Prüfungssimulation
Fallschilderung
Prüfungsfragen
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Welche Symptome deuten auf eine Ateminsuffizienz hin?
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Was versteht man unter einer Tachypnoe?
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Wie ist Ihr weiteres differenzialdiagnostisches Vorgehen?
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Welche Untersuchungen sind in der akuten Situation indiziert? Welche apparativen Untersuchungen können im Verlauf indiziert sein?
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Welche therapeutischen Sofortmaßnahmen ergreifen Sie?
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Welche medikamentösen Maßnahmen sind indiziert?
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Welche Selbsthilfemaßnahmen können dem Patienten und den Eltern vermittelt werden?
Antworten
Welche Symptome deuten auf eine Ateminsuffizienz hin?
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Atemwegsnotfälle gehören zu den häufigsten pädiatrischen Notfallsituationen und sind potenziell lebensbedrohlich.
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Im Kindesalter sind sie aufgrund der anatomischen Beschaffenheit der Atemwege und der erhöhten Anzahl an Atemwegsinfektionen meistens durch eine Obstruktion der Atemwege bedingt.
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Symptome, die auf eine Ateminsuffizienz hindeuten, sind in Tab. 1 genannt.
Symptom | Erklärung und Kommentar |
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Tachypnoe | Erhöhung der Atemfrequenz über den altersentsprechenden Normwert |
Dyspnoe | Einsatz der Atemhilfsmuskulatur mit interkostaler, sternaler und/oder subkostaler Einziehung; Nasenflügeln |
Schaukelatmung | Abdomen wölbt sich bei der Einatmung vor, gleichzeitig kommt es zu ausgedehnten thorakalen Einziehungen |
„Silent chest“ | Leises Atemgeräusch und geringe Thoraxexkursion sind Indikatoren eines deutlich reduzierten Atemzugsvolumens und deuten auf das Vorliegen einer bedrohlichen Ateminsuffizienz hin |
Sauerstoffsättigung | Oxygenierungsstörung: pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung bei Raumluft < 92 %. Kann eine Zielsättigung > 92 trotz Sauerstoffgabe nicht erreicht werden, liegt eine schwere Oxygenierungsstörung vor |
Was versteht man unter einer Tachypnoe?
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Bei einer erhöhten Atemfrequenz (AF) spricht man von einer Tachypnoe.
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Für Jugendliche und Erwachsene ist die Grenze > 20 Atemzüge/min in Ruhe.
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Für Säuglinge und Kleinkinder gelten altersentsprechende Normwerte: In der von der WHO vorgeschlagenen Definition spricht man von einer Tachypnoe bei einer Atemfrequenz > 60/min (Neugeborene); > 50/min (bei Säuglingen im Alter von 2 bis 12 Monaten) bzw. > 40/min bei Kindern im Alter > 12 Monaten [1].
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Fieber führt zu einer Erhöhung der Atemfrequenz. Bei Kindern bis zum Alter von 5 Jahren beobachtet man einen Anstieg der AF von durchschnittlich 5,7/min pro Anstieg der Körpertemperatur um 1 °C. Bei Säuglingen betrug der Anstieg der AF im Mittel 7,2/min [2].
Wie ist Ihr weiteres differenzialdiagnostisches Vorgehen?
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Das differenzialdiagnostische Vorgehen schließt im ersten Schritt spezifische Aspekte der Anamnese und der körperlichen Untersuchung ein (Abb. 1). Dabei kann die Art des pathologischen Atemgeräuschs ein richtungweisender Ausgangspunkt für das weitere Vorgehen sein.
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Ein inspiratorischer Stridor wird durch ein extrathorakal gelegenes Hindernis verursacht.
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Die funktionelle Grenze zwischen oberem und unterem Atemweg ist das Jugulum – dort, wo die Trachea in den knöchernen Thorax eintritt.
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Bei ausgeprägter oberer Atemwegsobstruktion kann es neben dem inspiratorischen auch zu einem biphasischen in- und exspiratorischen Stridor kommen.
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Der virale Krupp ist die häufigste Ursache für Atemnot mit inspiratorischem Stridor im Kindesalter. Charakteristisch sind der bellende Husten, Heiserkeit und nächtliches Auftreten der Symptome aus dem Schlaf heraus bei ansonsten gutem Allgemeinzustand.
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Eine akute Fremdkörperaspiration muss immer als Differenzialdiagnose einer akuten Atemnot in Erwägung gezogen werden.
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Nach initialer Symptomatik kann es zu einem beschwerdefreien Intervall kommen.
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Die Indikation zur weiterführenden Diagnostik (ggf. Röntgen, Bronchoskopie) muss großzügig gestellt werden.
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Die Symptome von Giemen und/oder eine verlängerte Exspiration sind für eine akute Obstruktion der intrathorakalen Atemwege charakteristisch.
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Hier stehen im Säuglingsalter die überwiegend durch das Respiratory-Syncytial-Virus (RSV) verursachte Bronchiolitis, im Kleinkindalter die obstruktive Bronchitis und bei Schulkindern und Jugendlichen der akute Asthmaanfall differenzialdiagnostisch an erster Stelle.
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Asthmaanfälle bei Kindern und Jugendlichen (die „September-Epidemie“) nehmen jährlich saisonal im Herbst aufgrund von kälterem Wetter, häufigen Virusinfektionen, Aeroallergenexposition und verminderter Medikamenteneinnahme zu [3].
Welche Untersuchungen sind in der akuten Situation indiziert? Welche apparativen Untersuchungen können im Verlauf indiziert sein?
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Der Schweregrad des Asthmaanfalls kann anhand von Symptomen, AF und -muster, Pulsoxymetrie und Blutdruck eingeschätzt werden (Tab. 2).
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Als minimal-invasive apparative Untersuchung ist die Pulsoxymetrie die erste diagnostische Maßnahme, die Hinweise auf eine bestehende Oxygenierungsstörung liefert.
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Gegebenenfalls wird eine Blutgasanalyse ergänzt.
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Bei klinischem Verdacht auf einen Pneumothorax muss eine Thoraxröntgenaufnahme angefertigt werden.
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Die Lungenfunktionsuntersuchung ist in der Situation eines akuten Asthmaanfalls nicht indiziert. Sie kann im Verlauf der Anschlussbehandlung im Abstand von einigen Wochen durchgeführt werden.
Asthmaanfall | Leicht bis mittelschwer | Schwer | Lebensbedrohlich |
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Symptome | Unfähigkeit, einen Satz ohne Pause zu Ende zu sprechen | Erschöpfung, Konfusion, Koma | |
Atemfrequenz | < 30/min | 2–5 Jahre: > 40/min | 2–5 Jahre: > 40/min |
5 Jahre: > 30/min | 5 Jahre: > 30/min | ||
Bradypnoe/Apnoe | |||
Atemmuster | Verlängertes Exspirium, Einziehungen, Nasenflügeln, Giemen und Brummen bei Exspiration | Zusätzlich ggf. fehlendes Atemgeräusch | |
Blutdruck | Normoton | Hypoton | |
Pulsoxymetrie | SpO2 ≥ 92 % | SpO2 < 92 %, ggf. Zyanose |
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Die einfachste Form der Lungenfunktionsprüfung ist die Spirometrie, mit der statische und dynamische Parameter analysiert werden können (Abb. 2).×
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Statische Parameter sind Werte, die unabhängig vom zeitlichen Verlauf der Messung sind, wie z. B. die forcierte Vitalkapazität (FVC). Die FVC gibt das Volumen an, das nach forcierter Inspiration maximal ausgeatmet werden kann.
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Dynamische Parameter sind abhängig vom zeitlichen Verlauf:
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Hierzu zählt die Einsekundenkapazität (FEV1; forciertes exspiratorisches Volumen in der ersten Sekunde), das Volumen, das in der ersten Sekunde der forcierten Exspiration nach maximaler Inspiration ausgeatmet werden kann. Ist die FEV1 erniedrigt, ist dies ein Hinweis auf eine Obstruktion der Atemweg.
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Des Weiteren können auf der Fluss-Volumen-Kurve diejenigen Flussgeschwindigkeiten abgelesen werden, die ein Proband nach der Exspiration eines bestimmten Volumenanteils erreicht, so z. B. der exspiratorische Fluss bei 75 % oder 50 % der exspirierten FVC, FEF75, FEF50 (forcierter exspiratorischer Fluss). Auch der exspiratorische Spitzenfluss („peak expiratory flow“, PEF), der die maximale forcierte Atemflussgeschwindigkeit der Ausatmung beschreibt, ist ein dynamischer Parameter der Spirometrie. Der Peak flow wird in der Fluss-Volumen-Kurven aufgetragen und sollte innerhalb der ersten 120 ms der Exspiration erreicht werden.Dieses Akzeptanzkriterium ist – wie die Spirometrie insgesamt – abhängig von der Mitarbeit und für viele jüngere Kinder nur nach entsprechender Anleitung und entsprechendem Training umsetzbar. Charakteristisch für das Asthma bronchiale ist eine reversible obstruktive Ventilationsstörung (verminderte FEV1, verminderte FEF50 und FEF75). Die Reversibilität der Obstruktion wird in der Lungenfunktion durch eine Zunahme der FEV1 um > 12 % vom Ausgangswert nach Inhalation eines β2-Sympathikomimetikums („short-acting beta2-agonist“, SABA) gezeigt.
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Welche therapeutischen Sofortmaßnahmen ergreifen Sie?
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Als erste therapeutischen Sofortmaßnahmen gelten die Oberkörperhochlagerung und die Sauerstoffgabe über eine Nasenbrille.
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Die Gabe von Sauerstoff in der Akutversorgung ist ein Grundpfeiler der Notfallmedizin. Sie ermöglicht eine rasche Behandlung hypoxischer Zustände unterschiedlicher Ätiologie. Durch ein erhöhtes Sauerstoffangebot in der Atemluft können in gewissem Umfang auch Defizite im Sauerstofftransport und der Sauerstoffverfügbarkeit auf zellulärer Ebene kompensiert werden.
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Die Anwendung der Sauerstofftherapie bei einem Asthmaanfall wird aufgrund von Empfehlungen aus nationalen und internationalen Leitlinien ausgesprochen; Daten aus klinischen Studien existieren nicht. Die Sauerstoffsättigung sollte im Zielbereich > 94 % liegen.
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Die Hypoxie wird an der pulsoxymetrisch bestimmten Sauerstoffsättigung (SpO2) festgemacht. Diese zeigt bei einer ausreichenden kapillären Perfusion den relativen Anteil oxygenierten arteriellen Blutes an, sie erlaubt jedoch nur in begrenztem Umfang Rückschlüsse über den tatsächlichen Gehalt an Sauerstoff im Blut. Werte im oberen Normbereich und darüber können nicht im Hinblick auf den Sauerstoffpartialdruck interpretiert werden. Bessert sich unter der Sauerstofftherapie die respiratorische Insuffizienz nicht, kann die Atemunterstützung mithilfe von z. B. der High-Flow-Therapie und nichtinvasiver bzw. invasiver Beatmung eskaliert werden.
Welche medikamentösen Maßnahmen sind indiziert?
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Die wichtigste medikamentöse Erstmaßnahme ist die inhalative Applikation von β2-Sympathomimetika (SABA). Zur Wahl der Inhalationsform und zur Dosierung: Tab. 3.
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Der Therapieeffekt sollte anhand klinischer Parameter (Atemmuster, Auskultationsbefund) und der Sauerstoffsättigung evaluiert werden.
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Der Therapiealgorithmus ist in Abb. 3 dargestellt. Etwa 10–20 min nach der Inhalation sollte die Sauerstoffsättigung > 95 % betragen. Bei Nichtansprechen wird die Salbutamolinhalation wiederholt, kontinuierlich verabreicht oder durch die Zugabe eines Parasympathikolytikums (Ipratropiumbromid) ergänzt.×
Inhalationsform | Einsatz bei akuter Atemnot | Dosierungsvorschlag |
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Feuchtinhalation | Ja | 10–20 Trpf. Salbutamolkonzentrat (1 ml = 5 mg) in 2 ml 0,9 %iger NaCl-Lösung |
Dosieraerosol | Nein | Entfällt |
Dosieraerosol mit Vorschaltkammer | Ja | 2 bis 4 Hübe eines Dosieraerosols, z. B. Salbutamol 0,1 mg |
Pulverinhalation | Nein | Entfällt |
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Die zweite Maßnahme besteht in der Gabe von Glukokortikoiden. Die i.v.- oder orale Gabe (2 mg/kgKG i.v./p.o.) ist aufgrund der besseren Resorption einer rektalen Gabe vorzuziehen.
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Wenn kein Effekt von Glukokortikoiden und β‑Sympathomimetika beobachtet wird, kann unter stationären Bedingungen eine i.v.-Magnesium-Gabe erfolgen (Dosis 40 mg/kgKG, maximal 2 g i.v. über 40 min). Die Wirksamkeit dieser Maßnahme ist bei Erwachsenen durch große Studien, bei Kindern und Jugendlichen durch 3 randomisierte kontrollierte Arbeiten mit insgesamt 118 Teilnehmer:Innen belegt: Es wird eine Reduktion der stationären Aufnahmen um 68 % beschrieben („odds ratio“ [OR] 0,32; 95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,14–0,74, [6]).
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Im Einzelfall kann die i.v.-Therapie mit β2-Sympathikomimetika und/oder Theophyllin im Rahmen einer intensivmedizinischen Überwachung eine zusätzliche Maßnahme sein.
Initiale Präsentation mit einem lebensbedrohlichen Anfall |
Anhaltende Hypoxämie trotz ausgeschöpfter Therapie |
Respiratorische Erschöpfung/drohender Intubationsbedarf |
Bewusstseinsstörung/Konfusion |
Koma oder Atemstillstand |
Hyperkapnie trotz ausgeschöpfter Therapie |
Initial schwere Symptomatik bei einem Kleinkind |
Welche Selbsthilfemaßnahmen können dem Patienten und den Eltern vermittelt werden?
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Ein Asthmaanfall kann bereits im häuslichen und im privaten Umfeld mit entsprechenden Maßnahmen behandelt werden, wenn die Patienten und deren Angehörige eine Schulung erhalten haben.
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Dabei kann ein strukturierter „Asthma-Aktionsplan“ hilfreich sein. Folgende Elemente sind wichtig:1.Der Patient/die Patientin kann Warnsymptome einschätzen (Selbsteinschätzung des Schweregrads, z. B. Atmung, Sprache, Peak-flow-Messung).2.Die Bedarfstherapie kann angewendet werden.3.Der Patient/die Patientin kennt die atmungserleichternde Körperhaltung und dosierte Lippenbremse.4.Wenn diese Maßnahmen unwirksam sind, kann der Patient/die Patientin die Bedarfstherapie wiederholen, frühzeitig und, soweit vorhanden, orale Steroide anwenden und den Arzt oder die Notaufnahme aufsuchen.
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Beim Entlassmanagement einer Patientin/eines Patienten nach einem Asthmaanfall ist eine ambulante Nachsorge indiziert. Gleichzeitig sollte eine Basisschulung mit Aushändigung eines „Asthma-Aktionsplans“ erfolgen.