gutartigen Verlauf. In einer Studie aus Wuhan wurde ein weiterer prädiktiver Faktor gefunden. Diese am 28. Mai 2020 publizierte Studie beschreibt das Verhältnis der Neutrophilen-Lymphozyten-Zahl (NLR) ≥3,75 als einen unabhängigen Faktor für den Erkrankungsverlauf [34, 41].

Eine am 14. Mai 2020 publizierte Studie zeigt auf, dass durch Messung dreier Parameter mit 90 %iger Genauigkeit die Mortalitätswahrscheinlichkeit der Erkrankten 10 Tage im Voraus bestimmt werden kann. Folgende Parameter werden gemessen: hsCRP (Bildung wird durch IL‑6 induziert), LDH und die Lymphozytenanzahl [24].

Bei Entzündungen steigt das Serumferritin, ein Parameter, der als prädiktiver Faktor zur Abschätzung der Intensität der immunologischen Antwort, vor Beginn der Vitamin-C-Hochdosistherapie herangezogen werden kann. Da Serumferritin unter einer Vitamin-C-Infusion ansteigt, eignet es sich nicht zur Verlaufskontrolle [28, 42, 43].

Ab einer parenteralen Dosierung von 3 g/Tag setzt die antithrombotische Wirkung ein, sodass bei antikoagulierten Patienten der Quick- bzw. der INR-Wert engmaschig kontrolliert werden muss [1].

Bei der parenteralen Hochdosistherapie sind oxidative Wirkungen ab einem Plasmaspiegel von 10 mmol/l zu erwarten. Oxidative Dosen wirken viruzid und werden in der akuten Phase eingesetzt. In der regenerativen Phase braucht es die antioxidative und immunmodulierende Wirkung des Vitamin C, um einer postinfektiösen Lungensklerose entgegenzuwirken und die Wundheilung zu beschleunigen [20, 28, 33].

Zur parenteralen Therapie eignen sich physiologisches Natriumchlorid oder Ringer-Laktat als Trägerlösungen. Es wird stets im Verhältnis 1:2 verdünnt. Infundiert wird ein Salz der Ascorbinsäure, sodass das Ascorbatanion im physiologischen Bereich keine sauren Valenzen abgibt und es zu keiner Verschiebung des Säure-Basen-Haushalts kommt [1, 14, 23].

Falls keine Kontraindikationen vorliegen, kann mit einer Hochdosistherapie begonnen werden. Hierbei sollte die Vitamin-C-Dosierung langsam auftitriert werden. Beginnend mit 7,5 g kann bis auf 60 g pro Tag und mehr gesteigert werden. Pro Infusion werden 1–3 g/kgKG mit einer Infusionsgeschwindigkeit von 0,5–1 g Vitamin C pro min verabreicht. Zur Vermeidung von vaskulären Spasmen wird die Infusionslösung mit 200 mg Magnesiumchlorid oder -sulfat ergänzt. Eine halbe Stunde vor jeder Infusion können zusätzlich 500–1000 mg Kalzium per os verabreicht werden [1, 16].

Längere hochdosierte Vitamin-C-Therapien können die Kupferresorption behindern, weshalb der Kupfer- und der Zinkspiegel im Vollblut regelmässig zu kontrollieren sind.

Ab 15 g Vitamin C pro Infusion kann das Durstgefühl, vor allem wegen der hohen Natriumzufuhr, zunehmen. Während der Infusion soll ausreichend Wasser getrunken werden. Ab 30 g Vitamin C pro Infusion kann ein skorbutartiger Rebound-Effekt auftreten. Es ist ratsam, anschliessende Applikationen auszuschleichen [1, 10, 16].

In China, in der Provinz Hubei, laufen derzeit 4 randomisierte Interventionsstudien zu hochdosierten Vitamin-C-Infusionen. Die Forschungsgruppe von Prof. Zhi Yong Peng von der Wuhan-Universität ist hierbei federführend.

Erste Ergebnisse werden ab September 2020 erwartet. Bisherige Resultate sind vielversprechend und zeigen eine um ein Sechstel reduzierte Beatmungs- und Aufenthaltsdauer in der Klinik. Therapiert wurde 7–10 Tage lang mit 10 g Vitamin C pro Infusion bei leichten Fällen und 20 g Vitamin C pro Infusion bei schweren Fällen. Sehr schwer Erkrankte bekamen alle 4 h 50 g Vitamin C pro Infusion. Alle Hochdosisinfusionstherapien waren bisher ohne signifikante Nebenwirkungen. Seit März 2020 empfiehlt die Regierung von Shanghai intravenöse Hochdosistherapie von Vitamin C bei COVID-19.

An den Universitätskliniken von Palermo, Italien, und Virginia Commonwealth, USA, wurden im März und im April ebenfalls klinische Studien gestartet. Die Studienergebnisse sollen 2021präsentiert werden [20, 28, 44, 45].

Aufgrund der empirischen Daten behandeln auch 24 Krankhäuser im Staat New York ihre COVID-19-Patienten mit hohen Vitamin-C-Dosen [28].

Diskussion

Vitamin C ist wichtig für die Immunkompetenz und in der Behandlung des oxidativen Stresses. Wir leben in einer Welt mit zunehmender körperlicher und psychischer Belastung und schädlichen Umweltfaktoren wie beispielsweise Smog. Zusätzlich wird unser Risiko, mindestens zeitweise an einem Vitamin-C-Mangel zu leiden, durch unausgewogene Ernährungsgewohnheiten, Genussmittel, wie Alkohol und Zigaretten, und regelmässige Medikamenteneinnahme erhöht. Im Alter sind wir für eine Mangelernährung sowohl in Bezug auf Makro- wie auch auf Mikronährstoffe anfälliger. Das führt zu einem Mangel an immunkompetenten Mikronährstoffen und zu einer schlechten Abwehr gegen virale Atemwegserkrankungen. Das Risiko von Begleitkomplikationen, wie oxidative Membranschäden, ist erhöht.

Anderseits führt ein viraler Infekt zu einem massiv erhöhtem Vitamin-C-Bedarf [1, 4, 10, 19, 46,47,48].

Diese Gegebenheiten sollten uns dazu veranlassen, in dieser Pandemiezeit prophylaktisch täglich 100–200 mg Vitamin C zu supplementieren. Ältere und/oder komorbide Personen sollten über den Tag verteilt grammweise Vitamin C, bis zu 10 g/Tag, einnehmen. Weiter spricht der positive Synergismus von Ascorbinsäure und Bioflavonoiden für die Verabreichung von organischen Vitamin-C-Präparaten. Das ermöglicht eine gute, gastrointestinal verträglichere Prophylaxe mit kleineren Dosierungen [14, 15, 40].

Vitamin C wirkt, wie In-vivo-Studien nachgewiesen haben, auf mehrere pathophysiologische Prozesse einer viralen Infektion. Insbesondere der erhöhte oxidativen Stress, der Zytokinsturm und die erhöhte Thromboseneigung können reduziert werden [4, 17, 18].

Aufgrund dieser Fakten sollten virale Erkrankungen, wie COVID-19, mit einer Vitamin-C-(Hochdosis)therapie behandelt werden; entweder als Monotherapie oder in Kombination mit weiteren Wirkstoffen, wie z. B. Tocilizumab, das gezielt eine Andockstelle des IL-6-Rezeptors blockiert. In Kombination mit Hydrokortison und Thiamin wurden gute Resultate bei Sepsis dokumentiert [20, 33, 34, 37, 42, 49,50,51,52,53,54,55].

Zudem ist die Supplementierung von weiteren Mikronährstoffen sicherlich sinnvoll, da diese das Immunsystem ebenfalls unterstützen. Hierbei sind insbesondere Vitamin D, Vitamin A, Omega-3-Fettsäuren, Selen und Zink zu nennen [49, 56, 57].

Ausblick

Die aktuelle Literatur zeigt auf, dass Vitamin C eine nebenwirkungsarme und kostengünstige Alternative darstellt, deren antiinflammatorische und insbesondere antivirale Wirkung sowohl therapeutischen als auch prophylaktisch im Rahmen der COVID-19-Krise von grossem Interesse ist. Damit das volle Potenzial des Vitamin C in Zukunft noch breiter im Klinikalltag genutzt wird, sind sicherlich prospektive randomisierte Studien notwendig, wobei die IL-6-IL-10-Ratio oder das Verhältnis der Neutrophilen-Lymphozyten-Zahl (NLR) interessante Verlaufsparameter und Endpunkte darstellen könnten.

Tab. 1 Die Rolle des Vitamin C für das Immunsystem. (In Anlehnung an Anitra Carr und Silvia Maggini: „Vitamin C and immune function“ [4])