Laryngorhinootologie 2017; 96(01): 8-9
DOI: 10.1055/s-0042-122401
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zum Tode von Claus Walter – Pionier der plastischen Gesichtschirurgie

Claus Walter
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Publication Date:
08 February 2017 (online)

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Claus Walter

10. März 1927–11. September 2016

Läßt man die Geschichte der Medizin des 20. Jahrhunderts Revue passieren, bekommt man den Eindruck, Claus Walter sei der akademische Ziehsohn von Jacques Joseph (1865–1934) gewesen, der Anfang des 19. Jahrhunderts in Berlin den Grundstein für die Plastische Gesichtschirugie legte. Claus Walter steht wie kein zweiter für die moderne Entwicklung dieses Fachgebietes im Nachkriegs-Deutschland. Ein begnadeter Chirurg, vortrefflicher Lehrer von höchster internationaler Reputation und dabei immer bescheiden, herzlich und zuvorkommend. 1977 gründete er zusammen mit Tony Bull aus London die „Joseph Society“, aus der die European Academy of Facial Plastic Surgery hervorging.1984 inaugurierte er gemeinsam mit Helmut Jung aus Koblenz das legendäre Wintermeeting der Joseph Society. Am 11. September 2016 ist er nach schwerer Krankheit verstorben.

Claus Walter wurde am 10. März 1927 in Gleiwitz im ehemaligen Oberschlesien geboren. Es scheint als sei ihm als Sohn eines bekannten Bauingenieurs das, was ihn später berühmt machte, bereits in die Wiege gelegt worden: die Gestaltung neuer Formen basierend auf einem präzisen räumlichen Vorstellungsvermögen. Im Frühjahr 1944 begann er in Breslau sein Medizinstudium, das er Ende 1945 nach dem Militärdienst bei der Marine und kurzer englischer Gefangenschaft in Würzburg fortsetzen konnte und dieses 1951 mit dem Staatsexamen und anschließender Promotion abschloß. Nach seinem Pflichtassistentenjahr in Essen, entschied sich der damals 24-jährige Claus Walter 1952 seine berufliche Ausbildung in den USA fortzuführen. Seine Ehefrau Herma konnte ihm 1953 nach Amerika folgen. Nach der Facharztausbildung an den Universitätskliniken in Ann Arbor, Michigan und Columbus, Ohio legte er 1955 die amerikanische Facharztprüfung im Gebiet Hals-Nasen-Ohrenheilkunde ab. Dass er während seiner Ausbildungszeit als erster Deutscher nach dem Krieg an den berühmten Rhinoplastik-Kursen am Mount Sinai Hospital in New York teilnehmen konnte, hatte ihn besonders geprägt und erfüllte ihn auch noch nach Jahrzehnten mit großer Dankbarkeit.

1956 kehrte Claus Walter nach Deutschland zurück und engagierte sich auch hier für die Plastische Chirurgie. Nach Zwischenstationen in Krefeld und Essen wurde er 1962 Chefarzt der Abteilung für HNO-Heilkunde, Plastische Gesichtschirurgie am Krankenhaus Huyssens-Stiftung in Essen, 1972 Chefarzt der Klinik für Plastische- und Wiederherstellungschirurgie und Hals-Nasen-Ohren Heilkunde an den Diakonie Krankenanstalten in Düsseldorf-Kaiserswerth. 1983 wechselte Claus Walter in die Klinik am Rosenberg, in Heiden (Schweiz) und eröffnete eine Praxis für Plastische Chirurgie, die er bis 2002 führte. Über Jahrzehnte war er darüberhinaus an vielen Kliniken Konsiliarius für schwierige plastisch-rekonstruktive Eingriffe unter anderem in Bonn, London, St. Antonio/Texas, Augsburg, München, Krefeld, Aachen, Rohrschach und Luzern.

Verglichen mit seiner klinischen Tätigkeit war Claus Walter akademisch nicht weniger aktiv. Seit 1966 übte er eine beratende Tätigkeit in der Plastisch-Chirurgischen Gesichtschirurgie an der HNO-Klinik der Universität Bonn aus und habilitierte sich dort 1973 bei Professor Becker. 1981 erfolgte die Anerkennung zum Facharzt für Chirurgie mit der Zusatzbezeichnung Plastische Chirurgie. In ungezählten Vorträgen, Publikationen und Operationskursen widmete er sich der Ausbildung junger Kollegen und führte neue Grundlagentechniken in die plastische Gesichtschirurgie ein. Composite graft-Techniken in der Nasenchirurgie, die Schnitt-Exzisions-Methode zur Ohrmuschelrekonstruktion oder der Septumlappen zur Revision von Tränenwegsstenosen sind nur einige Innovationen Walters, die im „plastischen Operationsrepertoire“ von heute nicht mehr wegzudenken sind. Die wichtigsten Techniken fasste er in seinem Buch „Plastisch-chirurgische Eingriffe im Kopf-Hals-Bereich“ zusammen, welches 1997 im Thieme Verlag erschien. Während seiner Kliniktätigkeit bildete er eine Vielzahl von Kollegen zum Facharzt aus und besaß aufgrund seines amerikanischen Diploms und seiner Gastprofessur in St. Antonio sogar die Genehmigung zur Weiterbildung amerikanischer Fachärzte im Gebiet der plastischen und rekonstruktiven Gesichts- und Halschirurgie.

Claus Walter suchte stets den interdisziplinären Austausch und war Ehrenmitglied diverser nationaler und internationaler Fachgesellschaften. 2012 wurde er in Rom vom International Board for Certification in Facial Plastic Surgery für sein herausragendes Lebenswerk geehrt und der Claus D. Walter Award ins Leben gerufen, der seitdem jährlich für besondere Leistungen im Bereich der Plastisch-rekonstruktiven Gesichtschirurgie vergeben wird.

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Wintermeeting 2007 zu Ehren des 80. Geburtstags von Claus Walter in Laax, Schweiz.

V.l.n.r.: Darko Perko, Claus Walter, Benoit Lengele, Ted Cook, Tony Bull, Werner Heppt

Mit Claus Walter verlieren wir einen Menschen, der die besondere Gabe hatte, Andere zu faszinieren. Noch heute empfindet der Autor es als großes Glück und Privileg ihn Mitte der 80er Jahre kennengelernt zu haben, zunächst als Lehrer, später als gemeinsamer Ausrichter der Wintermeetings und bis ins hohe Alter als väterlichen Freund. Claus begeisterte durch Humor, Offenheit, seinen schier unermeßlichen Erfahrungschatz und im Umgang mit Patienten durch seine große Fürsorge und Menschlichkeit. Ein Energiebündel voller Tatendrang, freundlich, pünktlich und zuverlässig wie eine Schweizer Uhr. Privat ein großer Kunstliebhaber, ambitionierter Skifahrer und Tennisspieler, den nur wenige während der Live-Übertragung eines Grand Slam Turniers stören durften. Zeitlebens widmete er sich liebevoll seiner Familie– er hinterläßt seine Ehefrau Herma, seine 2 Töchter Maureen und Patricia, 5 Enkel und 6 Großenkel und viele treue Freunde.

Während er seine sportlichen Aktivitäten in den letzten Jahren zunehmend einstellen mußte, konnte er seiner großen Leidenschaft, der Rhinoplastik, bis ins hohe Alter nachgehen. Mit nicht weniger als 88 Jahren führte er seine letzte Nasenkorrektur durch, in gewohnt schneller Manier, mit ruhiger Hand und hoher Präzision.

– Wir werden ihn immer vermissen.
Werner Johannes Heppt, Karlsruhe