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Erschienen in: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 8/2015

01.08.2015 | Leitthema

Digitale Spiegelbilder – Ethische Aspekte großer Datensammlungen

verfasst von: Dr. Elke Witt

Erschienen in: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz | Ausgabe 8/2015

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Zusammenfassung

Aus der Zunahme an Qualität und Quantität von gesundheitsbezogenen Daten, die in verschiedenen Kontexten gespeichert und ausgewertet werden, ergeben sich neue Herausforderungen für den Schutz des Rechts auf Privatsphäre. Um diese aufzuzeigen, werden zunächst die wesentlichen Arten der großen Datensammlungen mit Gesundheitsbezug kurz dargestellt und im Hinblick auf ihre aktuellen Anforderungen an den Datenschutz betrachtet. Es werden Risiken und Möglichkeiten der steigenden Transparenz und Verknüpfbarkeit von Gesundheitsdaten dargestellt, und abschließend wird die Frage aufgeworfen, welche zukünftigen Herausforderungen daraus für den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre erwachsen.
Fußnoten
1
Zur Unterscheidung von „born digital“ und „born analog“ data siehe [4], S. 18 ff.
 
2
Diese drei „v“ entsprechen der ursprünglichen Definition von Big Data durch Gartner:„Big data is high-volume, high-velocity and high-variety information assets that demand cost-effective, innovative forms of information processing for enhanced insight and decision making“ [5].
 
3
„Big Data wird analysiert, interpretiert, verknüpft und ergänzt und auf diese Weise zu Smart Data veredelt. Smart Data wiederum lässt sich für die Steuerung, Wartung und Verbesserung smarter Produkte und Dienstleistungen verwenden. Aus Smart Data lässt sich Wissen generieren, die Basis neuer Geschäftsmodelle. Big Data wird also zu Smart Data veredelt und in neuen, individuell kombinierbaren Smart Services monetisiert“ [6, S. 4].
 
4
Andere Herausforderungen werden wirtschaftlicher und sozialer Natur sein, siehe z. B. [7] für eine politische Standortbestimmung, oder [8] für eine populäre, kritische Betrachtung.
 
5
Für eine Übersicht über die Diskussionen zum Recht auf Privatsphäre siehe: [11].
 
6
Zur Minderung des Risikos eines Missbrauchs von Gesundheitsdaten wird, wo immer dies möglich ist, mit Daten gearbeitet, die nicht mehr einer bestimmten Person zuzuordnen, also anonymisiert oder pseudonymisiert sind. Dies geschieht auf Grundlage von § 3a des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG): „Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten und die Auswahl und Gestaltung von Datenverarbeitungssystemen sind an dem Ziel auszurichten, so wenig personenbezogene Daten wie möglich zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen. Insbesondere sind personenbezogene Daten zu anonymisieren oder zu pseudonymisieren, soweit dies nach dem Verwendungszweck möglich ist und keinen im Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck unverhältnismäßigen Aufwand erfordert.“ Als anonymisiert gelten nach § 3 Abs. 6 BDSG Daten, wenn sie „nicht mehr“ oder „nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden können.“ Unter einer Pseudonymisierung versteht man nach § 3 Abs. 6a BDSG das „Ersetzen des Namens und anderer Identifikationsmerkmale durch ein Kennzeichen zu dem Zweck, die Bestimmung des Betroffenen auszuschließen oder wesentlich zu erschweren.“ Während man bei einer Anonymisierung also davon ausgeht, dass eine Zuordnung der Daten zu einer bestimmten Person faktisch für niemanden mehr möglich sein sollte, gibt es bei der Pseudonymisierung noch die Möglichkeit, durch die Anwendung einer – in der Regel streng geschützten – Zuordnungsregel den Datensatz mit der Ausgangsperson zu verknüpfen. Dies erlaubt z. B. im Falle von medizinischen Studien die Rückmeldung unerwarteter Zufallsbefunde an die Probanden oder die Neukontaktierung eines Probanden, sollte eine Aktualisierung seiner Einwilligungserklärung für die weitere Nutzung seiner Proben und Daten notwendig werden. Zur ausführlichen Diskussion von Anonymisierung und Pseudonymisierung siehe [12], Kap. 4.2.4, S. 42 ff.
 
7
Für eine Übersicht siehe: [8].
 
8
Seltene Ausnahme sind Forschungsvorhaben, die unter Berufung auf die sog. „Forschungsklausel“ des BDSG Zugriff auf Daten erhalten. Diese sucht einen Ausgleich zwischen medizinischer Forschung im Sinne des öffentlichen Interesses an medizinischem Fortschritt und dem Recht eines Patienten bzw. Probanden auf informationelle Selbstbestimmung zu schaffen. Sie legt fest, dass dort, wo es nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist, den Patienten um eine Einwilligung zur Nutzung seiner Daten nachzusuchen oder den Personenbezug der Daten aufzulösen, unter der Bedingung, dass zugleich ein hoher gesellschaftlicher Nutzen aus der Durchführung Forschung erwartet werden kann, eine sog. „gesetzliche Verwendungserlaubnis“ nach § 13 Abs. 2 Nr. 6 und § 28 Abs. 6 Nr. 4 greifen kann. Diese Klausel ist allerdings mit hohen Hürden versehen, und auch hier ist der Schutz der Daten vor missbräuchlicher Verbreitung und Nutzung zu gewährleisten. Näheres siehe [12], Kap. 4.2, S. 36 ff.
 
9
Für eine ausführliche Darstellung siehe: [21].
 
10
Siehe hierzu: [12].
 
11
Siehe hierzu auch: [23].
 
12
Die Notwendigkeit der Entwicklung solcher Werkzeuge wurde auch von der Bundesregierung bereits erkannt: [24].
 
13
Siehe auch schon in: [25].
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Digitale Spiegelbilder – Ethische Aspekte großer Datensammlungen
verfasst von
Dr. Elke Witt
Publikationsdatum
01.08.2015
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz / Ausgabe 8/2015
Print ISSN: 1436-9990
Elektronische ISSN: 1437-1588
DOI
https://doi.org/10.1007/s00103-015-2187-5

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