Neue Therapieoption für Typ-2-Diabetiker: effektiv, aber auch sicher?

Mit dem EndoBarrier ist nun eine Therapieoption für adipöse Typ-2-Diabetiker verfügbar, die minimalinvasiv und reversibel eingebracht werden kann. Große randomisierte Studien zur Sicherheit und Effektivität dieser neuen Methode fehlen allerdings. Und es gibt auch kritische Stimmen, wie man auf dem DDG-Kongress 2016 in Berlin vernehmen konnte. Ohne Medikamente und ohne Operation zur Gewichtsreduktion und Verbesserung der glykämischen Kontrolle, und das minimalinvasiv und komplett reversibel durchführbar – das neue Verfahren der endoskopischen biliodigestiven Diversion könnte sich als Therapieergänzung für ausgewählte adipöse Typ-2-Diabetiker etablieren. Doch aufgrund einer zu beobachteten erhöhten Rate an Leberabszessen nach Implantation des Devices wurde Kritik gegenüber der Methode laut. Wirkprinzip entspricht dem der Bypass-Operation Das Wirkprinzip hinter dem neuen Verfahren entspricht dem der Roux-en-Y-Bypass-Operation: Durch Platzierung eines 60 cm-langen, undurchlässigen Fluorpolymer-Schlauchs im Pylorus, mithilfe einer selbstexpandierbaren Nitinol-Verankerung, wird das Duodenum und das proximale Jejunum praktisch „ausgeschaltet“ und der Dünndarm mit unverdauter Nahrung exponiert. Dadurch lässt sich nicht nur ein deutlicher Gewichtsverlust, sondern auch – aufgrund zahlreicher hormoneller Veränderungen – eine Verbesserung des Glukosestoffwechsels erreichen. Als Device auf dem Markt verfügbar ist hierfür das EndoBarrier®-System der Firma GI Dynamics. Therapieoption für ausgewählte Typ-2-Diabetiker Dieser doppelte Effekt – also Blutzuckereinstellung und Gewichtsabnahme – veranlasste die DDG und die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in einer Stellungnahme, das System primär als Therapieoption für Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und einem BMI von 30 bis 45 kg/m2 anzusehen; unter der Vorrausetzung, dass die Patienten ihre Therapieziele in allen Phasen der medikamentösen Therapie bisher nicht erreicht haben. Erste Erfahrungen aus der Praxis Bis heute wurde das System weltweit mehr als 3.000 Mal eingesetzt. Über erste eigene Erfahrungen berichtete Dr. med. Katharina Laubner vom Universitätsklinikum in Freiburg auf dem DDG-Kongress in Berlin. Seit 2012 habe man den EndoBarrier in Freiburg inzwischen 64 Typ-2-Diabetikern implantiert, erzählte sie. Im Schnitt hat sich der HbA1c der behandelten Patienten zwölf Monate nach dem Eingriff von anfangs 7,8% auf 6,6% verringert. Die Insulinsensitivität, gemessen am HOMA-Score, sank von 12,4 auf 4,2. Der BMI verringerte sich von im Mittel 45,0 auf 39,8 kg/m². Und letztlich konnte die Insulindosis der Patienten in der Folge um bis zu 50% reduziert werden, berichtete Laubner. Zwei Metaanalysen bestätigen gute Effektivität Die Ergebnisse aus der täglichen Routine entsprechen denen von zwei bisher publizierten Metaanalysen. Auch hier habe der EndoBarrier eine gute Effektivität gezeigt, so Laubner. So sank der HbA1c in eine Analyse von 9 randomisierten kontrollierten Studien mit insgesamt 123 EndoBarrier-Implantationen nach 52 Wochen signifikant um im Mittel 1,5 Prozentpunkte. In einer anderen Analyse von drei randomisierten Studien wurde ein ‚Excess Weight Loss‘ von im Schnitt 35,5% nach 12 Monaten erreicht. „Diese Gewichtsabnahme entspricht in etwa der, die bei chirurgischen Verfahren erreicht wird“, sagte Laubner. Zudem habe man in kleineren Untersuchungen eine Verbesserung kardiovaskulärer Risikoparameter beobachtet, mit einer Reduktion des LDL-Cholesterins und der Triglyzeride und einer Steigerung der postprandialen GLP1-Sekretion. Gute Compliance der Patienten nötig Vorbehalten ist das Verfahren allerdings nur spezialisierten und geschulten Zentren, die eine interdisziplinäre Betreuung gewährleisten. Eine Vorrausetzung seitens der Patienten ist eine gute Compliance. Die Patienten müssten zwei Wochen lang flüssige und weiche Kost zu sich nehmen, damit die Verankerung des EndoBarrier in der Schleimhaut nicht gestört werde, erklärte Laubner. Ebenso dürften sie aufgrund der Obstruktionsgefahr keine stark faserhaltige Nahrung zu sich nehmen. Und ein langfristiger Erfolg lässt sich nur mit einer entsprechenden Lebensstiländerung der Patienten erreichen. Aber: Erhöhte Rate von Leberabszessen im Endo Trial Wie sieht es mit der Sicherheit des Systems aus? Komplikationen, die zum Entfernen des EndoBarriers geführt haben, seien u. a. gastrointestinale Blutungen (1,5%), Unverträglichkeiten (1,6%), Migration (1,6%) und Leberabszesse (0,9%), berichtete PD Dr. Erhard Siegel, Chefarzt am St. Josefskrankenhaus in Heidelberg. Die unerwartet hohe Rate an Leberabszessen in der US-amerikanischen EndoBarrier-Studie „ENDO Trial“ (bei 3,5% der 201 Typ-2-Diabetiker) habe dazu geführt, dass der Hersteller die Studie im Juli 2015 vorzeitig abgebrochen hat, wies der Gastroenterologe hin. Leberabszesse seien hier jedoch deutlich häufiger aufgetreten, als es in der Klinik beobachtet werde. Weitere Datenanalysen würden derzeit noch laufen und zeitnah der FDA übermittelt, so Siegel. Bisherige Datenlage ist dürftig Dass es bisher noch keine großen randomisierten Studien zur Sicherheit und Effektivität des EndoBarriers gibt, gibt auch Laubner zu denken. Langzeitdaten zum Gewichts- und HbA1c-Verlauf nach Explantation des Systems oder zur Bioverfügbarkeit von Medikamenten liegen nicht vor. Laubner hofft deshalb, dass sich die Datenlage bald verbessern wird und verweist in diesem Zusammenhang auf die noch für dieses Jahr erwartete erste Auswertung des nationalen EndoBarrier-Registers unter Leitung von Prof. Jochen Seufert und Prof. Jens Aberle. Dann, so hofft die Diabetologin, werde sich der EndoBarrier vielleicht als wertvolle Therapieergänzung für ausgewählte adipöse Typ-2-Diabetiker in erfahrenen Zentren etablieren können.

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