Metastasiertes Melanom: "Eine Revolution deutet sich an!"

Seit kurzem besteht für einen Teil der Patienten mit malignem Melanom auch in der metastasierten Situation noch die Chance auf ein Langzeitüberleben. Die Prognose scheint sich mit jeder Generation neuer Substanzen zu verbessern – eine regelrechte Therapierevolution ist ins Rollen gekommen. Die entscheidende Wende für die Immuntherapie zur Behandlung des malignen Melanoms kam mit der Erkenntnis, dass die Immuntherapie weniger auf die Erzeugung neuer Immunantworten gegen das Melanom abzielen sollte, als vielmehr auf die Reaktivierung bereits vorhandener, aber durch die Tumorzellen abgestellter Immunantworten, erläuterte Stefan Grabbe, Mainz. Mit dem Antikörper Ipilimumab gegen den Checkpoint-Inhibitor CTLA-4 gelang das erste Mal eine solche Reaktivierung, die bei Patienten mit metastasiertem Melanom zu einem Langzeitüberleben bei etwa 20% der Patienten führte [1]. Im Gegensatz zur Chemotherapie ist das Ansprechen auf Ipilimumab allerdings verzögert, eine mindestens 3-monatige Induktionsphase ist einzukalkulieren. Dann können auch Hirnmetastasen ansprechen. Die individuellen Verläufe unter der Therapie sind sehr unterschiedlich. Der Preis für den ausgeprägten Therapieerfolg bei etwa jedem fünften Patienten wird mit einer Reihe von immunvermittelten Nebenwirkungen erkauft, die beispielsweise den Magen-Darm-Trakt, Leber, Haut, Nervensystem oder Endokrinum betreffen und entsprechende Erfahrung im Management erfordern. Umso wichtiger ist es, dass der Therapieeffekt auch tatsächlich dauerhaft ist, betonte Grabbe. Die gepoolten Daten von 1.861 in 12 klinischen Studien mit Ipilimumab behandelten Patienten scheinen dies zu bestätigen: Die 3-Jahres-Überlebensrate lag dort unabhängig von Dosierung, Behandlungsintervallen oder Therapielinie bei 22% und wies im weiteren Verlauf bis über 10 Jahre hinweg ein Plateau auf. Nicht nur letztes Mittel! Therapienaive Patienten sprachen in der Studie ebenso gut oder besser an wie vorbehandelte Patienten; dennoch sprach sich der Gemeinsame Bundesausschuss in seinem Beschluss gegen die Erstlinientherapie mit dem CTLA-4-Antikörper aus, nachdem das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) keinen Zusatznutzen dafür festgestellt hatte – eine Bewertung, die bei Grabbe Unverständnis hervorrief. Wichtig für die Entscheidung zur Therapie sei seiner Ansicht nach vor allem, dass die Patienten eine genügend lange Lebenserwartung hätten, um die mindestens 3-monatige Induktionstherapie bis zum Ansprechen überhaupt durchzuhalten und dann profitieren zu können. Bei Vorliegen einer BRAF-Mutation scheint die Reihenfolge Ipilimumab – BRAF-Inihibitor günstiger zu sein als die umgekehrte Reihenfolge. Sie ging in einer italienischen Studie mit einer medianen Überlebensrate von 14,5 vs. 9,9 Monate bei Therapiebeginn mit einem BRAF-Inhibitor einher ([3]). In der zukünftigen S3-Leitlinie zum Melanom, die derzeit aktualisiert wird, werden diese Ergebnisse bereits berücksichtigt, sagte Leitlinienautor Grabbe. Langzeitüberleben für mehr Patienten scheint möglich Ein weiteres an der Checkpoint-Blockade auf Seiten der Effektor-T-Zellen ansetzendes Therapieprinzip ist die Anti-PD1-Therapie. Der PD-Ligand 1 schaltet die tumorgerichteten T-Zellen ab und verhindert so die Attackierung der Tumorzellen. Mehrere Anti-PD1-Substanzen sind derzeit in der klinische Prüfung. Unter der Therapie mit Nivolumab zeigt sich derzeit laut Grabbe ein 3-Jahres-Überleben von Patienten mit metastasiertem Melanom von 41%, mit Pembrolizumab betrug das Gesamtüberleben nach 18 Monaten nach jüngst vorgestellten Ergebnissen 62% [4] – „das sind beeindruckende Ansprechens- und Überlebensraten“, sagte Grabbe, „dabei ist das Ansprechen zum Teil sehr rasch zu beobachten und sogar große Tumormassen, z.B. im Thorax, sprechen an.“ Die Kombination: viel Wirkung - viel Nebenwirkung Da CTLA-4- und PD1-Hemmung unterschiedliche Mechanismen zur Aufhebung der Checkpointblockade darstellen, liegt der Versuch einer Kombination nahe. Das Ansprechen und die Remissionsrate scheinen hoch: Fast die Hälfte der Patienten zeigte ein Jahr nach Beginn einer Therapie mit Nivolumab plus Ipilimumab eine Tumorreduktion von mehr als 80% und bei den meisten hielt das Ansprechen weiter an. Allerdings sind 53% der Patienten von Nebenwirkungen des Grads 3 und 4 betroffen [5]. „Die Kombinationstherapie scheint erhebliche Toxizität zu besitzen“, betonte Grabbe. Dennoch ist er der Meinung, man könne mit Fug und Recht sagen: „Eine Revolution deutet sich an.“ Vom Melanom zu Melanomen Eine andere Revolution sieht Reinhard Dummer, Zürich, aufgrund der Erkenntnisse des Human Genome Projects. Die Entschlüsselung des genetischen Codes des Menschen sollte eigentlich zur Verbesserung der klinischen Versorgung beitragen. Das ist bis heute nur bei wenigen Tumoren gelungen – zum Beispiel beim Melanom. Es zeigte sich, dass einige Mutationen bei Melanomen häufig vorkommen, aber mit unterschiedlichen klinischen Befunden hinsichtlich Sonnenexposition oder intraepithelialem Wachstumsmuster assoziiert sind [6]. „Wir sollten damit aufhören, von dem Melanom zu sprechen“, meinte Dummer, „wir sollten immer von Melanomen sprechen!“ Paradoxe Reaktion bei BRAF-Inhibitor möglich Tumorzellklone mit Mutationen können von den Onkogenen abhängig sein („oncogene addiction“), d.h. der Klon ist von der Aktivierung dieses einen Pathways abhängig, wie es bei der BRAF-Mutationen meist der Fall ist. Es gibt aber auch eine durch Onkogene angetriebene Seneszenz („oncogene driven senscence“). Das führt dazu, dass eine BRAF-Inhibition auch eine paradoxe Aktivierung induzieren kann. „Für den Einsatz gezielter Medikamente brauchen wir ein tiefes Verständnis der Tumorbiologie und der Rolle der jeweiligen Kinase in der gesamten Zelle“, mahnte Dummer daher. Verträgliche Kombination möglich Für ihn erklärt das auch, warum die Kombination des BRAF-Inhibitors Dabrafenib und des MEK-Inhibitors Trabetinib bei Vorliegen einer BRAFV600-Mutation in einer Phase-I/II-Studie nicht schlechter verträglich war als die Dabrafenib-Therapie alleine [7]. Möglicherweise wird hier die paradoxe Aktivierung des MAP-Kinase-Signalwegs durch Dabrafenib in gesunden Zellen durch die zweite Substanz attenuiert, in den Tumorzellen aber verstärkt sich der Effekt der zweifachen Hemmung des BRAF-MEK-Signalwegs. In dem Phase-II-Teil der Studie lag nach einer Zwischenauswertung das Gesamtüberleben bei BRAF- und MEK-Inhibitor-naiven Patienten mit metastasiertem Melanom nach 18 Monaten bei 63%, die mediane Rate des Gesamtüberlebens betrug 23,8 Monate, bei Dabrafenib-Monotherapie 20,2 Monate (Hazard Ratio [HR] = 0,73, p = 0,24, [8]). Erste Ergebnisse einer Phase-III-Studie zeigen inzwischen einen signifikanten Überlebensvorteil der Kombination gegenüber der Monotherapie zur Behandlung des metastasierten Melanoms mit BRAFV600-Mutation [9]. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 9 Monaten lag die HR für progressionsfreies Überleben (PFS) zugunsten der Kombination von Dabrafenib und Trabetinib bei 0,75 (95% Konfidenzintervall [KI] 0,57 – 0,99; p = 0,035), das mediane PFS betrug bei der Kombination 9,3 Monate und bei der Gabe von Dabrafenib plus Placebo 8,8 Monate (Abb. 3). Die Zwischenanalyse des Gesamtüberlebens ergab eine HR von 0,63 zugunsten der Kombination (95% KI 0,42 – 0,94; p = 0,023). Auch in dieser Studie war die Nebenwirkungsrate vergleichbar, wobei die Kombination etwas häufiger mit meist mildem bis mäßiggradigem Fieber einherging, die Dabrafenib-Monotherapie wesentlich häufiger zu Nebenwirkungen an der Haut führte. Mehr zum Kongress Kongressdossier „Dermatologische Fortbildungswoche“. Patienten in Studien einbringen! Für Dummer ist der Erfolg der Kombination bei BRAFV600-Mutation ein Beispiel dafür, wie man anhand der Tumorbiologie und der Kenntnisse von Mutationen und Resistenzentwicklungen gezielt Moleküle zur Prüfung in klinischen Studien auswählen kann. Um den Fortschritt bei der Behandlung des malignen Melanoms weiter voranzubringen, appellierte er an alle Dermatologen und Onkologen, auch weiterhin Patienten in Studien einzubringen. Literatur [1] Hodi FS et al. N Engl J Med 2010; 363: 711-23 [2] Schadendorf D et al. Eur J Cancer 2013; 49 (Suppl. 2) Abstract 24LBA [3] Ascierto PA et al. J Clin Oncol 2013; 11 (Suppl. ASCO 2013): Abstract 9035 [4] Ribas A et al. J Clin Oncol 2014; 32: (Suppl. ASCO 2014); Abstract. LBA9000 [5] Wolchok JD et al. J Clin Oncol 2013; 31 (Suppl. ASCO 2013): Abstract 9012 [6] Whiteman DC et al. Pigment Cell Melanoma Res 2011; 24: 879-97 [7] Flaherty KT et al. N Engl J Med 2012; 367: 1694-703. [8] Flaherty KT et al. J Clin Oncol 2014; 32 (Suppl. ASCO 2014): Abstract 9010 [9] Long DT et al. J Clin Oncol 2014; 32 (Suppl. ASCO 2014): Abstract 9011

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