Zentralbl Chir 2011; 136(05): 412-413
DOI: 10.1055/s-0031-1293141
Kommunikation konkret
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Empathie – 7 Sekunden für einen chronisch Kranken

Manfred Niedermeyer
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Publication Date:
18 October 2011 (online)

Eine Studie zeigt, dass die Unterhaltung mit einem chronisch Kranken durchschnittlich nur 7 Sekunden dauert. Dabei ist das Zuhören das A und O bei einem Gespräch mit dem Patienten. Es steigert die Zufriedenheit der Patienten und ermöglicht eine zielgerichtete Behandlung. Der folgende Artikel zeigt Ihnen, wie Sie ein besseres Arzt-Patienten-Gespräch führen können und beide Seiten davon profitieren.

Der Arzt-Beruf ist ein Sprech-Beruf. "Ein niedergelassener Arzt verbringt 60 bis 80 Prozent, ein Klinikarzt 40 bis 50 Prozent seiner täglichen Arbeitszeit im Gespräch mit seinen Patienten." [ 1 ]

Chirurgen reden – berufsbedingt – weniger mit ihren Patienten. Um so wichtiger werden damit die Vor- und Nachbereitungsgespräche. In der Kürze liegt die Würze. Für den Chirurgen bedeutet das: Er muss den Arzt-Patienten-Dialog in komprimierter Form führen. Ja: führen! Er ist dafür verantwortlich, dass der Dialog gelingt.

Hat der Chirurg die Systematik und Ziele des Dialoges klar vor Augen, so ist das hilfreich. Im Folgenden entwickeln wir diese Systematik; wenden uns der Empathie zu, die für den guten Dialog zwischen Arzt und Patienten von entscheidender Bedeutung ist.

Die medizinische Forschung widmet sich immer intensiver dem Arzt-Patienten-Dialog. In einer aktuellen Untersuchung wurden Patienten aus vier Ländern danach befragt, wie Konsultationen erfolgreicher sein können [ 2 ]. Das Ergebnis: "Within the medical consultation room, listening to patients, taking them seriously, and showing empathy have proven to be of universal value for people in these four countries. Therefore doctors should be trained to practice these behaviours and not mainly focusing on maximizing efficiency." [ 2 ].

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(©ccvision)

So banal dies auf den ersten Blick klingt, so wenig selbstverständlich wird die klinische Praxis diesen Patientenerwartungen gerecht. Vor allem beklagt wird die mangelnde ärztliche Bereitschaft oder Fähigkeit dem Patienten zu zuhören. "Während Ärzte im Allgemeinen medizinisch gut ausgebildet sind, mangelt es oft an ihrer Gesprächs- und psychosozialen Kompetenz. Untersuchungen in Deutschland und Österreich haben ergeben, dass beim Arztbesuch der einleitende Bericht des Patienten schon nach durchschnittlich 15 Sekunden durch Fragen des Arztes unterbrochen wird oder dieser in 50% der Fälle gleichzeitig kleine "Nebentätigkeiten" (Karteikarte, Computer etc.) ausführt. Dadurch können wesentliche Aspekte der Anamnese usw. unter den Tisch fallen oder das Vertrauen gestört werden. Bei chronischen Kranken dauert das "Gespräch" sogar durchschnittlich nur 7 Sekunden. In einem Wiener Feldversuch wurde getestet, ob der Arzt bzw. die Ärztin zunächst 1 Minute zuhören kann. Ist dies der Fall, steigt die spätere Zufriedenheit der Patienten signifikant an." [ 3 ].

Wer sich beim Erst-Interview Zeit nimmt, spart Zeit. Viele zusätzliche Kurzgespräche entfallen, die Behandlung wird gezielter, Umwege in Diagnose und Therapie werden weniger [ 1 ]. Empathie lohnt sich.

Ärztliche Empathie ist die Fähigkeit des Arztes:

  1. "to understand the patients situation, perspective and feelings;

  2. to communicate that understanding

  3. to act that understanding with the patient in a helpful (therapeutic) way”. [ 4 ]

Empathie ist mehr als "nur" Zuhören; mehr als "nur" Einfühlungsvermögen. Empathie bedeutet auch, das Eingefühlte zur Basis für alles Weitere machen. Empathie ist also nicht nur eine soziale und emotionale Einstellung, sondern auch eine rhetorische-intellektuelle Abstraktionsleistung. Indem wir "in die Mokassins" des Patienten schlüpfen und ihn entsprechend seiner intellektuellen Möglichkeiten und anhand seiner Krankheits- und Bedürfniswirklichkeit partnerschaftlich beraten und helfen.

Das ist schwer. Das verlangt unsere ganze Aufmerksamkeit. Deswegen ein paar Tipps ([ 2 ], [ Infobox ]).

Tipps für ein besseres Arzt-Patienten-Gespräch

Vor der Konsultation

  • Geben Sie Patienten die Möglichkeit zum Treffen, ohne vorher von einer Sekretärin oder Empfangsdame abgefangen zu werden

  • Bereiten Sie sich auf die Konsultation vor (Wer kommt? Medizinischer Hintergrund)

  • Regen Sie Ihre Patienten an, über die Frage nachzudenken:
    "Was erwarten Sie von Ihrem Arzt?" Mit dieser offenen Frage können Sie auch das Gespräch beginnen.

Während der Konsultation

  • Stellen Sie sich einen unbekannten Patienten vor. Vermitteln Sie dem Patienten das Gefühl, willkommen zu sein.

  • Blickkontakt halten und: Zuhören! Nicht unterbrechen. Lassen Sie den Patienten ausreden.

  • Seien Sie ehrlich, ohne grob zu sein.

  • Zeigen Sie keine Eile. Nehmen Sie sich Zeit.

  • Vermeiden Sie Störungen durch Computer und Telefon.

  • Vereinbaren Sie eine gemeinsame Agenda.

Nach der Konsultation

  • Geben Sie den Patienten immer die Test-Ergebnisse. Auch wenn sie OK sind.

  • Geben Sie ihm die Möglichkeit, per Email mit Ihnen in Kontakt zu treten.

  • Bieten Sie ihrem Patienten zusätzliche Möglichkeiten der Information an.

Abschließend eine kleine Empathie-Übung, die Sie überall machen können.

Suchen Sie sich möglichst unauffällig eine Person aus. Dies kann während einer Besprechung sein oder während Sie im Restaurant sitzen. Egal. Stellen Sie sich vor, Sie seien an der Stelle dieser Person. Nun stellen Sie sich vor: Was sehe ich? Was höre ich? Was will ich hören und sehen? Wie fühle ich mich?

Machen Sie das ganze ganz unauffällig. Die Person darf nicht merken, dass Sie gerade in sie "hineinschlüpfen". Versuchen Sie auch Dinge zu erkennen, die Sie nicht sehen können. Wie zum Beispiel "Wie viele Stück Zucker sind im Kaffee?", oder "Wie viele Strichmännchen hat der Assistenzarzt inzwischen gezeichnet?"

Natürlich können Sie diese Übung auch auf Ihre nächste Konsultation transferieren. Wechseln Sie die Perspektive; ganz bewusst. Beobachten Sie. Lassen Sie los. Lassen Sie den Patienten sprechen.

Menschen mit einem Sprechberuf müssen Zuhören können. Zuhören ist die Brücke zur Empathie. Ärztliche Empathie sollte geleitet sein von dem Grundsatz: "Jedes Mal, wenn ein Arzt einen Patienten sieht, sollte sich der Patient anschließend besser fühlen." [ 1 ]