Gesundheitswesen 2004; 66(2): 69-75
DOI: 10.1055/s-2004-812797
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Wahrnehmung rechtlicher präventiver Regelungen und Implikationen für ein übergreifendes Präventionsgesetz

Observance of Legal Preventive Measures and Implications for a Comprehensive Prevention LawU. Walter1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Abt. Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung
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Publication Date:
19 February 2004 (online)

Zusammenfassung

In Vorbereitung eines Präventionsgesetzes erfolgte eine Analyse zur Wahrnehmung und Umsetzung rechtlicher präventiver Regelungen in sieben Sozialgesetzbüchern sowie in den Bereichen Schule und ÖGD. Grundlage bildeten eine Literaturrecherche, Stellungnahmen ausgewählter Entscheidungsträger sowie leitfadengestützte Interviews. Die Ausfüllung der bestehenden Regelungen differiert je nach Tradition und Verständnis der Träger deutlich. In allen Bereichen lassen sich erhebliche Potenziale zur Stärkung und Optimierung der Prävention finden. Notwendig sind u. a. die Angleichung der Begriffsvielfalt und eine Auseinandersetzung zum Verständnis der Prävention, gezielte Kooperationen, Aufgabendefinitionen und -zuschreibungen sowie Regelungen zur Finanzierung. Sinnvoll sind eine Modifikation und Ergänzung einzelner Gesetzeswerke. Ein übergreifendes Präventionsgesetz böte zudem die Chance, die verstreuten Regelungen zusammenzubinden, Einrichtungen gezielt zu verzahnen und den Stellenwert von Prävention insgesamt zu erhöhen.

Abstract

The observance and realisation of a variety of prevention laws in different spheres was analysed to deal more extensively with the problem of a new comprehensive prevention law. The analysis was based on a study of the literature and on invited statements by experts, as well as on interviews conducted according to guidelines. The observance and implication of existing laws by statutory bodies differs noticeably according to prevailing traditions and individual interpretations of key concepts. In all the spheres we noticed a potential for supporting and optimising prevention. The mandatory next step would be to standardise the plethora of terms and to discuss the understanding of prevention. It is also imperative to realise on-target cooperation, to define the tasks to be accomplished, and to determime to whom they should be delegated. The financing procedure must also be determined. Modification and supplementation of existing laws would be meaningful in some cases. A new specific and comprehensive prevention law would increase the status of prevention in the German public health system and link up the involved institutions more effectively.

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2 Neben den Sozialgesetzbüchern sollten weitere rechtliche Regelungen zu Leistungen und zur Organisation wie z. B. zum Arbeitsschutz und zum gewerblichen Gesundheitsschutz (Mutterschutzgesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz, Arbeitsstättenrichtlinien) in die Überlegungen eines Präventionsgesetzes einbezogen werden.

3 Ein krasses Beispiel war der Einspruch der Bundesregierung gegen das Tabakwerbeverbot der EU bei gleichzeitiger Vereinbarung einer nationalen Antitabakkampagne im Koalitionsvertrag.

PD Dr. Ulla Walter

Medizinische Hochschule Hannover, Abt. Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung

30625 Hannover

Email: walter.ulla@mh-hannover.de

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