Skip to main content
Andrologie
Info
Publiziert am: 16.07.2022

Androgenetische Alopezie des Mannes

Verfasst von: Dorothée Nashan und Eberhard Nieschlag
Ein erstes Zurückweichen der Stirn-Haar-Grenze wird mehrheitlich von den Betroffenen misstrauisch beäugt. Die androgenetische Alopezie wird weiterhin als ein Alterungszeichen interpretiert und belastet vielfach durch eine psychosoziale Stigmatisierung.
Die Aufgabe des behandelnden Arztes ist es, neben einer differenzierten Anamnese und differenzialdiagnostisch orientierten Befunderhebung, die therapeutischen Optionen mit den jeweiligen Für und Wider darzulegen. Patientenwunsch und Zielsetzung sind abzustimmen. Neue pathophysiologische Denkansätze und ein besseres Verständnis von Sexualhormonen, assoziierten Signalkaskaden und Haarzyklus bilden eine mögliche Grundlage für therapeutische Entwicklungen.

Epidemiologie

Die androgenetische Alopezie (AGA) ist die häufigste Form der Alopezie. Etwa jeder zweite Mann kaukasischer Herkunft ist im Laufe seines Lebens von einer Alopezie betroffen. Alters-bezogen findet sich eine steigende Frequenz. Ab dem 30. Lebensjahr steigt der Anteil in 10 Jahresdekaden um jeweils 10 %, d. h. ca. 70 % der 70-Jährigen sind von einer AGA, wenn auch in unterschiedlichem Maße, betroffen (Rinaldi et al. 2016; Kelly et al. 2016). In Bevölkerungen anderer ethnischer Herkunft wie Asiaten und Afrikaner ist die Prävalenz deutlich geringer.
Die biologische Signalfunktion von Schönheit, Jugendlichkeit, Vitalität hat bei auch zunehmend ästhetischer Orientierung in der Gesellschaft an Bedeutung gewonnen. Hinsichtlich der AGA ist die Lebensqualität eingeschränkt, u. a. durch den Verlust von Selbstwertgefühl, Depression, Introvertiertheit bis hin zum Neurotizismus (Gupta et al. 2019).

Pathophysiologie

Im Normalfall haben Menschen zwischen 80.000 und 120.000 Kopfhaare. Haare unterliegen in ihrer Struktur (Form und Durchmesser) und dem Wachstum neben ethnischen Einflüssen und Körperlokalisation einer multifaktoriellen und polygenetischen Beeinflussung.
Nach einer aktiven Wachstumsphase (Anagenphase) folgt eine kurze Regressionsphase (Katagenphase) und danach eine Ruhephase (Telogenphase), bevor das Haar ausfällt. Die Schritte des Haarzyklus werden über Epithel und Mesenchym gesteuert. Ein Haarfollikel entwickelt sich aus einer mesenchymalen Kondensation, anschließender Invagination von Epithel bis in die Dermis. Dort erfolgt ein Umwachsen der dermalen Papille, die aus Bindegewebe, Blutgefäßen und Nervenfasern aufgebaut ist. In dem kolbenförmig übergestülpten Haarbulbus werden oberhalb der dermalen Papille beständig neue Zellen produziert und nach oben geschoben. Die katagene Rückbildung ist durch eine geringere Zellproduktion, Drosseln der Nährstoffversorgung, Apoptose, Proteolyse und Umbau der extrazellulären Matrix charakterisiert.
Der tägliche Haarverlust beträgt ca. 100 Haare (80+/−20). Normalerweise dauert die Anagenphase etwa drei Jahre (2–6 Jahre). In der Katagenphase bildet sich der Haarfollikel über 2–3 Wochen zurück, dann folgt die Telogenphase mit 100 Tagen (1–3 Monate). Das Zeitverhältnis von Anagen- zu Telogenphase beträgt etwa 9:1. Ca. 90 % der Haare befinden sich normalerweise in der Anagen-, 2–3 % in der Katagen- und bis zu 18 % in der Telogenphase.
Bei der AGA verkürzt sich die durchschnittliche Dauer der Anagenphase progressiv. Ein prämaturer Katageneintritt erfolgt. Die Steuerungs- und Versorgungszentrale der Haare, bestehend aus dermaler Papille und Haarbulbus, allgemein als Haarfollikel bezeichnet, wird langsam kleiner. Die Haare werden dünner und kürzer. In betroffenen Kopfbereichen werden pigmentierte Terminalhaare zu unpigmentierten Vellushaaren. Das kenogene Intervall (zwischen Telogen- und erneuter Anagenphase) dauert länger.
Der Haarzyklus stellt eine eigenständige, regulierte epidermal-dermale Regeneration dar und wird weniger im Kontext einer immunologischen Steuerung gesehen. Dennoch beeinflussen Entzündungsmechanismen die Prozesse. Oxidativer Stress wie auch Entzündungsmediatoren (IL-1α, IL-15, TNF-α, TGF-β) verursachen Mikroentzündungen und dermale Fibrose. Die Seneszenz und Apoptose der Funktionseinheit von Haarbulbus und dermaler Papille wird beschleunigt (Lolli et al. 2017). Antioxidative Mechanismen wie auch deren Regulation über Transkriptionsfaktoren wie Nuclear factor erythroid 2-like 2 (Nrf2) bleiben zu untersuchen (Vomund et al. 2017; Prie et al. 2016).

Genetik

Der AGA liegen polygenetische Modalitäten mit hoher familiärer Durchsetzung und strenger Konkordanz bei monozygoten Zwillingen zugrunde (Lolli et al. 2017). In Genome-wide association studies (GWAS) wurde ein Setting pathophysiologisch relevanter Gene in ca. 300 genomischen Regionen mit >600 unabhängigen genetischen Risikofaktoren für die AGA identifiziert (Heilmann-Heimbach et al. 2020; Hagenaars et al. 2017).
Anhand von 63 Loci lassen sich ca. 39 % der AGA-Fälle genetisch erklären (Heilmann-Heimbach et al. 2020). Nach jetzigem Stand stehen einige Genloci im Fokus.
An erster Stelle steht der Androgenrezeptor (AR) (xq11-12) (Nieschlag et al. 2003). Über die Bindung von Dihydrotestosteron (DHT) an die AR der Haarfollikel lässt sich die charakteristische Umgestaltung der Haarfollikel von fronto-parietal bis zum Vertex maßgeblich erklären. Dabei stellen bestimmte Varianten (SNP rs6152) des Androgenrezeptors einen Dispositionsfaktor für die androgenetische Alopezie dar (Ellis et al. 2007). Die Bedeutung des Androgenrezeptorpolymorphismus für die Entstehung der Alopezie wird auch durch die Tatsache betont, dass Männer mit Kennedy-Syndrom, also einer hohen Zahl von CAG Repeats, vor Alopezie geschützt sind (Sinclair et al. 2007). Die Histon-Deacetylase 4 und 9 (HDAC4, -9), welche im Haarfollikel exprimiert werden, sind in die posttranslationale Modifikation von AR Proteinen eingebunden (Dey-Rao und Sinha 2017).
Ein zweiter entscheidender Genpolymorphismus liegt in der genomischen Nachbarregion vom AR vor. Für den Ektodysplasie A2 Rezeptor (EDA2R) wurde eine Missense-Mutation (Arg57Lys) nachgewiesen. Der x-chromosomale EDA2R/AR Locus birgt neben der AGA ebenfalls ein erhöhtes Risiko für ein Prostatacarcinom. Derartige Synergismen von AGA und organischen Erkrankungen werden in neueren Forschungsansätzen diskutiert (Hagenaars et al. 2017).
Weitere autosomale Gene mit variabler Expressivität prädisponieren für die AGA. Der Hedgehog Signalweg ist an der embryonalen Morphogenese der Haarfollikel und der späteren Regulation des follikulären Haarwachstums beteiligt (Paladini et al. 2005). Hedgehog Agonisten stimulieren in Maushaut den Übergang von telogener zu anagener Phase (Sun et al. 2020). Hedgehog Inhibitoren, zugelassen für die Behandlung fortgeschrittener und metastasierter Basazellkarzinome, induzieren als Nebenwirkung Haarausfall.
Missense Mutationen im Steroid-5-alpha Reduktase 2 (SRD5A2) Gen (2p23.1) beeinflussen die Synthese von Testosteron zu DHT. Erhöhte SRD5A2 Aktivität ist in der behaarten Kopfhaut von Patienten mit AGA nachweisbar. Patienten mit 46,XY DSD haben aufgrund eines 5αR2-Mangels keine AGA, keinen oder wenig Barthaare und normale Körperhaare (Inui und Itami 2013). Bestätigend ist auch die Therapie mit Finasterid (siehe 5.1), einem SRD5A2 Inhibitor.
Wnt- und EGF-Signaltransduktion sind für die Regeneration der Haarfollikel und das Haarwachstum wichtig (Choi 2020). Sie sind in wesentliche Signalkaskaden in den Haarpapillen u. a. im Cross-talk mit dem AR eingebunden.
Die Transkriptionsfaktoren Runt-related transcription factor 1 (RUNX1) und Kruppel-like factor 8 (KLF8), sind in die Wnt/β-Catenin Signalwege integriert. RUNX1 ist für die Haarstruktur verantwortlich (Raveh et al. 2006). Als Co-Aktivator ist KLF8 im Haarfollikel in die Stammzellregulation und Interaktion mit dem Mesenchym und der Adipogenese eingebunden. Ergänzt um weitere noch zu erforschende Elemente lassen sich Faktoren einzelnen Zyklusphasen zuordnen.
Hedgehog Signale und Wnt Signale aktivieren den Eintritt in ein anagenes Haarwachstum. Zahlreiche Wachstumsfaktoren insbesondere Vascular endothelial growth factor (VEGF), Insulin-like growth factor 1 (IGF1) und Fibroblast growth factor 5 (FGF5) spielen in der follikulären Proliferation, Differenzierung und im Gewebeumbau eine Rolle. Signal Transducer und Activator der Transkription (STAT) 3, wie auch Parathyroid Hormon (PTH) und Parathyroid Hormon-like Hormone (PTHLH) sind am Erhalt der Anagenphase beteiligt (Kelly et al. 2016). Ein crosstalk von Keratinozyten und umgebendem Mesenchym in der Haarpapille wird über den PTH1 Rezeptor beeinflusst.
Estrogene unterstützen die Anagenphase. Sie sind Gegenspieler einer Anagenverkürzung. Insbesondere der Estrogenrezeptor α vermittelt 17β-Estradiol-abhängige Effekte auf den Haarfollikel. Retinoid-related orphan receptor α (RORα) ist bezüglich der Estrogen Rezeptorexpression aktiv und trägt damit zum Erhalt der Anagenphase bei. Ein Gegenspieler könnte Melatonin sein. Melatonin wird u. a. im Haarfollikel der Kopfhaut synthetisiert. Beeinflussung des Estrogenrezeptors und der Androgensensitivität werden für Melatonin beschrieben (Slominski et al. 2017). Dass diese Ergebnisse nicht stringent zu werten sind, zeigt der therapeutische Einsatz von Melatonin (siehe 5).
Für die Induktion der Katagenphase sind Prolaktin und Corticotropin releasing Hormon relevant (Foitzik 2005). Für Prolaktin werden inhibitorische Effekte auf Stammzellen im Haarfollikel beschrieben, und weitere parakrine und autokrine Effekte, die den Haarzyklus beeinflussen, werden vermutet. Über den Corticotropin releasing hormone receptor 1 (CRHR1) wird die Keratinozytenproliferation in den Haarfollikeln inhibiert. Transforming growth factor β (TGF-β) und Dickkopf (DKK) Gene, letztere als Wnt-Signal-Inhibitoren, sind in der Regulation der Katagenphase aktiv (Heilmann-Heimbach et al. 2020; Burg et al. 2017).
Neben diesen Schaltmechanismen bleibt die Haarminiaturisierung und Umwandlung in Vellushaare zu untersuchen. Das Gen Interferon regulatory factor 4 (IRF4) ist für die Pigmentierung der Haare bedeutsam. In Assoziation zum Pigmentverlust wird die Transformation von Terminal- zu Vellushaaren gesehen.
Die Genetik liefert Grundlagen und ein Verständnis für therapeutische Ansätze wie 5-alpha Reduktase Inhibitoren, AR-Antagonisten, Wachstumsfaktoren, Beeinflussung von Transkription und Zielgenen (Dey-Rao und Sinha 2017).

Diagnostik

Die Diagnose einer AGA basiert auf Eigen-, Familienanamnese, körperlicher Untersuchung, ergänzenden Tests, Laboruntersuchungen und möglicherweise der Entnahme einer Gewebeprobe und deren histologische Untersuchung.
In der Familienanamnese sind besonders die AGA vom Vater und vom Vater der Mutter zu erfragen. Mit Blick auf mögliche Differenzialdiagnosen und systemische Erkrankungen ist neben spezifischen anamnestischen Fragen, wie Beginn, Dauer und Verlauf, die Ganzkörperuntersuchung einschließlich Augenbrauen, Wimpern, Schleimhäuten, Nägeln, sekundärer Körperbehaarung notwendig. Erkrankungen, die mit einem Haarverlust einhergehen können, wie Hyperthyreose/Hypothyreose, Malignome, Hepatopathien, Eisenmangel-Anämie und Diabetes mellitus sind u. a. zu berücksichtigen (siehe Tab. 1) (Phillips et al. 2017).
Tab. 1
Relevante Differenzialdiagnosen bei Haarausfall:
Differenzierung des Haarausfalls, Haarverlustes
Diagnose
Wichtige Kennzeichen und Assoziationen
Nicht vernarbendes telogenes Effluvium
Androgenetische Alopezie
Graduell progressiv, bitemporal, frontal, Vertex
 
Telogenes Effluvium
Diffuser Haarausfall, bis zu 6 Monaten nach Ereignissen wie Anästhesie, Operation, post-partum, Stress-bedingt, Gewichtsverlust
 
Alopecia areata
Kreisrunder Haarausfall, Ausrufezeichen-Haare, Haare am Rand der Alopezie im Schub deutlich epilierbar
 
Eher Mädchen und junge Frauen, unbewusstes Ziehen an den Haaren, Seiten-betont, unterschiedliche Haarlängen
 
Entzündliche Dermatosen
Häufiger bei Psoriasis capitis, fettige Schuppen, Plaques, Verlust von Haaren mit den Keratose-Plaques
 
Diffuses Effluvium bei Organerkrankungen
Schilddrüsendysfunktion, Syphillis Stadium II, akuter kutaner Lupus erythematodes
 
Diäten/Ernährung
Mangel von Eiweiß, Eisen, Zink, Vitamin C, plötzlicher Gewichtsverlust, Bullimie, Anorexia nervosa
 
Medikamente
z. B. Lithium, Antidepressiva, Antikoagulantien, Betaantagonisten, Retinoide, Isoniazid, Cholesterinsenker, Hedgehog Inhibitoren
Anagenes Effluvium
 
Chemotherapie
2–3 Monate nach Alkylantien, Vinkaalkaloiden, Wiederwuchs nach Ende der Noxe in 4–8 Wochen, synchrones Wachsen der Haare
Vernarbende Alopezie
Diskoider Lupus erythematodes
Follikuläre Hyperkeratosen, photosensitiv, erythrosquamöse Plaques
 
Lichen ruber capillitii
Perifollikuläre Keratosen, Wickham´sche Streifung, dystrophe Nägel, polygonale Papeln an den Handgelenken innen
 
Frontal fibrosierende Alopezie
Haarband-förmige fortschreitende Atrichie, meist frontal und post-menopausal
 
Pseudopelade Brocq
Idiopathisch, als eigenständige Entität diskutiert
 
Traktionsalopezie
Durch ständigen Zug z. B. Frisur-bedingte, auf Dauer bleibender Haarverlust, zumeist fronto-temporal
 
Folliculitis decalvans
Pusteln, Krusten, Büschel- und Pinselhaare
 
Folliculitis et Perifolliculitis capitis abscedens et suffodiens
Männer, Afro-Amerikaner, Vertex und occipital, kann ganzen Kopf betreffen,
fluktuierende Knoten, Fisteln, Exsudat
Anabolika gerade im Rahmen eines gesteigerten Muskeltrainings sind zu erfragen. Im Rahmen sportlicher Aktivitäten steigt DHT. Die Zufuhr anaboler Steroide, Estrogen- und Androgen-Rezeptor-Modulatoren, Nahrungsergänzungen wie Muskelproteinkonzentrate (sog. Whey-Proteine) oder Aminosäuren wie Arginin und Ornithin steigern anabole Testosteron-gesteuerte Stoffwechselvorgänge.
Die körperliche Untersuchung mit der Frage der AGA fokussiert auf die Kopfhaare: Muster und Verteilung der Haarlichtung, frontale Haarlinie, Haarlänge, Haardurchmesser, vernarbend oder nicht vernarbend, Pigmentverschiebungen, Schuppen, Krusten, Papeln, Pusteln sind zu berücksichtigen. Vom Patienten können Missempfindungen (Trichodynie) in loco – wie z. B. ein Kribbeln – empfunden werden (Mubki et al. 2014).
Die AGA fängt typischerweise mit einem bitemporalen Haarverlust an. Der weitere Verlauf ist variabel hinsichtlich Ausprägung und Ausdehnung und kann nach der Nomenklatur von Hamilton und Norwood klassifiziert werden (Norwood 1975).
Beim Pull-Test wird mit sanftem Zug an ca. 40–60 Haaren locker sitzendes Haar identifiziert und lokalisiert. Die Traktion frontal im Vergleich zu occipital und beidseits temporal wird empfohlen. Der Hinweis für ein Effluvium besteht, wenn bei derartigem Zug 4–6 Haare epiliert werden.
Bei einem Trichogramm werden mit Hilfe einer Klemme ca. 50 Haare epiliert und die Haarwurzelformen mikroskopisch untersucht. Richtwerte sind 75–95 % Anagenhaare, bis zu 20 % Telogenhaare, 4 % dystrophe Haare, 1–2 % katagene Haare. Neben Vorgeschichte und Klinik kann ein Ergebnis mit mehr als 20 % telogenen Haaren in der Diagnosestellung hilfreich sein.
Die Trichoskopie kann mittels digitaler Videodermatoskopie (Folliscope) durchgeführt werden. Die Haardicken werden gemessen, peripapilläre braune oder weiße Flecken, gelbliches Colorit und honigwabenartige Pigmentierung werden neben fokaler Atrichie erfasst Das Verhältnis von Kopfhaaren zu Vellushaaren wird berechnet. Perifollikuläre Pigmentänderungen können erste Hinweise für eine AGA liefern. Das honigwabenartige Muster ist mit fortgeschrittener AGA vergesellschaftet (Kibar et al. 2014; Ummiti et al. 2019).
Der Trichoscan vereint die digitale Mikroskopie mit einer automatischen computergestützen Bildanalyse. In situ werden die Haardichte (Anzahl per cm2), Haardurchmesser (μm), die Haarwachstumsrate (mm/Tag) und das Verhältnis von anagenen zu telogenen Haaren gemessen. Die Prozedur erfolgt in einem kurz geschnittenen Haarareal und dauert ca. 20 Minuten (Hoffmann 2003). Diese Methode ist besonders zur Messung von Therapieerfolgen in Studien geeignet.
Laboruntersuchungen empfehlen sich bei unklarer Diagnose und zu berücksichtigenden Differenzialdiagnosen (siehe Tab. 1). Hormonuntersuchungen sind speziell für die AGA wenig hilfreich. Da von den Patienten aber nicht selten in Eigenregie unterschiedlichste Maßnahmen ergriffen werden, sind diese evtl. laborchemisch zu überprüfen. Zum Beispiel kann eine übermäßige Nahrungsergänzung mit Vitamin A Haarausfall induzieren (Almohanna et al. 2019).
Bei weiterhin bestehenden diagnostischen Unklarheiten ist die Kopfhautbiopsie zu bedenken. Eine ausreichend große Gewebeprobe ist aus der Peripherie des betroffenen Kopfhautareals zu entnehmen. Beurteilt werden die Anzahl der Haarfollikel, der Anteil der telogenen Haare, Vellushaare und Variationen der Haarschaftdurchmesser. Ein Verhältnis von Terminal- zu Vellushaaren von <3:1 bestätigt die Diagnose der AGA (Stefanato 2010).
Die Tab. 1 zeigt wesentliche Differenzialdiagnosen der AGA. Zwei Hauptgruppen werden unterschieden: Nicht vernarbende und vernarbende Alopezie. Die AGA gehört zu den nicht vernarbenden Alopezien und zur Untergruppe des telogenen Effluviums. Das Muster des Haarverlustes, die Art eines möglichen Wiederwuchses, der Verlauf des Effluviums geben wichtige Hinweise.
Auf die Darstellung kindlicher Syndrome, die mit einem Haarausfall einhergehen, wurde verzichtet, ebenso auf eine Übersicht zu Erkrankungen der Haarstruktur (Itin und Fistarol 2005).

Therapie

Die therapeutisch möglichen Ziele sind mit dem Patienten zu besprechen. Vorrangig ist es, den weiter zunehmenden und bleibenden Haarausfall und damit die Haarausdünnung zu verhindern.
Standardbehandlungen der AGA bei Männern basieren auf der oralen Gabe von Finasterid 1 mg oder Dutasterid sowie der topischen Applikation einer 5 % Minoxidil Lösung oder eines 5 % Minoxidil Schaums.

5-alpha-Reduktase Hemmer: Finasterid und Dutasterid

Finasterid wurde primär für die Behandlung der benignen Prostatahyperplasie zugelassen (1992). 1994 erfolgte die europäische Zulassung für die Behandlung der Frühstadien der AGA bei Männern in den Altersklassen 18–41 Jahre. Laut Leitlinie wird die Einnahme von 1 mg Finasterid pro Tag bei milder bis moderater männlicher AGA (Hamilton-Norwood-IIv-V) empfohlen (Kanti et al. 2018).
Finasterid hemmt via 5-alpha-Reduktase Typ II die Umwandlung von T zu DHT. DHT ist für die Miniaturisierung des Haarfollikels verantwortlich. Nach regulärer Finasterideinnahme ist die Serumkonzentration von DHT um 65 % gesenkt.
In systematischen Reviews und Metaanalyse ist von einer signifikanten Zunahme der Haaranzahl die Rede. Die durchschnittlich vermehrte Anzahl von Haaren liegt nach 12 Monaten zwischen 7,2/cm2 und 36,1/cm2 (Blumeyer et al. 2011; Adil and Godwin 2017). In einem Expertenkonsens in der Leitlinie wird der Erfolg von Finasterid nach 1 Jahr mit 37–54 % beziffert. Einzelne Studien berichten von einem 65 % Erfolgsanteil, wobei die Wirkung im Placeboarm mit 37 % beziffert wurde (Darwin et al. 2018). Untersuchungen über 5 bis 10 Jahre verweisen auf eine stabile Effizienz unter Fortführung der Therapie (Yoshitake et al. 2015). Bessere Erfolge werden bei jüngeren Patienten erreicht. Generell sind 40–60 % der Männer mit dem Behandlungsergebnis zufrieden.
Finasterid 1 mg ist rezeptpflichtig, ist aber als Lifestyle Medikament nicht erstattungspflichtig. Zu den Nebenwirkungen ist über Libidoverlust, erektile Dysfunktion, vermindertes Ejakulatvolumen und vermehrte Körperbehaarung aufzuklären. Die Entwicklung einer Gynäkomastie ist möglich (Lee et al. 2018). Von den sexuellen Dysfunktionen sind 2–3,8 % der Patienten (Placebo 1–2,1 %) vermehrt im höheren Alter betroffen. Bei nur sehr limitierter Evidenz müssen mögliche permanente sexuelle Störungen, wie jahrelange erektile Dysfunktion, mit dem Patienten besprochen werden (Gupta et al. 2017). Der Begriff des Post-Finasterid Syndrom fasst depressive, neurologische und sexuelle Aspekte zusammen (Andy et al. 2019; Goren und Naccarato 2018). Eine 48-wöchige Gabe von Finasterid 1 mg bei 181 gesunden Männern ergab keine Änderung der Samenparameter. Gemessene Finasteridkonzentrationen im Ejakulat sind sehr gering; jedoch in Zeugungsphasen soll ein Behandlungsende erwogen werden.
Von einem Einsatz bei Leberinsuffizienz wird abgeraten. Eine Dosisanpassung ist bei Niereninsuffizienz zu bedenken. Die Metabolisierung von Finasterid erfolgt über Cytochrom-P450-3A4. Wechselwirkungen mit Medikamenten, die ebenfalls über Cytochrom P450 verstoffwechselt werden, sind nicht auszuschließen.
Dosis-Vergleichsstudien von Dutasterid 0,02 mg versus 0,1 mg und 0,5 mg pro Tag konnten die signifikante Verbesserung von Haardurchmesser und Haaranzahl bei einer Dosis von 0,5 mg im Vergleich mit Placebo nachweisen (Gubelin Harcha et al. 2014). Bei 31 Männern wurde Dutasterid 0,5 mg nach einer erfolglosen Behandlung mit Finasterid 1 mg eingesetzt. Bei 23 % (7/31) war kein Erfolg zu verzeichnen, bei 77 % (24/31) jedoch ein gering bis markant besserer klinischer Erfolg (Jung et al. 2014).
Anhand weniger Studien wurden Metaanalysen zum Einsatz von Finasterid und Dutasterid (0,5 mg und 2,5 mg) bei AGA publiziert (Gupta und Charrette 2014; Zhou et al. 2019). Die Behandlungserfolge werden als vergleichbar angesehen. Das Nebenwirkungsprofil von Dutasterid entspricht ebenfalls dem Einsatz von 1 mg Finasterid und beinhaltet auch das Risiko der sexuellen Dysfunktion, welches für beide 5-alpha-Reduktase Inhibitoren mit 1,55 fach gewertet wird (Lee et al. 2018).
Untersuchungen von 0,2 mg, 1 mg oder 5 mg Finasterid oral haben vergleichbare Ergebnisse erbracht. Die Konzentration von 0,01 mg wird als zu gering erachtet. An topischen Behandlungsoptionen mit Finasterid 0,25 % und 1 % Gel wird gearbeitet (Lee et al. 2019). In der Leitlinie wurde die topische Behandlung noch als unzureichend beurteilt (Kanti et al. 2018). Bei möglicherweise ähnlichen Erfolgen wie mit Finasterid 1 mg und vergleichbaren Serumspiegeln sollen durch eine Verbesserung des Vehikels hohe lokal Spiegel in der Haut und niedrigere Finasterid-Serumspiegel erzielt werden. Die Kontamination von Frauen im gebärfähigen Alter ist bei Lokalbehandlungen zu vermeiden (teratogen).
Eine Steigerung des Behandlungserfolges wird in Kombination von Finasterid mit Minoxidil versucht, jedoch Mysore et al. raten davon ab (Mysore und Shashikumar 2016). Die ergänzende Gabe von Ketokonazol 2 %, als einem Modulator der Steroidsynthese, ist bisher wenig belegt.

Minoxidil

Minoxidil, ein Piperidinopyrimidin Derivat, erhielt in den 1970iger-Jahren eine Markteinführung zur Behandlung eines Hypertonus. Als unerwartete Nebenwirkung zeigte sich bei vielen Behandelten ein vermehrtes Haarwachstum. In vergleichenden Studien mit 1 %, 2 % und 5 % Minoxidil Lösung hat sich unter der höheren Konzentration ein besseres Ansprechen gezeigt (Manabe et al. 2018). Seit 2005 ist 5 % Minoxidil als Lösung und 2006 als Schaum von der EMA zur Behandlung der androgenetischen Alopezie im Alter von 18 bis 65 Jahre zugelassen.
Minoxidil wird durch das Enzym Sulfotransferase des Haarfollikels zur aktiven Form Minoxidilsulfat, welches das Haarwachstum über den Haarbulbus fördert. Der Erfolg der Minoxidilbehandlung korreliert mit der lokalen Sulfotransferase-Aktivität. Der Serumspiegel korreliert nicht mit dem Ansprechen auf Minoxidil (Suchonwanit et al. 2019; Goren und Naccarato 2018).
Kausale Wirkmechanismen des Minoxidil umfassen eine bessere Durchblutung und das Anfluten von VEGF, was mittels Laser-Doppler Velocimetry und Elektronenmikroskopie wie auch mRNA Untersuchungen gezeigt werden konnte (Suchonwanit et al. 2019).
Minoxidil ist als 5 % Lösung und 5 % Schaum rezeptfrei erhältlich. 1 ml 5 % Minoxidil ist 2 x täglich auf die betroffene Kopfhaut zu applizieren und einzumassieren. Die Behandlung soll über mindestens 6 Monate fortgeführt werden. Ein erstes Ansprechen wird nach ca. 12 Wochen sichtbar und ist verlässlich erst nach 6 Monaten zu beurteilen. Eine Fortführung der Therapie sollte bei entsprechendem Erfolg erst dann entschieden werden.
Der pathologische Haarausfall kann bei ca. 80–90 % der Betroffenen gestoppt werden. Bessere Ergebnisse werden bei jüngeren Kandidaten und im Oberkopfbereich als in den ´Geheimratsecken´ erzielt (Wolff et al. 2016). In Meta-Analyse und Übersichtsarbeiten wird ein dichterer Haarwuchs bei 30–40 % der Kandidaten berichtet (Adil und Godwin 2017; Suchonwanit et al. 2019). Die Leitlinie spricht von einer durchschnittlichen Zunahme der Haaranzahl um 15,5/cm2 bis zu 83,3/cm2 nach 12 Monaten. Die Behandlung ist langfristig durchzuführen, da eine Unterbrechung mit einem graduellen Haarverlust einhergeht. Nach einem therapiefreien Jahr wäre dann der prätherapeutische Status wieder erreicht.
Nebenwirkungen zu Minoxidil umfassen Rötung, Juckreiz, Schuppung, Hautirritation und ein ´shedding´ 4–9 Wochen nach Therapiebeginn. ´Shedding´ beschreibt einen verstärkten Ausfall telogener Haare, die von nachwachsenden Anagenhaaren herausgeschoben werden. Seltener werden Kopfschmerzen und Kontaktdermatitis berichtet.
Die Ergänzung eines Microneedlings als Vorbereitung für die Minoxidilapplikation bietet die Möglichkeit einer verbesserten Medikamentenpenetration. Zusätzliche Stimuli wie eine PDGF Freisetzung und VEGF Expression und damit eine Aktivierung von Follikel-Stammzellen wird diskutiert (Sadick 2018).
Kombinationen von 5 % Minoxidil Lösung mit einem Zink-Pyrithion Shampoo oder in kombinierter Lösung mit Tretinoin 0,01 % haben keine signifikant besseren Ergebnisse im Vergleich mit der Standardanwendung von 5 % Minoxidil Lösung erbracht (Shin et al. 2019; Blumeyer et al. 2011).
Kleinere Fallstudien berichten vom oralen Minoxidil-Einsatz im off-label use. In einer Dosierung von 1–1,25 mg täglich oral wurde bei 28 % (7/18) der Patienten ein vermehrtes Haarwachstum registriert, was aber auch die Körperbehaarung betraf (Beach 2019). Auf Grund kardiovaskulärer Komplikationen ist vom Einsatz bei AGA abzuraten.

Lasertherapien

Mit dem Beginn erster Lasertherapien in den 60iger-Jahren folgte schon bald der experimentelle Einsatz von Rotlicht-Lasern und Dioden-Lasern zur Stimulation des Haarwachstums. Unter der Vorstellung einer Fotobiomodulation wird von einer Anregung der Keratinozyten und Fibroblasten, Steigerung der Durchblutung und des Metabolismus, Beeinflussung von Antioxidation und Entzündungen gesprochen.
Eine optimale Wellenlänge steht nicht fest, eingesetzt werden 500 bis 1100 nm mit einer Leistungsstärke von 3–90 mW/cm2 und 1–4 J/cm2. Ein Spektrum von 650–900 nm wird bevorzugt (Hamblin 2019). Als mögliche Frequenzangabe werden z. B. 1 x pro Woche 30 Minuten für 8 Wochen, dann 8 weitere Wochen jede 2. Woche und in Folge 2–4 x pro Jahr angegeben (Sadick 2018).
In kontrollierten Studien wird eine signifikant vermehrte Haaardichte nach 26 Wochen festgestellt (Adil und Godwin 2017: 17,66 Haare/cm2). Im Kurzzeitvergleich ähnelt das Ansprechen den Resultaten auf 5 % Minoxidil Lösung und 1 mg Finasterid. Die Langzeitergebnisse sind weniger gut. Eine Übersichtsarbeit aus 2018 fasst 13 Studien zusammen. Zehn von 11 Studien weisen anteilige Erfolge in der Haardicke und/oder Haaranzahl auf. Kleine Fallzahlen, unterschiedliches diagnostisches Vorgehen, divergente Effizienzmessungen wie auch abweichende Therapiekombinationen erschweren die Erfolgsbeurteilung der Lasertherapien.
Häufig beworben als Low-Level-Lasertherapie (LLLT) oder Softlaser-Therapie sind entsprechende Geräte frei käuflich z. B. als Laserkamm, Laserbürste, Laser in Kappen- oder Helmform. Als Kamm wird die Anwendung mit 20 Minuten pro Tag 3 x pro Woche beschrieben. Bezüglich der Nebenwirkungen wird auf trockene Haut (5,1 %), Juckreiz (2,5 %), Spannung der Kopfhaut (1,3 %) Irritationen (1,3 %), Wärmegefühl (1,3 %) hingewiesen. Therapieabbrüche oder -unterbrechungen gab es nicht (Jimenez et al. 2014). Für Laserdioden in einem Helm (650 nm) mit einer Anwendung von 18 Minuten täglich für 24 Wochen oder jeden 2. Tag für 16 Wochen ist ein 35 % Haarzuwachs beschrieben (Kelly et al. 2016).

Haar- und Stammzelltransplantation

Die Haartransplantation ist bei Patienten älter als 25 Jahre mit einem chronischen androgenetischen Haarverlust zu erwägen. Präoperativ sind andere Haut- und Haarerkrankungen wie z. B. ein Lichen ruber capillitii auszuschließen (siehe Tab. 1).
Follicular Unit Transplantation (FUT): Haarfollikel aus dem Haarkranz werden in Androgen-abhängige Kopfhaut verpflanzt. Haare im Haarkranz zählen zu den Körperhaaren. Die Haarfollikel sind nicht Androgen-sensitiv und wachsen damit auch nach der Verpflanzung weiter. Die Transplantation follikulärer kleiner Einheiten sollte in spezialisierten Zentren erfolgen, da der Behandlungserfolg u. a. von einer fachgerechten Beurteilung der Haare und von der Präparation und Anzahl der transplantierbaren, unbeschädigten Haarfollikel abhängt. Eine Möglichkeit ist die Behandlung der follikulären Einheiten mit Platelet Plasma Growth Factor vor Implantation (Blumeyer et al. 2011).
OP-assoziierte Nebenwirkungen, wie auch Schmerzen, Narbenbildung, Infektionen und Therapieversagen, sind zu bedenken. Postoperativ ist mit einem telogenen Effluvium zu rechnen. Eine topische Minoxidilbehandlung kann das Wiederwachsen der transplantierten Follikel fördern. Und auch die zusätzliche Gabe von 1 mg Finasterid kann das klinische Resultat verbessern (Blumeyer et al. 2011). Nach 6 Monaten sollte ein stabiler Befund vorliegen. Nach 9–12 Monaten ist der Erfolg erst endgültig zu beurteilen. Ein generelles Überleben der Transplantate wird mit ca. 80 % angegeben. In der Mehrzahl der Fälle sind mehrere operative Verpflanzungen einzuplanen. Trotz jahrzehntelangem Einsatz von Eigenhaartransplantationen fehlen randomisierte kontrolliere Studien (Blumeyer et al. 2011; Manabe et al. 2018).
Stammzellen lassen sich biotechnologisch zu einem Haarfollikel heranzüchten. Entwicklungen zur Stammzelltherapie und Optimierung im Vorgehen sind in einer Übersicht zusammengefasst (Gentile und Garcovich 2020). Injektionen autologer dermaler Zellen eines Haarfollikels in unbehaarte Kopfhaut wurden in einer Phase II Studie untersucht. Bei den Studienteilnehmern wiesen 19,2 % nach 6 Monaten vermehrt Haare auf, 15,4 % dickere Haare.

Weitere Therapieansätze

Injektionen mit einem Blutplättchen angereicherten Plasma werden seit 2014 für die AGA eingesetzt. Aus autologem Blut wird die Plasma-Fraktion gewonnen. Über eine perifollikuläre Vaskularisierung und Aktivierung von Wachstumsfaktoren soll eine verlängerte Anagenphase und Hemmung der Apoptose erreichbar sein (Sadick 2018). Zwei bis vier Injektionen werden in Zeitabständen von 2 Wochen bis zu 3 Monaten verabreicht. Auch wenn Ansprechraten von 40–54 % angegeben werden, sind die Auswertungen, Auszählungen und Langzeitergebnisse wenig Evidenz-basiert (Kelly et al. 2016; Giordano et al. 2018).
Die Substanzgruppe der Prostaglandine rückt durch die Expression von Prostanoid-Rezeptoren in Haarfollikeln in den Fokus (Xu und Chen 2018). Bimatoprost, ein Prostamid-Analogon, ist für eine Glaukombehandlung zugelassen. Als Nebenwirkung zeigt sich ein Wimpernwachstum (Barrón-Hernández und Tosti 2017). Mit dem Prostaglandin-Analogon Latanoprost 0,1 % ist ebenfalls ein sichtbares Wachstum von Wimpern zu erreichen (El-Ashmawy et al. 2018). Der Einsatz bei 16 Männern mit AGA (Hamilton II-III) erbrachte ein sichtbares Haarwachstum (Blume-Peytavi et al. 2012).
Auf begrenzter Datenlage basierend und als mögliche Entwicklungen aufzufassen, sind die topische Anwendung von Cortexolon, einem Mineralcorticoid aus der Nebennierenrinde, oder die topische Anwendung von 8,3 % Valproinsäure oder Melatonin (Jo et al. 2014). Durch eine Melatonin-Applikation ließ sich eine kurzzeitige Verbesserung des Pull-Testes bei ca. 50 % der Patienten zeigen (Fischer et al. 2011).
Nicht gesichert ist die Wirkung von Mesotherapie, Botulinumtoxin, Zink-Pyrithion oder Ketokonazol 2 % in Shampoo oder Lösung oder Substanzen wie Carpronium Chlorid, Flavonoide, Cytopurin/Pentadecan (Alkan), Cepharantin (Alkaloid) (Blumeyer et al. 2011; Reguero-del Cura et al. 2020; Zhou et al. 2020).
Auf Grund der Werbung in den Medien und basierend auf der Leitlinie mit zusätzlicher aktualisierter Recherche sind zahlreiche Nahrungsergänzungsprodukte in ihrer Wirkung als nicht signifikant und nicht Evidenz-basiert zu benennen: Eisen, Kupfer, Zink, Vitamine (Vitamin B3 = Niacin, Vitamin B7= Biotin, Vitamin D, Vitamin E), Koffein, Aminosäuren, Kürbiskernöl, Selen, grüner Tee, Probiotica, Ginkoprodukte gehören dazu (Hosking et al. 2019; Almohanna et al. 2019).

Zusammenfassung

  • Anamnese, klinische Untersuchung unter Berücksichtigung möglicher Differenzialdiagnosen stellen die Grundpfeiler in der Diagnostik der AGA dar.
  • Ein Verständnis der Signalkaskaden und genetischen Grundlagen werden zunehmend auch im Hinblick auf therapeutische Ansätze an Bedeutung gewinnen.
  • Neben den Standardtherapien mit Finasterid 1 mg und 5 % Minoxidil Lösung oder Schaum oder auch Dutasterid gibt es zahlreiche optionale therapeutische Variationen und Ergänzungen wie Needling und Lasertherapie.
  • Die Haar- und Stammzelltransplantationen gehören in die Hände spezialisierter Fachkollegen.
Literatur
Adil A, Godwin M (2017) The effectiveness of treatments for androgenetic alopecia: a systematic review and meta-analysis. J Am Acad Dermatol 77:136–141PubMedCrossRef
Almohanna HM, Ahmed AA, Tsatalis JP, Tosti A (2019) The role of vitamins and minerals in hair loss: a review. Dermatol Ther (Heidelb) 9:51–70CrossRef
Andy G, John M, Mirna S, Rachita D, Michael K, Maja K, Aseem S, Zeljana B (2019) Controversies in the treatment of androgenetic alopecia: the history of finasteride. Dermatol Ther 32:e12647PubMedCrossRef
Barrón-Hernández YL, Tosti A (2017) Bimatoprost for the treatment of eyelash, eyebrow and scalp alopecia. Expert Opin Investig Drugs 26:515–522PubMedCrossRef
Beach RA (2019) Case series of oral minoxidil for androgenetic and traction alopecia: tolerability & the five C’s of oral therapy. Dermatol Ther 31:e12707CrossRef
Blume-Peytavi U, Lönnfors S, Hillmann K, Garcia Bartels N (2012) A randomized double-blind placebo-controlled pilot study to assess the efficacy of a 24-week topical treatment by latanoprost 0.1 % on hair growth and pigmentation in healthy volunteers with androgenetic alopecia. J Am Acad Dermatol 66:794–800PubMedCrossRef
Blumeyer A, Tosti A, Messenger A, Reygagne P, Del Marmol V, Spuls PI, Trakatelli M, Finner A, Kiesewetter F, Trüeb R, Rzany B, Blume-Peytavi U, European Dermatology Forum (EDF) (2011) Evidence-based (S3) guideline for the treatment of androgenetic alopecia in women and in men. J Dtsch Dermatol Ges 9(Suppl 6):S1–S57PubMedCrossRef
Burg D, Yamamoto M, Namekata M, Haklani J, Koike K, Halasz M (2017) Promotion of anagen, increased hair density and reduction of hair fall in a clinical setting following identification of FGF5-inhibiting compounds via a novel 2-stage process. Clin Cosmet Investig Dermatol 10:71–85PubMedPubMedCentralCrossRef
Choi BY (2020) Targeting Wnt/β-Catenin pathway for developing therapies for hair loss. Int J Mol Sci 21:4915. https://​doi.​org/​10.​3390/​ijms21144915CrossRefPubMedCentral
Darwin E, Heyes A, Hirt PA, Wikramanayake TC, Jimenez JJ (2018) Low-level laser therapy for the treatment of androgenic alopecia: a review. Lasers Med Sci 33:425–434PubMedCrossRef
Dey-Rao R, Sinha AA (2017) A genomic approach to susceptibility and pathogenesis leads to identifying potential novel therapeutic targets in androgenetic alopecia. Genomics 109:165–176PubMedCrossRef
El-Ashmawy AA, El-Maadawy IH, El-Maghraby GM (2018) Efficacy of topical latanoprost versus minoxidil and betamethasone valerate on the treatment of alopecia areata. J Dermatolog Treat 29:55–64PubMedCrossRef
Ellis JA, Scurrah KJ, Cobb JE, Zaloumis SG, Duncan AE, Harrap SB (2007) Baldness and the androgen receptor: the AR polyglycine repeat polymorphism does not confer susceptibility to androgenetic alopecia. Hum Genet 121:451–457PubMedCrossRef
Fischer TW, Trüeb RM, Hänggi G, Innocenti M, Elsner P (2011) Melatonin in der topischen Behandlung der androgenetischen Alopezie. Akt Dermatol 37:410–418CrossRef
Foitzik K (2005) Neues aus der Haarforschung: Einfluss von Prolaktin, Retinoiden und Transforming Growth Factor-β auf das Haarwachstum. Akt Dermatol 31:109–116CrossRef
Gentile P, Garcovich S (2020) Systematic review of platelet-rich plasma use in androgenetic alopecia compared with Minoxidil®, Finasteride®, and adult stem cell-based therapy. Int J Mol Sci 21:2702PubMedCentralCrossRef
Giordano S, Romeo M, di Summa P, Salval A, Lankinen P (2018) A meta-analysis on evidence of platelet-richpPlasma for androgenetic alopecia. Int J Trichology 10:1–10PubMedPubMedCentralCrossRef
Goren A, Naccarato T (2018) Minoxidil in the treatment of androgenetic alopecia. Dermatol Ther 31:e12686PubMedCrossRef
Gubelin Harcha W, Barboza Martínez J, Tsai TF, Katsuoka K, Kawashima M, Tsuboi R, Barnes A, Ferron-Brady G, Chetty D (2014) A randomized, active- and placebo-controlled study of the efficacy and safety of different doses of dutasteride versus placebo and finasteride in the treatment of male subjects with androgenetic alopecia. J Am Acad Dermatol 70:489–498PubMedCrossRef
Gupta AK, Charrette A (2014) The efficacy and safety of 5α-reductase inhibitors in androgenetic alopecia: a network meta-analysis and benefit-risk assessment of finasteride and dutasteride. J Dermatolog Treat 25:156–161PubMedCrossRef
Gupta AK, Carviel J, MacLeod MA, Shear N (2017) Assessing finasteride-associated sexual dysfunction using the FAERS database. J Eur Acad Dermatol Venereol 31:1069–1075PubMedCrossRef
Gupta S, Goyal I, Mahendra A (2019) Quality of life assessment in patients with androgenetic alopecia. Int J Trichology 11:147–152PubMedPubMedCentralCrossRef
Hagenaars SP, Hill WD, Harris SE, Ritchie SJ, Davies G, Liewald DC, Gale CR, Porteous DJ, Deary IJ, Marioni RE (2017) Genetic prediction of male pattern baldness. PLoS Genet 13:e1006594PubMedPubMedCentralCrossRef
Hamblin RM (2019) Photobiomodulation for the management of alopecia: mechanisms of action, patient selection and perspectives. Clin Cosmet Investig Dermatol 12:669–678. https://​doi.​org/​10.​2147/​CCID.​S184979
Heilmann-Heimbach S, Hochfeld LM, Henne SK, Nöthen MM (2020) Hormonal regulation in male androgenetic alopecia-Sex hormones and beyond: evidence from recent genetic studies. Exp Dermatol 29:814–827PubMedCrossRef
Hoffmann R (2003) TrichoScan: a novel tool for the analysis of hair growth in vivo. J Investig Dermatol Symp Proc 8:109–115PubMedCrossRef
Hosking AM, Juhasz M, Atanaskova Mesinkovska N (2019) Complementary and alternative treatments for alopecia: a comprehensive review. Skin Appendage Disord 5:72–89PubMedCrossRef
Inui S, Itami S (2013) Androgen actions on the human hair follicle: perspectives. Exp Dermatol 22:168–171PubMedCrossRef
Itin PH, Fistarol SK (2005) Hair shaft abnormalities – clues to diagnosis and treatment. Dermatology 211:63–71PubMedCrossRef
Jimenez JJ, Wikramanayake TC, Bergfeld W, Hordinsky M, Hickman JG, Hamblin MR, Schachner LA (2014) Efficacy and safety of a low-level laser device in the treatment of male and female pattern hair loss: a multicenter, randomized, sham device-controlled, double-blind study. Am J Clin Dermatol 15:115–127PubMedPubMedCentralCrossRef
Jo SJ, Shin H, Park YW, Paik SH, Park WS, Jeong YS, Shin HJ, Kwon O (2014) Topical valproic acid increases the hair count in male patients with androgenetic alopecia: a randomized, comparative, clinical feasibility study using phototrichogram analysis. J Dermatol 41:285–291PubMedCrossRef
Jung JY, Yeon JH, Choi JW, Kwon SH, Kim BJ, Youn SW, Park KC, Huh CH (2014) Effect of dutasteride 0,5 mg/d in men with androgenetic alopecia recalcitrant to finasteride. Int J Dermatol 53:1351–1357PubMedCrossRef
Kanti V, Messenger A, Dobos G, Reygagne P, Finner A, Blumeyer A, Trakatelli M, Tosti A, Del Marmol V, Piraccini BM, Nast A, Blume-Peytavi U (2018) Evidence-based (S3) guideline for the treatment of androgenetic alopecia in women and in men – short version. J Eur Acad Dermatol Venereol 32:11–22PubMedCrossRef
Kelly Y, Blanco A, Tosti A (2016) Androgenetic alopecia: an update of treatment options. Drugs 76:1349–1364PubMedCrossRef
Kibar M, Aktan S, Bilgin M (2014) Scalp dermatoscopic findings in androgenetic alopecia and their relations with disease severity. Ann Dermatol 26:478–484PubMedPubMedCentralCrossRef
Lee S, Lee YB, Choe SJ, Lee WS (2019) Adverse sexual effects of treatment with Finasteride or Dutasteride for male androgenetic alopecia: a systematic review and meta-analysis. Acta Derm Venereol 99:12–17PubMed
Lee SW, Juhasz M, Mobasher P, Ekelem C, Mesinkovska NA (2018) A systematic review of topical Finasteride in the treatment of androgenetic alopecia in men and women. J Drugs Dermatol 17:457–463PubMedPubMedCentral
Lolli F, Pallotti F, Rossi A, Fortuna MC, Caro G, Lenzi A, Sansone A, Lombardo F (2017) Androgenetic alopecia: a review. Endocrine 57:9–17PubMedCrossRef
Manabe M, Tsuboi R, Itami S, Osada SI, Amoh Y, Ito T, Inui S, Ueki R, Ohyama M, Kurata S, Kono T, Saito N, Sato A, Shimomura Y, Nakamura M, Narusawa H, Yamazaki M, Drafting Committee for the Guidelines for the Diagnosis and Treatment of Male- and Female-Pattern Hair Loss (2018) Guidelines for the diagnosis and treatment of male-pattern and female-pattern hair loss, 2017 version. J Dermatol 45:1031–1043PubMedCrossRef
Mubki T, Rudnicka L, Olszewska M, Shapiro J (2014) Evaluation and diagnosis of the hair loss patient: part I. History and clinical examination. J Am Acad Dermatol 71:415.e1–415.e15CrossRef
Mysore V, Shashikumar BM (2016) Guidelines on the use of finasteride in androgenetic alopecia. Indian J Dermatol Venereol Leprol 82:128–134PubMedCrossRef
Nieschlag E, Zitzmann M, Kamischke A (2003) Use of progestins in male contraception. Steroids 68:965–972PubMedCrossRef
Norwood OT (1975) Male pattern baldness: classification and incidence. South Med J 68:1359–1365PubMedCrossRef
Paladini RD, Saleh J, Qian C, Xu GX, Rubin LL (2005) Modulation of hair growth with small molecule agonists of the hedgehog signaling pathway. J Invest Dermatol 125:638–646PubMedCrossRef
Phillips TG, Slomiany WP, Allison R (2017) Hair loss: common causes and treatment. Am Fam Physician 96:371–378PubMed
Prie BE, Iosif L, Tivig I, Stoian I, Giurcaneanu C (2016) Oxidative stress in androgenetic alopecia. J Med Life 9:79–83PubMedPubMedCentral
Raveh E, Cohen S, Levanon D, Negreanu V, Groner Y, Gat U (2006) Dynamic expression of Runx1 in skin affects hair structure. Mech Dev 123:842–850PubMedCrossRef
Reguero-Del Cura L, Durán-Vian C, de Quintana-Sancho A (2020) RF-mesotherapy with Dutasteride: a future alternative treatment for androgenetic alopecia. Actas Dermosifiliogr 111:419–420PubMedCrossRef
Rinaldi S, Bussa M, Mascaro A (2016) Update on the treatment of androgenetic alopecia. Eur Rev Med Pharmacol Sci 20:54–58PubMed
Sadick NS (2018) New-generation therapies for the treatment of hair loss in men. Dermatol Clin 36:63–67PubMedCrossRef
Shin JW, Chung EH, Kim MB, Kim TO, Kim WI, Huh CH (2019) Evaluation of long-term efficacy of finasteride in Korean men with androgenetic alopecia using the basic and specific classification system. J Dermatol 46:139–143PubMedCrossRef
Sinclair R, Greenland KJ, Sv E, Hoedemaker C, Chapman A, Zajac JD (2007) Men with Kennedy disease have a reduced risk of androgenetic alopecia. Br J Dermatol 157:290–294PubMedCrossRef
Slominski AT, Semak I, Fischer TW, Kim TK, Kleszczyński K, Hardeland R, Reiter RJ (2017) Metabolism of melatonin in the skin: why is it important? Exp Dermatol 26:563–568PubMedPubMedCentralCrossRef
Stefanato CM (2010) Histopathology of alopecia: a clinicopathological approach to diagnosis. Histopathology 56:24–38PubMedCrossRef
Suchonwanit P, Thammarucha S, Leerunyakul K (2019) Minoxidil and its use in hair disorders: a review. Drug Des Devel Ther 13:2777–2786PubMedPubMedCentralCrossRef
Sun X, Are A, Annusver K, Sivan U, Jacob T, Dalessandri T, Joost S, Füllgrabe A, Gerling M, Kasper M (2020) Coordinated hedgehog signaling induces new hair follicles in adult skin. elife 9:e46756PubMedPubMedCentralCrossRef
Ummiti A, Priya PS, Chandravathi PL, Kumar CS (2019) Correlation of trichoscopic findings in androgenetic alopecia and the disease severity. Int J Trichology 11:118–122PubMedPubMedCentralCrossRef
Vomund S, Schäfer A, Parnham MJ, Brüne B, von Knethen A (2017) Nrf2, the master regulator of anti-oxidative responses. Int J Mol Sci 18:2772PubMedCentralCrossRef
Wolff H, Fischer TW, Blume-Peytavi U (2016) The diagnosis and treatment of hair and scalp diseases. Dtsch Arztebl Int 113:377–386PubMedPubMedCentral
Xu XG, Chen HD (2018) Prostanoids and hair follicles: implications for therapy of hair disorders. Acta Derm Venereol 98:318–323PubMedCrossRef
Yoshitake T, Takeda A, Ohki K, Inoue Y, Yamawaki T, Otsuka S, Akimoto M, Nemoto M, Shimakura Y, Sato A (2015) Five-year efficacy of finasteride in 801 Japanese men with androgenetic alopecia. J Dermatol 42:735–738PubMedCrossRef
Zhou Y, Yu S, Zhao J, Feng X, Zhang M, Zhao Z (2020) Effectiveness and safety of botulinum toxin type A in the treatment of androgenetic alopecia. Biomed Res Int 2020:1501893PubMedPubMedCentralCrossRef
Zhou Z, Song S, Gao Z, Wu J, Ma J, Cui Y (2019) The efficacy and safety of dutasteride compared with finasteride in treating men with androgenetic alopecia: a systematic review and meta-analysis. Clin Interv Aging 14:399–406PubMedPubMedCentralCrossRef