Suchttherapie 2016; 17(03): 144
DOI: 10.1055/s-0036-1585479
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Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin e. V.

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Publication Date:
16 August 2016 (online)

Zahl der Drogentoten steigt im 3. Jahr in Folge

Bereits im zweiten Jahr in Folge ist die Zahl der durch Drogen verursachten Todesfälle in Deutschland angestiegen, so der Drogenbericht der Bundesregierung 2016 (http://www.drogenbeauftragte.de/fileadmin/dateien-dba/Presse/Pressemitteilungen/Pressemitteilungen_2016/Drogenbericht_2016_web.pdf) . Nach Angaben der Bundesregierung starben 2015 1 226 Menschen in Deutschland an den Folgen ihres Drogenkonsums. Damit steigt die Zahl der Drogentoten seit drei Jahren an und hat sich seit 2012 um 282 Todesfälle (29,8 %) erhöht. Bei den meisten Todesfällen lag ein Opioidkonsum zu Grunde. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Anstieg der Drogentoten infolge polyvalenter Vergiftungen durch Opioide/Opiate am höchsten. Nach Schätzungen des Reitox-Berichtes 2013 weisen in Deutschland ca. 55.000 bis 170.000 Menschen einen mindestens riskanten Konsum von Opioiden auf.

Diese Zahlen sind sicherlich Spiegelbild einer ungünstigen Entwicklung. Obwohl eine eindeutige Ursachenbeschreibung schwierig ist, sind dennoch eine Reihe von begleitenden Entwicklungen auffällig und besorgniserregend. Beispielsweise erwähnt der Substitutionsbericht des BFARM (2015) eine stagnierende Zahl von Patienten (2010: 77 400, 2015: 77 200), die sich in einer Substitutionsbehandlung befinden, während die Zahl der substituierenden Ärzte seit Jahren, wenn auch leicht, im Sinken ist (2010: 2710; 2015: 2613). Brennpunkte sind die Großstädte, in denen pro 100 000 Einwohner die höchste Zahl an Todesfällen zu verzeichnen ist (Stadtstaaten Berlin (4,4), Hamburg (3,3) und Bremen (2,9); Bundesdurchschnitt: 1,5), die absolut höchste Zahl an Toten traten aber in Bayern mit 314 Fällen (25,7 % der Gesamtzahl), gefolgt von Nordrheinwestfalen (182, 14,9 %). In Bayern ist allerdings auch bei 295 subsituierenden Ärzten die Zahl der gemeldeten Patienten (n = 7789) in der Relation zur Einwohnerzahl deutlich niedriger als z. B. in NRW (25 075 bei 740 Ärzten) und damit eher im Bereich des wesentlich kleineren Bundeslandes Hessen (n=7505, 224 Ärzte) (Bericht zum Substitutionsregister, BfArM 2016).

Parallel ist außerdem ein Anstieg der der Infektionsraten für HIV und Hepatitis-B-Fälle zu verzeichnen (Drogenbericht der Bundesregierung 2016), von denen vor allem die HIV Infektionen der I.V. Drogenkonsum an erster und für Hepatitis-B an dritter Stelle steht.

Kommentar

Insgesamt sind die Entwicklungen bei einer erhöhten Zahl von drogenassoziierten Toten in den letzten drei Jahren als ungünstig und als mögliches Alarmsignal anzusehen. Die aktuelle Versorgungssituation für die Betroffenen, insbesondere Opioid-Konsumenten, ist offenbar nicht optimal, sondern führt eher zu einer Fehl- oder sogar Mangelversorgung. Außerdem wird offenbar ein Teil der erkrankten oder rückfälligen Personen durch das Versorgungssystem nicht erreicht. Alle diese Faktoren könnten zu einer steigenden Zahl von Drogentoten beitragen. Versorgungspolitische (niederschwelliger Zugang zu evidenzbasierten Therapien wie medikamentengestützte Substitution) wie auch rechtliche Rahmenbedingen (BtMVV Vorschriften und geplante Veränderungen) sind daher besonders gründlich zu berücksichtigen, damit nächstes Jahr nicht im 4. Jahr in Folge die Zahl der Todesfälle ansteigt. Gute Versorgung von Opioid-Abhängigen rettet Leben!

Prof. Dr. med. Ulrich W. Preuss


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