Anti-Diabetes-Bakterien und eine Impfung gegen Insulinresistenz

Der Zusammenhang zwischen ungünstiger Darmflora und Typ-2-Diabetes ist ein heißes Forschungsthema, denn hier könnte eine Kausalität vorliegen. Forscher nähern sich einer potenziellen Intervention auf verschiedene Weise, wobei verkapselte Probiotika und eine antibakterielle Impfung besonders interessante Kandidaten sind. Unsere Lebensgewohnheiten beeinflussen unseren Stoffwechsel. In den vergangenen Jahren mehren sich die Hinweise, dass ein Teil dieses Einflusses über die Darmmikroorganismen ausgeübt wird. Eine Ernährungsumstellung kann die Zusammensetzung der Organismen (intestinale Mikrobiota) innerhalb von 24 h zum Positiven verändern. Aber wer hält schon gern Diät? Als Alternative werden bereits eine Reihe von Hilfsmitteln eingesetzt, meist oral und relativ unspezifisch. Der Verzehr von Probiotika etwa hat aber den Nachteil, dass viele der nützlichen lebenden Bakterien darin die Magenpassage nicht überstehen. Eine andere Möglichkeit lebende Bakterien einzubringen ist die Fäkaltransplantation. Hierbei werden aufgeschwemmte Fäzes eines darmgesunden Spenders in den Empfängerdarm eingebracht. Diese Methode, die bereits im 4. Jahrhundert vor Christus in der Chinesischen Medizin gegen Lebensmittelvergiftung und Durchfall angewandt wurde, ist aber – zugegeben – auch per Katheter nicht sehr appetitlich. Dennoch entdeckte man sie wieder, etwa gegen Diarrhö bei einer Überwucherung des Darms mit Clostridium difficile, wo der Nutzen bereits in randomisierten kontrollierten Studien belegt ist. Auch bei anderen Erkrankungen wie chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und multipler Sklerose gab es erste Erfolge. Insgesamt seien seit 1958 mindestens 4500 Patienten fäkaltransplantiert worden, zitierte Prof. Max Nieuwdorp, Endokrinologe am Institut für molekulare und klinische Medizin der Universität Göteborg, aus seiner wissenschaftlichen Arbeit. Bisher habe es im Langzeitverlauf keine Nebeneffekte gegeben. Es lohnt sich also, diesen Ansatz weiter zu verfolgen. Und die Forschung widmet sich auch intensiv möglichen Therapieansätzen für Diabetes Typ 2 in diesem Bereich. Denn: „Es gibt keine andere Erkrankung als Diabetes Typ 2, bei der eine so starke Evidenz dafür vorliegt, dass die Darmmikrobiota an ihrer Entstehung beteiligt ist“, wie Nieuwdorp in Wien sagte. Fäkaltransplantation gegen Typ-2-Diabetes? Dass man schlanken keimfreien Mäusen mit den Fäzes adipöser Mäuse innerhalb von 14 Tagen zu 20% mehr viszeralem Fett verhelfen kann, als wenn sie Fäzes schlanker Mäuse erhalten hätten, sei bereits 2006 belegt worden, so Nieuwdorp beim EASD-Kongress (Turnbaugh, Nature 2006); und dass viszerales Fett das metabolische Syndrom begünstigt ist bekannt. Aber kann das auch umgekehrt funktionieren? Offenbar ja, denn es gelang, die periphere Insulinresistenz von sonst unbehandelten Menschen mit metabolischem Syndrom oder Prädiabetes mithilfe einer Fäkaltransplantation schlanker Spender signifikant zu verbessern. So geschehen in einer Studie von Dr. Anne Vrieze et al. (Gastroenterology 2012;143, 4, 913–6). Erkennbar war, dass die mikrobielle Vielfalt bei den erfolgreich Transplantierten deutlich zunahm, vor allem im Hinblick auf Bakterien, die Butyrat (Buttersäure) produzieren, sagte Nieuwdorp. Butyrat wirkt auf verschiedene Weise vorteilhaft auf das Darmepitel, ernährt es und fördert die Darmperistaltik. Dabei sei die Vielfalt der Bakterien im Dünndarm besonders wichtig, weil hier die meisten Nährstoffe resorbiert werden. Den besten Effekt hatte man mit Fäkal-Spendern, die viel Eubacterium hallii in den Dünndarm des Empfängers einbrachten. Das anaerobe grampositive butyratproduzierende Firmicutes-Bakterium verbessert im Mausmodell dosisabhängig die Insulinsensitivität (Udayappan/Manneras, submitted), siedelt sich in Dünn- und Dickdarm an und ist bei Gefahr im Verzug mithilfe von Vancomycin als Antidot eradizierbar. Nach Meinung von Nieuwdorp wäre daher die orale Therapie von speziell verkapselten E.-hallii-Linien in Reinkultur als Probiotikum ein guter Ansatz, „der zudem effektiver und ästhetischer ist als die herkömmliche Stuhltransplantation.“ Der Nutzen wurde in einer Maus-Folgestudie bestätigt und die Erkenntnisse wurden weiter ausgebaut (Udayappan/Manneras, submitted). Ein Teil der Tiere erhielt täglich lebende E. hallii, der andere hitzeinaktivierte. Als Zeichen, dass die Tiere gesund waren, verloren sie in den 4 Studienwochen kein Gewicht und fraßen auch nicht wesentlich anders als jene, die das inaktivierte Bakterium erhalten hatten, berichtete Nieuwdorp. Aber offenbar beeinflusste die Intervention die Zahl anderer nützlicher Darm-Bakterien-Stämme und, ganz wichtig, der Ruheenergieumsatz der E.-hallii-Mäuse nahm gegenüber der Kontrollgruppe zu, was wiederum bereits nach 4 Wochen die periphere Insulinsensitivität grenzwertig zur Signifikanz erhöhte. Ein weiterer potenzieller Ansatz: Impfung Eine Art Impfung gegen Bakterienantigene, die aus dem Darm ins Blut und das viszerale Fettgewebe vordringen, scheint ein weiterer spannender Ansatz zu sein. Bekanntlich spielt das viszerale Fettgewebe eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Insulinresistenz. Eine Ursache könnte laut Nieuwdorp die bei Typ-2-Diabetikern verstärkte Induktion der auch bei gesunden Personen vorhandenen postprandialen Endotoxinämie nach fettem Essen sein, die mit dem physiologischen Anstieg der Plasmatriglyzeride parallel geht (Harte AL et al. Diabetes Care 2012;35(2):375–82). „Sie öffnen quasi ihren Darm, um die Nährstoffe des Essens ins Blut zu lassen, und parallel dazu kommen auch gramnegative Bakterien und deren Endotoxine mit“, so der Wissenschaftler. Auch an adipösen Mäusen mit Hochfettdiät konnte nachgewiesen werden, dass sie mehr dieser Bakterien-Bausteine im Blut und im viszeralen Fettgewebe haben als schlanke Mäuse. Nieuwdorp: „Die Bakterien wandern durch die Darmwand ins Fettgewebe und erzeugen da Entzündungen.“ Die Frage nach der Art dieser Bakterien veranlasste die Forscher zu einer Studienreihe (Udayappan/Kovatcheva, submitted). Zunächst wurde von adipösen Patienten, die für eine laparoskopische Gallenblasenentfernung anstanden, anthropometrische Daten und Blutproben gesammelt. Während der OP entnahm man unter sterilen Bedingungen Fettgewebsproben mesenterial, omental und subkutan. Nur im mesenterialen Fettgewebe fanden sich Bakterien der Spezies Ralstonia. Diese sind gramnegative Proteobakterien, die bei immunsupprimierten Patienten pathogen sind und Hospitalinfektionen hervorrufen können. Vor allem die Menge an Ralstonia pickettii im mesenterialen Fettgewebe korrellierte sehr gut mit der in den Fäzes der Patienten und auch mit deren Plasma-CRP als Zeichen der Entzündung, sagte Nieuwdorp. Besonders interessant: Die Konzentration von R. picketti korrelierte auch mit der Plasmakonzentration von Adiponektin. Dies könne ein Ausdruck des geschädigten Fettgewebes sein, das bei Entzündung weniger Adiponektin produziere. Niedrige Adiponektinspiegel fördern bekanntlich die Insulinresistenz. In einer weiteren Analyse einer Kohorte von 134 adipösen postmenopausalen Frauen (Karlsson FH et al. Nature 2013;498(7452):99–103), davon 47 Typ-2-Diabetikerinnen, 30 mit eingeschränkter Glukosetoleranz und 42 normoglykämisch, untersuchten Udayappan und Kovatcheva (submitted) die Ralstonia-Dichte in den Fäzes. Es fand sich in den Gruppen mit einer Zuckerstoffwechselstörung eine etwa doppelt so hohe Dichte wie bei den gesunden Frauen. Die Ralstonia-Dichte war also signifikant mit der Entwicklung des Typ-2-Diabetes bzw. des pathologischen oGTT assoziiert. Und auch die erniedrigten Adiponektinwerte im Plasma fanden sich bei diesen Frauen. Damit sei klar, dass Ralstonia mit der Entwicklung der Insulinresistenz in Verbindung steht, so Nieuwdorp. Der nächste Schritt sah dann so aus: Fütterte man adipöse Mäuse nun Wochen lang täglich mit Ralstonia pickettii aus Stuhlproben, nahmen sie mehr zu als ihre Artgenossen mit Placebo, hatten eine signifikant höhere Insulinresistenz und eine gesteigerte Abwehraktivität gegen Erregerantigene im viszeralen Fettgewebe, denn ihre Toll-like-Rezeptoren waren erhöht (Udayappan/Kovatcheva, submitted). Es folgte die Frage: Wäre es möglich, den Organismus mithilfe einer Impfung gegen R. pickettii zu wappnen? Auch hier gibt es bereits Erkenntnisse. Die Forscher vakzinierten nämlich nämlich Mäuse 2 Wochen lang mit hitzedeaktivierten R. pickettii und fütterten sie dann mit diesen Bakterien – lebenden oder inaktivierten. Ergebnis: War die Insulinresistenzsteigerung mit den inaktivierten Bakterien schon signifikant geringer als mit den lebenden, war sie nach der Impfung trotz lebender Bakterien noch mehr vermindert. Die Impfung bot also Schutz. Die weiteren Forschungsvorhaben zielen nun darauf, E. hallii als Probiotikum am Menschen zu prüfen. Eine derartige Interventionsstudie soll noch im Jahr 2014 starten. Und auch der Impfansatz mit Ralstonia wird weiter verfolgt. Mehr zum Thema Weitere Beiträge finden Sie im Themenschwerpunkt Diabetologie. Weitere Berichte vom Kongress finden Sie in unserem EASD-Kongress-Dossier. Berichte von der EASD-Jahrestagung 2013 finden Sie hier.

Live-Webinar "Chronische Unterbauch- und Viszeralschmerzen in der Praxis managen"

Springer Medizin