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TBS-TK Rezensionen

Freiburger Persönlichkeitsinventar

Published Online:https://doi.org/10.1026/0033-3042/a000096

Allgemeine Informationen über den Test, Beschreibung des Tests und seiner diagnostischen Zielsetzung

Das FPI-R zur Beschreibung interindividueller Persönlichkeitsunterschiede umfasst 138 Items, die sich zu zehn Standardskalen mit je 12 Items zusammensetzen: Lebenszufriedenheit, Soziale Orientierung, Leistungsorientierung, Gehemmtheit, Erregbarkeit, Aggressivität, Beanspruchung, Körperliche Beschwerden, Gesundheitssorgen und Offenheit sowie zwei Zusatzskalen Extraversion und Emotionalität mit je 14 Items. Das Verfahren zur Selbstbeurteilung kann ab 16 Jahren angewendet werden. Seine Bearbeitungszeit beträgt etwa 20 Minuten. Beim FPI-R handelt es sich um ein sorgfältig konstruiertes und 1999 zuletzt normiertes Persönlichkeitsinventar. Es stellt ein in Deutschland in Forschung und Praxis sehr häufig angewendetes Persönlichkeitsverfahren dar, das für verschiedene Aufgaben des Assessments entwickelt wurde mit einer Akzentuierung im Hinblick auf Anwendungen in den Bereichen Psychosomatik, Psychotherapie, Rehabilitation, chronische Erkrankungen und Gesundheitspsychologie.

Theoretische Grundlagen als Ausgangspunkt der Testkonstruktion

Das FPI-R ist ein faktorenanalytisch und itemmetrisch begründetes Verfahren. Es ist aus den theoretischen Interessen der Autoren an für ihren Forschungs- und Arbeitsbereich relevanten Persönlichkeitsmerkmalen entstanden und enthält neben den globalen Konstrukten Extraversion und Neurotizismus sensu Eysenck Skalen auf einer hierarchisch niedrigeren Ebene mit Implikationen für das soziale Zusammenleben, das subjektive Wohlbefinden oder das Zurechtkommen mit Anforderungen. Pragmatisches Ziel war die Entwicklung eines für verschiedene differenziell-psychologische Assessmentaufgaben geeigneten allgemeinen Beschreibungssystems. Die ausgewählten Konstrukte im FPI-R haben ihre theoretische Fundierung weder in einem Gesamtkonzept der Persönlichkeit, noch sollte eine minimale Zahl allgemeiner Dimensionen gefunden werden. Auch funktionale bzw. genetische Erklärungen für die gesamte Struktur und dynamische Regulation dieser Persönlichkeitskonstrukte werden nicht gegeben.

Objektivität

Als standardisierter Fragebogen mit eindeutigen Auswertungsregeln hat das FPI-R eine hohe Durchführungs- und Auswertungsobjektivität. Es bestehen auch verschiedene Möglichkeiten zur computerunterstützten Vorgabe und Auswertung mit gleicher Objektivität. Das Manual enthält ausführliche und genaue Vorgaben zur Testdurchführung, und es werden präzise Angaben zum Umgang mit fehlenden Werten gemacht. Zur Sicherung der Interpretationsobjektivität wird empfohlen, Testergebnisse bei geringer Ausprägung der Skala Offenheit vorsichtig oder nur nach Einholen von Zusatzinformationen über die Testmotivation des Probanden zu interpretieren und auch bei Verneinung oder Nicht-Beantwortung von Item 1 Vorsicht bei der Interpretation der Testergebnisse walten zu lassen. Ferner werden testmethodische Interpretationshilfen und ausführliche Beschreibungen für Personen mit hohen bzw. geringen Skalenausprägungen gegeben. Eine kurze Interpretation des Auswertungsbeispiels wäre hilfreich gewesen.

Normierung (Eichung)

Die erste bevölkerungsrepräsentative Normierung mit N = 2035 konnte sich 1982 nur auf die alten Bundesländer beziehen. Zur 7. Auflage wurde 1999 daher eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe von N = 3740 Einwohnern der alten und der neuen Bundesländer erhoben. Ein Vergleich der beiden großen Repräsentativerhebungen zeigte, dass die Struktur des FPI-R sowie testmethodische Statistiken, Reliabilitätskoeffizienten und sogar die Normwerte sehr gut reproduzierbar waren, so dass die Skalen des FPI-R und das Testformular unverändert blieben und eine erneute Normierung für die 8. Auflage nicht durchgeführt wurde. Das FPI-R ist das einzige deutsche Persönlichkeitsinventar mit einer Wiederholung der repräsentativen Normierung und dem Beleg zu vernachlässigender Veränderungen in einem 16-Jahres-Intervall. Die Rohwerte werden getrennt für die beiden Geschlechter und sieben Altersgruppen in Stanine-Werte (Grobnormen) transformiert.

Zuverlässigkeit (Reliabilität, Messgenauigkeit)

Die internen Konsistenzen der FPI-R-Skalen wurden auf der Grundlage der zweiten Repräsentativerhebung aus dem Jahre 1999 bestimmt und weisen Cronbachs Alpha-Werte zwischen .73 und .83 auf. Diese Koeffizienten sind für 12 bzw. 14 Items umfassende Skalen befriedigend und werden zur Messfehlerberechnung herangezogen. Die Höhe der Koeffizienten ist vor dem Hintergrund zu werten, dass die Testautoren bewusst eine gewisse Heterogenität der Item-Inhalte angestrebt haben, um die Kriteriumsvalidität des Tests zu gewährleisten. Im Hinblick auf den Standardmessfehler und die Vertrauensintervalle einzelner Testwerte wären längere Skalen wünschenswert, die kürzeren Skalen wurden aber aus testökonomischen Gründen präferiert. Stabilitätskoeffizienten der Testwerte wurden in der Repräsentativerhebung nicht bestimmt. Die Stabilität der FPI-R-Messwerte innerhalb eines Monats war an einer Gruppe von Kreislaufpatienten sowie in einer Latent-State-Trait-Analyse zum Situationseinfluss zufriedenstellend.

Gültigkeit (Validität)

Die interne Validität des FPI-R ist durch die Konvergenz von faktorenanalytischen und itemmetrischen Analysen sowie durch konfirmatorische Clusteranalysen gesichert. Die Konstruktvalidität wurde durch Zusammenhänge mit anderen Persönlichkeitsfragebogen belegt. Als guter Validitätsbeleg kann die Übereinstimmung um .45 zwischen Selbst- und Fremdeinstufungen gelten. Die Validität wurde auch über Mittelwertsunterschiede zwischen verschiedenen Gruppen und Daten aus ambulanten Assessments belegt. Als Kriteriumsvaliditätsnachweise werden zudem zahlreiche Korrelationen zwischen den FPI-R-Skalen und Daten aus den Normerhebungen (z.B. Gesundheitsangaben) berichtet. Da es sich hier jeweils um Selbstberichte handelt und auch keine a-priori Hypothesen formuliert wurden, sind dies jedoch eher schwache Kriteriumsvaliditätsbelege. Es bedarf weiterer gründlicher Untersuchungen, um die prädiktiven und prognostischen Validitätshinweise des FPI-R für wichtige weitere Anwendungsbereiche zu evaluieren.

Weitere Gütekriterien (Störanfälligkeit, Unverfälschbarkeit und Skalierung)

Die Antworten im FPI-R sind, wie bei jedem Persönlichkeitsfragebogen, verfälschbar bzw. von Antworttendenzen, Einstellungen und Sorgen um die Anonymität beeinflusst. Die Autoren diskutieren insbesondere die Methodenprobleme sozial erwünschten Antwortens und von Bejahungstendenzen. Letztere mögen im FPI-R insofern gravierender sein als in anderen Fragebogen, da auf die Ausbalancierung von Items zugunsten psychologischer und sprachlicher Stimmigkeit verzichtet wurde. Die FPI-R Skala Offenheit soll die Messung des Persönlichkeitsmerkmals im engeren Sinne erlauben und zugleich mögliche Verfälschungstendenzen indizieren, was in der etwas vagen Praxisempfehlung resultiert, Tests mit geringen Skalenwerten in Offenheit (Stanine 1–3) vorsichtig zu interpretieren. Gleiches gilt für die Verneinung von Item 1 (Testmotivation).

Methodische Fragen, etwa hinsichtlich des Skalenniveaus oder der Angemessenheit konventioneller versus item-response-theoretischer Konstruktionsmethoden werden diskutiert.

Abschlussbewertung/Empfehlung

Das FPI-R ist ein in Forschung und Anwendung weitverbreitetes, mehrdimensionales Persönlichkeitsverfahren. Die Differenzierung in zehn Persönlichkeitseigenschaften ist hypothetisch-deduktiv und empirisch-induktiv angelegt. Itemmetrische und faktorenanalytische Parameter wurden hierbei psychologisch abgewogen. Statistische Kennwerte wurden als Heuristiken genutzt und der psychologischen Konstruktoperationalisierung untergeordnet. Diesem Umstand ist die nur als befriedigend zu bezeichnende Reliabilität geschuldet, da eine hohe Konsistenz der Skalen mit einem mittleren Aggregationsniveau von Facetten und Subkonstrukten nicht vereinbar ist. Der angestrebten Unabhängigkeit der Standardskalen stehen z.T. substanzielle Interkorrelationen entgegen. Simultanfaktorisierungen der Standardskalen des FPI-R mit Verfahren zur Messung des Fünf-Faktoren Modells offenbaren eine gewisse Neurotizismuslastigkeit des Verfahrens. In Anbetracht der zweifelhaften Validität von Kontrollskalen in Fragebogen erscheint das Festhalten am Hybridkonzept der Offenheitsskala im FPI-R überdenkenswert. Wünschenswert wären weitere multimodalen Studien und Assessment-Studien im engeren Sinn, um beispielsweile die Güte von Kriterienvorhersagen und den Entscheidungsnutzen von FPI-Testwerten zu prüfen. Die Handanweisung ist in ihren theoretischen Methodenreflexionen etwas überlastig, was teilweise an den praktischen Bedürfnissen der Anwender vorbei geht. Der Test selbst ist seit 1984 unverändert, gleichwohl wurde das Manual kontinuierlich aktualisiert. Die Normierung liegt derzeit 12 Jahre zurück, was jedoch angesichts der geringen Effektstärken in den Normveränderungen von 1982 zu 1999 vertretbar erscheint. Trotz der angesprochenen Kritikpunkte kann das FPI-R insgesamt als Verfahren gelten, dass Forscher und Praktiker gleichermaßen überzeugt. Es ist zur fachgerechten und differenzierten Persönlichkeitsdiagnostik im anvisierten Konstruktbereich ausdrücklich zu empfehlen.

Diese Testrezension wurde im Auftrag des Diagnostik- und Testkuratoriums der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen (DGPs und BDP) gemäß den TBS-TK-Richtlinien (Testkuratorium, 2009, 2010) erstellt.

Testinformationen

Fahrenberg, J., Hampel, R. & Selg, H. (2010). FPI-R. Freiburger Persönlichkeitsinventar. 8. erweiterte Auflage. Göttingen: Hogrefe.

Bezugsquelle: Testzentrale Göttingen, Herbert-Quandt-Str. 4, 37081 Göttingen.

Test komplett bestehend aus: Manual, 20 Fragebogen, 20 Auswertungsbogen, Schablone und Box 112,00 €. Hogrefe Testsystem, PC-Version inkl. 50 lokale Durchführungen u. Manual, 850,00 €. 50 weitere lokale Durchführungen 70,00 €. Eine lokale Durchführung (Testing on Demand) 8,00 €. Eine Durchführung Web Edition 12,00 €. (Preise inkl. MWSt.)

Bitte zitieren Sie diesen Artikel wie folgt:

Rohrmann, S. & Spinath, F. M. (2011). TBS-TK Rezension: „FPI-R. Freiburger Persönlichkeitsinventar.” Psychologische Rundschau, 62, 268–270.