Psychiatr Prax 2007; 34(8): 409
DOI: 10.1055/s-2007-993278
Serie · Szene · Media Screen
Media Screen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Didaktischer Paradigmenwechsel

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Publication Date:
06 November 2007 (online)

 

"Lehrbuch der Psychopharmakologie" und "Benkert-Hippius" waren in den letzten zwei Jahrzehnten fast ein Synonym. Verschiedene andere (Kurz-)Lehrbücher bzw. Kompendien anderer Autoren gelangten, obwohl keineswegs schlecht gemacht, nie in den Rang dieses immer wieder aktualisierten und, dem Trend der Zeit folgend, kompakter, zweifarbig und tabellarischer gewordenen, Standardwerks. Die Revolution scheint nun von unten zu kommen. Das Buch von S. Stahl, das sich unter unseren Assistenzärzten per Mundpropaganda verbreitet, ist ziemlich bunt und wirkt beim Öffnen eher wie ein Katalog als wie ein Lehrbuch. Schon beim ersten Durchblättern fällt auf: Der literarische Wert dieses Buchs ist absolut erbärmlich, der didaktische dafür um so höher. Ungeachtet des relativ hohen Preises hat der Rezensent es deshalb sofort gekauft. Das Buch ist extrem einfach aufgebaut: 102 Substanzen, alphabetisch geordnet, keine Zusammenfassung zu Wirkstoffgruppen, keine Theoriekapitel. Der ganze Text ist mit Farben unterlegt und mit vielen, manchmal fast gar zu vielen Symbolen (neudeutsch: Icons) gekennzeichnet. Alle Informationen sind im geläufigen Powerpoint-Stil tabellarisch aufgelistet, von Indikationen über Wirkmechanismus, Wirkdauer, Kombinationen bis zu Nebenwirkungen, Dosierungen usw. Das klingt nicht besonders beeindruckend, vielleicht sogar abschreckend, als Nachschlagewerk imponiert das Buch aber schon auf den ersten Blick als enorm wertvoll. Das ist tatsächlich geballte und höchst übersichtlich aufbereitete Information, so eingängig, dass man sich eher beiläufig bewusst macht, dass das Ganze in englischer Sprache präsentiert ist. Da gibt es z.B. zu jeder Substanz den übersichtlichen (gelb unterlegten) Abschnitt "special popula„tions" mit Hinweisen für Niereninsuffizienz, Leberinsuffizienz, kardiale Vorschädigung, ältere Patienten, Kinder, Schwangerschaft und Stillzeit; unter dem Titel "the art of psychopharmacology" (grün) die Positionierung der Substanz im Gesamtangebot der Psychopharmakologie und schließlich noch die "pearls"-Bewertungen und Empfehlungen aufgrund der subjektiven Erfahrungen des Autors (wer wagt so etwas heute noch? Die Evidenz mit einschlägigen Literaturempfehlungen am Ende jedes Substanzkapitels ist natürlich trotzdem vorhanden). Man sagt es ungern, aber die Amerikaner (der Autor ist Professor für Psychi„atrie in San Diego, Kalifornien) scheinen didaktisch doch manchmal noch einen Schritt voraus zu sein. Von der Kunst, sehr komplexe und inhaltsreiche Informationen in formal reduktionistischem Stil verblüffend einfach darzulegen, bietet dieses Buch ein perfektes Beispiel (wie auch nicht wenige brillante Artikel in englischen Journals gerade durch die Einfachheit der Sprache bestechen). Auf den Stil von Buchrezensionen in dieser Zeitschrift wollen wir dies nicht übertragen, wenn die wesentliche Information sich auch kondensieren ließe in

umfassende Darstellung leichte Orientierung für den Leser mittels optischer Gestaltungsmittel klare, verständliche Gliederung empfehlenswert für jeden Psychiater als Nachschlagewerk.

Tilman Steinert, Weissenau

Email: tilman.steinert@zfp-weissenau.de

Stahl SM. Essential psychopharmacology: The prescribers guide. Cambridge University press 2005, revised and updated edition 2006, reprinted 2007. 605 Seiten, € 59,85. ISBN 978-0-521-68350-0

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