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16.05.2023 | Online-Artikel

Depression & soziale Medien: Mit diesen 3 Fakten sind Sie up to date

Je mehr Zeit Jugendliche und Erwachsene auf sozialen Medien verbringen, desto eher entwickeln sie depressive Symptome. Diesen Zusammenhang legen aktuelle Studien nahe. Wo Gefahren lauern und warum soziale Medien trotzdem eine Chance sein können.

Zusammenhang zwischen Nutzungsdauer und depressiven Symptomen

Je mehr Zeit Jugendliche und Erwachsene auf sozialen Medien verbringen, desto eher entwickeln sie depressive Symptome – diesen Zusammenhang legen verschiedene Studien nahe. Eine Kausalität konnte bis heute aber nicht eindeutig belegt werden [1-3]. Faktoren, die als schädlich für die psychische Gesundheit gewertet werden, sind u. a.

  • das Gefühl der sozialen Isolation, wenn man Ablehnung in sozialen Medien erfährt,
  • Einsamkeit, wenn virtuelle Kontakte die persönlichen zunehmend ersetzen und
  • Cybermobbing [4].

Der soziale Vergleich und sog. Filterblasen wurden in einer Langzeitstudie mit Jugendlichen als besonders kritisch eingestuft. Personen mit negativer Grundstimmung suchen eher nach Inhalten, die dieser Stimmung entsprechen. Durch entsprechende Algorithmen wird eine Filterblase geschaffen, in der ihnen schließlich immer mehr Inhalte dieser Art angeboten werden [2].

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Depressionen und deren Behandlung sind bei vielen Patienten nach wie vor mit Missverständnissen und Ängsten behaftet. Was wirklich dran ist und mit welchen Argumenten Sie diesen begegnen können, lesen Sie hier.

Gefährliche Filterblasen schon nach kurzer Zeit

Wie schnell man in diese Filterblasen geraten kann, zeigt ein Experiment von BR Data und PULS Reportage [5]. Datenjournalistinnen und -journalisten simulierten dafür das Verhalten von Personen, die sich für Depressionen, Selbstverletzung und Suizidgedanken auf TikTok interessierten. Durch die Hashtag-Suche und Videointeraktionen passte sich ihr persönlicher Feed nach etwa 150 Videos an – das entsprach einer Nutzungsdauer von rund 45 Minuten. Je länger sie mit diesen Inhalten weiter interagierten, desto mehr bestand ihr Feed aus solchen Videos [5].
Doch nicht nur die Inhalte können problematisch sein, auch die Bilder, die damit geschaffen werden: Denn teilweise werden psychische Erkrankungen ästhetisch dargestellt, als wären sie etwas Begehrenswertes [6]. Dieses Phänomen kann auch bei anderen psychischen Erkrankungen beobachtet werden, z. B. bei Essstörungen [7] und selbstverletzendem Verhalten [8].

Gefährliche und kuriose Social-Media-Trends

Essstörungen

Betroffene, die keine Heilung oder Therapie wollen, propagieren mit den Hashtags „Pro-Ana“ (Anorexia nervosa) und „Pro-Mia“ (Bulimia nervosa) Essstörungen als erstrebenswerten Lifestyle. Neben Fotos und Videos, die als Motivation für einen weiteren Gewichtsverlust dienen sollen, werden auf diesen Profilen z. B. auch Hungerwettbewerbe veranstaltet und Partnerinnen oder Partner zum gemeinsamen Hungern vermittelt. Teilweise werden die Inhalte auch mit Darstellungen aus den Bereichen Suizid und/oder Selbstverletzung kombiniert [7].

Selbstverletzendes Verhalten

Auch Selbstverletzungen werden in sozialen Medien teilweise als Symptom psychischer Probleme geleugnet und als normales Problemlösungsverhalten dargestellt. Tipps und Schilderungen zu Methoden und zur Wundversorgung werden ausgetauscht. Dies kann für Betroffene ein Trigger sein, sich erneut selbst zu verletzen. Dabei gibt es eine große Überschneidung mit Inhalten zu Suizid [8].

Challenges

Mutproben gab es auch schon zu „offline-Zeiten“ – heute sind sie auch auf sozialen Medien, v.a. Video-Plattformen, präsent. Teils sind sie harmlos, teils sind sie aber auch gefährlich, können Hemmschwellen herabsetzen und gesundheitsschädigendes Verhalten stimulieren. In Krisensituationen können solche Inhalte zu einer weiteren Destabilisierung führen [9].

Pseudo-Tourette

Videos von Menschen mit dem Tourette-Syndrom oder solchen, die behaupten daran zu leiden, haben in den vergangenen Jahren einen Hype erfahren. In Deutschland besonders populär ist der YouTube-Kanal „Gewitter im Kopf – Leben mit Tourette“. Seit etwa zwei Jahren werden vermehrt Patientinnen und Patienten mit Tourette-ähnlichen Symptomen vorstellig, die zuvor solche Videos gesehen haben. Mittlerweile ist sogar schon von einer Massenhysterie die Rede. Teilweise wird diesen Personen fälschlicherweise das Tourette-Syndrom attestiert, allerdings gibt es bedeutsame Unterschiede, z. B. beim Zeitpunkt oder der Ausprägung der Tics [10].

Aufklärung & Entstigmatisierung: Soziale Medien als Chance

Die Nutzung von sozialen Medien bietet im Kontext psychischer Erkrankungen aber auch Chancen [4]:

  • erleichterter Austausch und mehr Kontakte, gerade bei Problemen im sozialen Kontext,
  • Anonymität, was v. a. Personen mit stark stigmatisierten Leiden helfen kann,
  • Peer-Gruppen, die einem das Gefühl geben, nicht allein zu sein und über seine Erkrankung sprechen zu können und
  • Zugang zu Gesundheitsinformationen.

Aufklärung und Wissensvermittlung sowie der persönliche Kontakt mit Betroffenen bieten großes Potenzial in Sachen Entstigmatisierung. Doch online-Kanäle bergen hier auch Risiken: Die Deutsche Depressionsliga warnt vor Inhalten von Influencern, die die Erkrankung verharmlosen oder sogar als Werbemittel einsetzen. Vor diesen Inhalten sollte man sich fernhalten [11].

Aber wie erkennt man, welche Kanäle seriös sind und wo falsche Informationen vermittelt werden? Wenn soziale Medien ein Thema im Patientengespräch sind, kann es sinnvoll sein, auf diese Punkte hinzuweisen: Zunächst ist es sinnvoll, sich an die Kanäle der bekannten Organisationen zu halten. So sind z. B. die Deutsche Depressionsliga (@depressionsliga), die Deutsche Depressionshilfe (@stark_gegen_depression) oder die Robert Enke Stiftung (@enkestiftung) auf Instagram vertreten. Daneben gibt es Faktoren, die auf einen unseriösen Umgang mit dem Thema hindeuten [12]:

  • Heilversprechen sind ein absolutes No-Go. 
  • Verwässerung der Begrifflichkeiten: Es sollte deutlich werden, dass eine Depression eine schwere Erkrankung ist und nicht nur eine schlechte Phase. 
  • Umgang mit Sprache und Bildern: Die gewählten Worte sollten keine moralische Bewertung mit sich bringen, die Bilder durch zu konkrete Inhalte nicht eindimensional erscheinen.

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Literatur

[1] Primack BA et al. Am J Prev Med 2021;60(2):179-188.
[2] Boers E et al. JAMA Pediatr 2019;173(9):853-859.
[3] Perlis RH et al. JAMA Netw Open 2021;4(11):e2136113.
[4] Naslund JA et al. Journal of Technology in Behavioral Science 2020;5:245-257.
[5] Altmeier L et al. Sad TikTok: Der Algorithmus empfiehlt gefährliche Inhalte. BR24. Unter: https://www.br.de/nachrichten/netzwelt/sad-tiktok-der-algorithmus-empfiehlt-gefaehrliche-inhalte,T47ngFg (abgerufen am 05.12.2022).
[6] Haas S et al. Warum Depressionen auf Social Media eine so große Rolle spielen. BR24. Unter: https://www.br.de/nachrichten/netzwelt/warum-depressionen-auf-social-media-eine-so-grosse-rolle-spielen,T4BcsfC (abgerufen am 05.12.2022).
[7] Verherrlichung von Essstörungen. Klicksafe. Unter: https://www.klicksafe.de/verherrlichung-von-essstoerungen (abgerufen am 05.12.2022).
[8] Selbstverletzendes Verhalten. Klicksafe. Unter: https://www.klicksafe.de/verherrlichung-von-essstoerungen (abgerufen am 05.12.2022).
[9] Challenges. Riskante Mutproben im Internet. Klicksafe. Unter: https://www.klicksafe.de/verherrlichung-von-essstoerungen (abgerufen am 05.12.2022).
[10] Müller T. Neue Seuche: Pseudo-Tourette durch Social Media. Unter: https://www.springermedizin.de/tourette-syndrom/konversionsstoerung/neue-seuche--pseudo-tourette-durch-social-media/19694146 (abgerufen am 05.12.2022).
[11] Depression ist kein Marketinginstrument. Pressemitteilung Depressionsliga vom 10.11.2022. Unter: https://depressionsliga.de/presse-und-neuigkeiten/depression-ist-kein-marketinginstrument/ (abgerufen am 05.12.2022).
[12] Elsche H. So nutzt du Social Media, um über Psychotherapie aufzuklären. Unter: https://psylife.de/magazin/social-media-psychotherapie-aufklaerung#:~:text=Die%20sozialen%20Medien%20scheinen%20somit,jede%3An%20zug%C3%A4nglich%20und%20kosteng%C3%BCnstig (abgerufen am 05.12.2022).

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