Deutsche Zeitschrift für Akupunktur 2002; 45(3): 203-204
DOI: 10.1055/s-2002-34956
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Karl F. Haug Verlag, in: MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Historische Wiederbeleibungsversuche

Eine Hommage an Heinrich SchippergesGanzheit und Ganzheitsmedizin (2)Historical Attempts at a Revival of BodyAn Homage to Heinrich SchippergesHolistics and Holistic Medicine (2)Helmut Milz
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Publication Date:
23 October 2002 (online)

Der Leib erlebt eine überraschende Renaissance in zeitgenössischen Touristikbroschüren und Werbeaktionen, aber auch im philosophischen Diskurs oder in Festansprachen wissenschaftlicher Kongresse. Als fleischlicher Behälter des Lebens oder als Partner der Seele erfreut er sich neuer Beliebtheit. Der Begriff Leib, welches scheinbar schon in Vergessenheit geratenen war, soll heute helfen wärmere, fühlbare Strömungen im Verhältnis Mensch - Natur wiederzubeleben. Er verspricht Besinnung und Auszeiten vom herrschenden kühl-sachlichen, nüchternen, distanzierten Körper-Geist-Weltbild moderner Naturwissenschaften. Vom ursprünglich umfassenden Sinn des „Leibes” bleibt dabei meist jedoch nur eine oberflächliche, fragmentierte, angenehme, zum Anfassen und Genießen einladende Hülse zeitgenössischer Sehnsüchte nach einem besseren Leben. Durch die Aktualisierung vergangener, „uralter” Lebenspraktiken sollen vordergründig Elemente der guten, alten Zeiten wieder gefunden werden.

Im Kontext dieser Zeitströmungen des Leibes erhält die, jetzt von Heinrich Schipperges vorgelegte historische Skizze „Leiblichkeit”, besondere Aktualität und Bedeutung. Sie ist ein spätes Vermächtnis seines immensen Schaffens. Schipperges, nach dem Krieg erst als „Facharzt für Nerven- und Gemütsleiden” und promovierter Philosoph ausgebildet, hat sich in den letzten Jahrzehnten einen internationalen Ruf als der deutsche Medizin- und Gesundheitshistoriker erworben. Er zeichnet sich durch seine ungewöhnliche Breite an Wissen und die Tiefe seiner Erfahrungen aus. Seine zahlreichen Monographien zur arabischen und mittelalterlichen Heilkunde, insbesondere zur Bedeutung Hildegard von Bingens und Paracelsus, so wie zum Leibbegriff bei F. Nietzsche haben weltweit Beachtung gefunden. Neben dem kürzlich verstorbenen H.-G. Gadamer ist Schipperges der wichtige Mahner eines umfassenden Anthropologie von Gesundheit, Leiden und Heilkunde.

Erst vor Jahresfrist eröffnete der rüstige, humorvolle Mitachziger vehement und leidenschaftlich, das alljährliche körper-psycho-therapeutische Seminar „Leib oder Leben” der Universität Graz. Entlang von Nietzsches „Leitfaden des Leibes” (siehe DZA 2/2002; Anm. d. Red.) verdeutlichte er die notwendige Revision der Ausschließlichkeit des naturwissenschaftlichen Körper- und Menschenbildes der Moderne. Diese hat er jetzt in einem sehr empfehlenswerten Buch erweitert und materialreich ausgeweitet.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Helmut Milz

Loitshauser Str. 10

D-83250 Marquartstein

Phone: 0 86 41-6 32 97

Fax: 0 86 41-6 12 71

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