Warum fragen wir nicht direkt nach?
Eine Analyse zur subjektiven Zuschreibung des Migrationshintergrundes
Abstract
Zusammenfassung. Sowohl in der amtlichen Statistik als auch in der deutschsprachigen Migrationsforschung hat sich zur Erfassung möglicher Migrationseinflüsse der Begriff ‚Person mit Migrationshintergrundʻ etabliert. Dabei handelt es sich um eine kriterienorientierte Definition, die einer Ableitung und Zusammenführung von Angaben zur Staatsangehörigkeit, Geburtsland und Einbürgerung sowohl der betreffenden Personen als auch ihrer Eltern bedarf. Neben der Bestimmung des Migrationshintergrundes anhand amtlicher Statistik (Mikrozensus-Definition) wurde im Rahmen einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung (N = 2401) nach einer Selbstzuschreibung und der antizipierten Fremdzuschreibung des eigenen Migrationshintergrundes gefragt. Insgesamt 10.7 % der Befragten (N = 285) wiesen einen Migrationshintergrund (Erfassung laut Mikrozensus) auf. Etwa zwei Drittel (65.6 %) der Stichprobe mit Migrationshintergrund im Sinne des Mikrozensus’ gab an, sich nicht als Migrant_in bzw. Person mit Migrationshintergrund zu sehen. Etwas mehr als die Hälfte (55.5 %) der Befragten mit Migrationshintergrund geht davon aus, dass sie von anderen nicht als Migrant_in bzw. Person mit Migrationshintergrund bezeichnet wird. Im Ergebnis der durchgeführten Befragung wurde ein klarer Unterschied zwischen einer subjektiven Perspektive auf den eigenen Migrationshintergrund und der Mikrozensus-Definition festgestellt. Es ist daher wichtig und empfehlenswert in dieser Hinsicht stärker zu differenzieren, insbesondere in Forschungsfragen, die auf eine subjektive Perspektive des Einzelnen abzielen.
Abstract. In Germany, the term ”person with a migration background” has been established in the field of research and federal statistics to assess the potential influence of immigration-related factors. It is a criteria-based definition that requires the aggregation of information on the nationality, country of birth, and naturalization for both the subjects and their parents. In a representative population survey in Germany (N = 2,401), migration background using the official statistics definition and self-attribution as well as the anticipated attribution by others on one’s own migration background were assessed. A total of 10.7 % of the respondents (N = 285) had a migration background (according to the official statistics definition). About two thirds (65.6 %) of the sample with a migration background stated that they did not consider themselves as migrants or persons with a migration background. Slightly more than half (55.5 %) of respondents with a migration background believed that they are not seen as a migrant or person with migration background by others. On the basis of the survey, a clear discrepancy was found between a subjective perspective of one’s own migration background and the official statistics definition. Therefore, it is important and recommended to differentiate more in this regard, especially in research questions assessing the subjective perspective of the individual.
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