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Klinische Kardiologie
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Publiziert am: 05.01.2022

Herztransplantation

Verfasst von: Thorsten Wahlers und Anton Sabashnikov
Die Technik der Herztransplantation wurde 1961 von Lower und Shumway beschrieben und stetig weiterentwickelt. Nach der ersten Herztransplantation am Menschen am 3. Dezember 1967, die von Professor Christian durchgeführt wurde, erfolgten im Jahr 1968 mehr als 100 Herztransplantationen weltweit. Bedauerlicherweise lag die postoperative Mortalität wegen natürlicher Abstoßungsreaktion sehr hoch. Erst nach der Erfindung von Cyclosporin A konnten in den 1980er-Jahren langfristige Erfolge erzielt werden. Aktuell überlebt etwa die Hälfte aller Transplantierten mehr als 13 Jahre und der Anteil der Patienten, die länger als 20 Jahre nach Transplantation leben, hat eine steigende Tendenz. Aufgrund des zunehmenden Spenderorganmangels kam es um die Jahrhundertwende zu einer zunehmenden Diskrepanz zwischen Organbedarf und Organverfügbarkeit. Trotz verschiedener Strategien, das Organpool zu erweitern, konnten in Deutschland im Jahr 2020 nur noch 327 isolierte Herztransplantationen durchgeführt werden (http://www.eurotransplant.org).

Evaluation vor Herztransplantation

Indikationen

Die Indikation zur Herztransplantation besteht bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz im Endstadium (NYHA Class III–IV) und bei Ausschöpfung aller konservativen Therapiemaßnahmen.
Für die endgültige Indikation zur Herztransplantation müssen nach Ausschluss nichtkardialer Ursachen zwei wichtige Faktoren prognostisch berücksichtigt werden: Diese Therapieform soll in einer längeren Lebenserwartung und einer besseren Lebensqualität resultieren. Zur Abschätzung der Lebenserwartung gelten regelmäßige Berichte der International Society for Heart and Lung Transplantation (ISHLT) mit regelmäßig aktualisierten Langzeitüberlebenskurven (http://www.ishlt.org). So liegt aktuell die 1-Jahres-Überlebensrate über 85 % und die 10-Jahres-Überlebensrate über 50 %, wobei die Ergebnisse über die letzten vier Jahrzehnte eine ständig bessere Tendenz aufwiesen (Abb. 1). Zur Abschätzung der 1-Jahres-, 2-Jahres- und 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit unter Eskalation der medikamentösen Therapie und ggf. unter Einsatz von z. B. ICD oder linksventrikulären Unterstützungssystemen („left ventricular assist device“, LVAD) kann das „Seattle Heart Failure Model“ benutzt werden (http://www.depts.washington.edu). Ein Fallbeispiel ist in Abb. 2 dargestellt. Somit kann bei jedem einzelnen Patienten statistisch die Überlebenswahrscheinlichkeit mit und ohne Herztransplantation verglichen werden. In jedem Fall sollten alternative interventionelle und chirurgische Therapieformen in Erwägung gezogen werden, die auch im Seattle Heart Failure Score Model bei der Prognoseabschätzung berücksichtigt sind.
Bei der Evaluation der Indikation für die Herztransplantation sollen bei den Patienten auch funktionelle und bildgebende diagnostische Methoden durchgeführt werden. Dabei hat die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2 max), gemessen in der Spiroergometrie, eine hohe Aussagekraft. In der Regel soll dieser Wert im Bereich unter 14 ml/min/kg KG (bzw. <50 % des Alterssolls) liegen. Mit der Rechtsherzkatheteruntersuchung können durch die Herzinsuffizienz veränderte hämodynamische Parameter wie linksventrikulärer Füllungsdruck (>20 mmHg), zentralvenöse Sättigung (<60 %), Herzindex (<2,0 l/min/m2) sowie in einigen Fällen erhöhter Pulmonalgefäßwiderstand („pulmonary vascular resistance“, PVR) quantifiziert werden. Echokardiografisch wird außer hochgradig eingeschränkter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (EF) auch der enddiastolische Durchmesser des linken Ventrikels („left ventricular end diastolic diameter“, LVEDD) bezogen auf die Körpergröße (>40 mm/m2) errechnet werden.
Die entgültige Entscheidung muss in einer interdisziplinären Transplantationskonferenz durch mindestens einen Vertreter der operativen und konservativen Disziplinen sowie durch einen Vertreter des ärztlichen Direktors des entsprechenden Transplantationszentrums getroffen werden.

Kontraindikationen

Gemäß der Richtlinie zur Organtransplantation der Bundesärztekammer ergeben sich Kontraindikationen einer Organtransplantation aus allen Befunden, Erkrankungen oder Umständen, die das Operationsrisiko erheblich erhöhen oder den längerfristigen Erfolg der Transplantation in Frage stellen. Dazu gehören bösartige Tumoren, klinisch manifeste Infektionserkrankungen, schwerwiegende Erkrankungen anderer Organe sowie vorhersehbare, schwerwiegende, operativ-technische Probleme.
Eine weitere wichtige Komponente sind die Mitarbeit des Patienten und die Bereitschaft nach erfolgreicher Transplantation an allen notwendigen Vorsorgeuntersuchungen teilzunehmen. Dazu erfolgt vor der Aufnahme auf die Warteliste u. a. eine psychiatrische Untersuchung (http://www.bundesaerztekammer.de).
Bei der Messung der pulmonalarteriellen (PA) Drücke und PVR im Rahmen der Rechtsherzkatheteruntersuchung kann sich eine weitere Kontraindikation für eine Herztransplantation ergeben. Ein erhöhter PVR geht mit der Gefahr eines intra- oder früh postoperativen Rechtsherzversagens des an die hohen PVR-Werte nicht trainierten Spenderorgans einher. Da bei den meisten Patienten eine langjährige Linksherzinsuffizienz zu einer chronischen pulmonalen Stauung führt, ist bei vielen eine sekundäre pulmonalarterielle Hypertonie nachweisbar, d. h., nicht nur der pulmonalarterielle, sondern auch der pulmonalvenöse Druck ist aufgrund hoher linksventrikulärer Füllungsdrucke erhöht, ohne dass ein erhöhter pulmonaler Gefäßwiderstand vorliegt. Große Bedeutung kommt der Unterscheidung der rein sekundären Form bzw. einer fixierten pulmonalarteriellen Hypertonie zu. Bei dieser liegt bereits eine fixierte Erhöhung des Lungengefäßwiderstandes auf über 3–5 Wood-Einheiten (>240–400 dyn × s × cm−5) vor. Diese stellt eine Kontraindikation für eine Herztransplantation dar, wenn keine Reversibilität des PVR unter pharmakologischer Therapie mit Prostaglandinderivaten (z. B. Iloprost dosiert als 0,5–2,0 ng/kg KG/min langsam intravenös oder 50 μg per Inhalation über ca. 15 min) oder alternativ mit inhalativem Stickstoffmonooxid nachweisbar ist. Bleibt der Widerstand weiterhin im Bereich 3–5 WE, sollte eine strenge Risikoabwägung erfolgen.
Bei einem fixierten pulmonalarteriellen Widerstand >5 WE kann keine Herztransplantation erfolgen, und es sollten alternative Therapien mit Einsatz der kreislaufunterstützenden Systeme erwogen werden.
Eine Übersicht über Indikationen und Kontraindikationen für eine Herztransplantation ist nachfolgend zusammengefasst.
Indikationen und Kontraindikation für orthotope Herztransplantation
Indikationen
Symptome
o Dyspnoe bei geringster Belastung oder in Ruhe (NYHA III–IV)
Untersuchung
o Zeichen der Linksherzdekompensation
o Zeichen der Rechtsherzdekompensation
Labor
o Hyponatriämie <135 mmol/l
o Noradrenalinspiegel >800 pg/ml
o Atriales natriuretisches Peptid (ANP) >125 pg/ml
Elektrokardiogramm
o Refraktäre höhergradige ventrikuläre Arrhythmien
Echokardiogramm
o Linksventrikuläre Ejektionsfraktion (EF) <20 %
o Linksventrikulärer enddiastolischer Durchmesser (LVEDD) >75 mm
o Linksventrikulärer endsystolischer Durchmesser (LVESD) >65 mm
o Verkürzungsfraktion <15 %
Röntgenthorax
o Herz-Thorax-Quotient >0,55
Rechtsherzkatheteruntersuchung
o Linksventrikuläre Ejektionsfraktion (EF) <20 %
o Herzindex <2 l/min/m2
o Linksventrikulärer enddiastolischer Druck (LVEDP) >20 mmHg
o Zentraler Venendruck (ZVD) >15 mmHg
o Linksventrikulärer Druck >20 mmHg
o Zentralvenöse Sättigung <60 %
Spiroergometrie
o Maximale Sauerstoffaufnahme (VO2 max) <14 ml/min/kg KG (<50 % des Alterssolls)
Absolute Kontraindikationen
• Lungengefäßwiderstand (PVR) >3–5 Wood-Einheiten in Ruhe ohne Reversibilität durch Vasodilatatoren
• Akute und chronische Infektionen
• Akutes Magen- oder Duodenalulkus
• Maligne Erkrankung oder Systemerkrankung mit schlechter Prognose
• Ausgeprägte Lungenparenchymerkrankungen
• Leberinsuffizienz (Bilirubin >2,5 mg/dl)
• Insulinpflichtiger Diabetes mellitus mit hochgradigen sekundären Organkomplikationen
• Divertikulitis
• Fehlende Patientencompliance
• Bestehende Drogen- oder Alkoholabhängigkeit
Relative Kontraindikationen
Akute Lungenembolie (≤1 Monat)
• Schwer einstellbarer insulinpflichtiger Diabetes mellitus
• Ausgeprägte Osteoporose
• Ausgeprägtes Übergewicht
• Biologisches Alter über 65 Jahre
• Psychosoziale Instabilität

Klinische Besonderheiten des transplantierten Herzens

Durch die kardiale Denervierung nach der Herztransplantation entstehen einige klinisch relevante Veränderungen und Adaptationsmechanismen der autonomen und neurohumoralen Regulation. Aufgrund der nicht mehr vorhandenen afferenten Innervation fehlt meistens der Angina-pectoris-Schmerz. Zusätzlich kommt es zu einer Augmentation der Cyclosporin-induzierten arteriellen Hypertonie durch den Verlust der cholinergen Reflexvasodilatation. Wegen des fehlenden efferenten parasympathischen Einflusses hat das denervierte Herz auch eine höhere Ruhefrequenz zwischen 90 und 110/min. Allerdings ist die Belastungsanpassung des transplantierten Herzens durch die fehlenden efferenten sympathischen Fasern verzögert und tritt erst einige Minuten nach Freisetzung der Katecholamine aus dem Nebennierenmark ein.

Immunsuppression

Aufgrund unterschiedlicher Nebenwirkungsprofile und Wirkungsweise verschiedener Immunsuppressiva gibt es kein einheitliches Immunsuppressionsschema. Von den meisten Zentren wird eine Dreifachtherapie mit Calcineurininhibitoren (Tacrolimus oder Cyclosporin A), antiproliferativer Medikation (Mycophenolat-Mofetil [MMF] oder Azathioprin) und Kortikoiden standardweise eingesetzt.
Da Tacrolimus im Vergleich zu Cyclosporin A eine 10- bis 100-mal größere Effektivität aufweist, den Plasmaspiegel von MMF erhöhen kann und tendenziell zu einer geringeren Häufigkeit behandlungsbedürftiger Abstoßungsreaktionen führt, wird heutzutage Tacrolimus häufiger eingesetzt. Zu weiteren, in der Literatur beschriebenen, häufigen Nebenwirkungen von Cyclosporin A gehören Hirsutismus und Gingivahyperplasie. Kortikoide werden in der Regel nur in den ersten Monaten eingesetzt und bei Patienten mit einem unkomplizierten Verlauf abgesetzt. Zur Verhinderung einer Abstoßung in der Frühphase, in der aufgrund des ersten Kontakts mit Alloantigenen des Spenderorgans das höchste Abstoßungsrisiko vorliegt, verwenden viele Zentren eine zusätzliche Induktionstherapie mit polyklonalem Antithymozytenglobulin (ATG vom Kaninchen), monoklonalem Anti-CD3-Antikörper Muromonab oder einem Interleukin-2-Rezeptor-Antikörper Daclizumab bzw. Basiliximab.
Cave
Da aber der Effekt auf das Langzeitüberleben des Organempfängers unklar ist und eine erhöhte Inzidenz von Infektionen und Malignomen diskutiert wird, besteht bislang kein internationaler Konsens hinsichtlich der Durchführung einer Induktionstherapie.
Anfang 2000 war erstmals Rapamycin verfügbar, das einen komplett neuen Wirkmechanismus und somit auch ein unterschiedliches Nebenwirkungsprofil aufweist. Vor allem in Kombination mit einem Calcineurininhibitor zeigten sich eine gute immunsuppressive Wirksamkeit, reduzierte Infektionsraten für Zytomegalievirus (CMV) und erstmals eine geringere Inzidenz an Transplantatvaskulopathien. Jedoch wiesen die mit Rapamycin (Derivate: Sirolimus, Everolimus) behandelten Patienten eine signifikant schlechtere Nierenfunktion als bei der herkömmlichen Standardimmunsuppression (Calcineurininhibitor, Azathioprin, Steroide) auf. Erste Berichte von einer erfolgreichen Konversionstherapie bei chronischer Niereninsuffizienz wiesen darauf hin, dass die Nierenfunktion sich bei Patienten v. a. dann verbessert, wenn der Calcineurininhibitor komplett abgesetzt wurde.
Cave
Allerdings sollte man beachten, dass Sirolimus die Wundheilung negativ beeinflussen kann und somit bei Notwendigkeit chirurgischer Eingriffe perioperativ (eine Woche vor bis 4–6 Wochen nach dem Eingriff) durch ein Calcineurininhibitor ersetzt werden sollte.

Komplikationen

Komplikationen nach Herztransplantation
Aufgrund der anfänglich besonders ausgeprägten Abwehrreaktion des Empfängers gegen das Spenderorgan und der damit verbundenen hoch dosierten immunsuppressiven Therapie stellen im ersten Jahr nach Herztransplantation akute myokardiale Abstoßungen und Infektionen die Hauptkomplikationen dar. Mit Entwicklung einer partiellen Toleranz gegenüber dem Spenderorgan und somit möglicher Reduzierung der Immunsuppression treten jenseits des ersten Jahres andere Probleme in den Vordergrund. Hierbei handelt es sich um eine spezifische immunologisch vermittelte Form einer akzelerierten Koronararteriosklerose, die häufig zu langstreckigen Koronarstenosen führt. Weitere Probleme im Langzeitverlauf stellen u. a. die Entwicklung von Neoplasien, Niereninsuffizienz, Hypertonie, Hyperlipoproteinämien oder Osteoporose dar.

Abstoßungsreaktionen

Trotz der immunsuppressiven Therapie können lebenslang Abstoßungsreaktionen auftreten. Eindeutige klinische Hinweise können fehlen oder lediglich in uncharakteristischen Symptomen wie allgemeines Krankheitsgefühl, innere Unruhe, Gewichtszunahme, Spannungsgefühl im Bauch oder Dyspnoe bestehen. Eine regelmäßige Abstoßungsdiagnostik ist daher dringend indiziert. Die überwiegende Zahl der Abstoßungsreaktionen wird als zellulär vermittelt angesehen (ca. 70 %), der Rest als antikörpervermittelt oder gemischt.
Zelluläre Abstoßungsreaktionen sind Abstoßungen, die durch T-Lymphozyten, die fremde HLA-Antigene oder andere Antigene des Spenders erkennen, hervorgerufen werden. Im Gegensatz dazu entstehen antikörpervermittelte (oder humorale) Abstoßungen durch Bindung der präformierten oder de novo synthetisierten Antikörper an Antigene der Zellen vom Spenderorgan.
Cave
Die antikörpervermittelten, vaskulären Abstoßungen haben eine deutlich schlechtere Prognose und erfordern daher ein aggressiveres Behandlungsprotokoll.
Selten ist die hyperakute peri- bzw. direkt postoperative Abstoßung bei Vorliegen präformierter HLA-Antikörper. Aufgrund des immensen „antigenic challenge“ besteht das höchste Abstoßungsrisiko innerhalb der ersten 4 Wochen postoperativ mit einem Maximum in der zweiten Woche. In den ersten 24 Monaten nach Transplantation sind Abstoßungen für knapp 25 % der Todesfälle verantwortlich. Circa 40 % der Patienten erleiden im ersten Jahr eine Abstoßung, bei 20 % sind es mehr als eine. Als Risikofaktoren für das Auftreten der ersten Abstoßung bzw. für eine höhere Abstoßungsinzidenz im ersten Jahr gelten die Anzahl der HLA-Mismatches, weibliches Empfänger- oder Spendergeschlecht sowie junges Empfänger- oder Spenderalter.
Diagnostik von Abstoßungsreaktionen
Die Endomyokardbiopsie über die rechte Vena jugularis interna gilt als Goldstandard der Abstoßungsdiagnostik.
Histologisch ist die Abstoßung durch ein fokales oder diffuses mononukleäres Zellinfiltrat, überwiegend durch aktivierte T-Lymphozyten, gekennzeichnet. Bei aggressiver Lymphozyteninfiltration sind Myozytenschädigungen bis hin zur Nekrose, bei sehr starker Ausprägung ein polymorphes Zellinfiltrat mit Ödem, Hämorrhagie, Zellnekrosen und Vaskulitis sichtbar. Die Einteilung der zellulären Abstoßungsreaktionen wurde im ISHLT Consensus Report 2005 überarbeitet und eine Revision der bisherigen Nomenklatur vorgelegt. Dabei wird vereinfacht zwischen keiner Abstoßungsreaktion (0 R), einer leichten Abstoßung (1 R), einer mäßigen bis mittelgradigen Abstoßung (2 R) und einer schweren Abstoßungsreaktion (3 R) unterschieden (Stewart et al. 2005). Der Buchstabe R steht hierbei für die revidierte Nomenklatur (Tab. 1).
Tab. 1
ISHLT-Klassifikation der zellulären Abstoßung. (Stewart et al. 2005)
Abstoßungsgrad
Histologische Veränderungen
0 R
Keine Abstoßung
1 R
Interstitielle und/oder perivaskuläre Infiltrate mit maximal einer Lokalisierung der Myozytenschädigung
2 R
Zwei oder mehr Lokalisierungen von Infiltraten mit assoziierter Myozytenschädigung
3 R
Diffuse Infiltrate mit multilokaler Myozytenschädigung und/oder Ödem und/oder Hämorrhagie und/oder Vaskulitis
ISHLT International Society for Heart and Lung Transplantation
Für antikörpervermittelte Abstoßungsreaktionen wurde von der ISHLT im Jahr 2013 die 2005 beschlossene Nomenklatur auch aktualisiert (Berry et al. 2013). Die Hauptänderung bezieht sich auf den Übergang von der Kombination klinischer und pathologischer Kriterien zu rein pathologischer Beurteilung („pathology antibody-mediated rejection“, pAMR). In diesem neuen Schema wird zwischen reiner histopathologischer (pAMR1h), reiner immunopathologischer (pAMR1i), pathologischer (pAMR2) und hochgradig pathologischer (pAMR3) Form unterschieden.
Da die meisten Abstoßungsreaktionen klinisch asymptomatisch verlaufen, müssen die diagnostischen Maßnahmen routinemäßig durchgeführt werden. Die Häufigkeit der Kontrollbiopsien ist aktuell Gegenstand der Diskussion, da bei sinkenden Abstoßungsraten die Häufigkeit an potenziellen Komplikationen steigt. Weit über 90 % aller routinemäßig durchgeführten Endomyokardbiopsien zeigen keine Abstoßungsreaktion. Auch aus diesem Grund werden zunehmend nichtinvasive Methoden zur Abstoßungsdiagnostik eingesetzt. In der frühpostoperativen Phase existiert bereits seit Mitte der 1980er-Jahre das zytoimmunologische Monitoring. Hierbei werden T-Lymphozyten- und Monozyten-Subpopulationen mittels Fluorescence Activated Cell Sorter (FACS) genauer differenziert, um so Zellen zur Infektabwehr von für das Transplantat schädigenden Zellpopulationen zu unterscheiden. Auf diese Weise erhält man ein genaueres Bild zum Immunstatus des Patienten (Unter- vs. Überimmunsuppression) und kann so die immunsuppressive Therapie individueller anpassen. Zu den weiteren nichtinvasiven Methoden der Abstoßungsdiagnostik gehören Echokardiografie und selten eingesetzte Methoden wie das intramyokardiale Elektrokardiogramm, Anti-Myosin-Antikörper-Szintigrafie, die Magnetresonanztomografie sowie diverse weitere bildgebende oder serologische (TNF-α, Troponin) Methoden.
Therapie einer Abstoßung
Die Therapie einer Abstoßungsreaktion richtet sich nach dem histologischen Grad der Myokardbiopsie, dem Grad der hämodynamischen Einschränkung (Herzzeitvolumen in der Rechtsherzkatheteruntersuchung), der Häufigkeit und Bedeutsamkeit vorausgehender Abstoßungsreaktionen und den vorliegenden Risikofaktoren einer Abstoßungsreaktion, einschließlich des Zeitpunkts nach Herztransplantation. Der histologische Abstoßungsgrad 1 R erfordert meist keine spezifische Therapie. Es sind aber engmaschige Kontrollen angezeigt, um eine Progression zu einem höheren Schweregrad, die in ca. einem Drittel der Fälle stattfindet, zu erfassen. Histologische Abstoßungsgrade 2 R bzw. 3 R erfordern eine stationäre i. v-Therapie mit Methylprednisolon 500–1000 mg/Tag über 3 Tage mit Kontrollmyokardbiopsie 1 Woche nach Therapie. Zusätzlich wird ab dem Abstoßungsgrad 3 R oder bei steroidrefraktärer Abstoßungsreaktion zusätzlich mit Antithymozytenglobulin (5 mg/kg KG/Tag) oder monoklonalem Anti-CD3-Antikörper Muromonab (5 mg/Tag), behandelt. Bei mehreren Abstoßungen trotz ausreichender Basistherapie kann eine Umstellung der Immunsuppressiva erwogen werden. Bei Nachweis einer humoralen Abstoßung, die durch immunhistochemische Aufarbeitung der Biopsien gesichert werden kann,
werden Immunsuppressiva mit höherer B-Lymphozytenspezifität wie Cyclophosphamid eingesetzt. In Betracht kommen auch Verfahren wie die Plasmapherese oder IgG-Immunadsorption. Eine Retransplantation oder Einsatz von mechanischer Kreislaufunterstützung kommt als Ultima Ratio in schweren therapierefraktären Fällen in Frage.

Infektionen

Neben Abstoßungsreaktionen stellen Infektionen die wichtigste Komplikation nach Herztransplantation dar; 37 % aller Patienten erleiden im ersten Jahr eine Infektion. Bakterielle Infektionen stellen mit bis zu 30 % die häufigste Infektionsform dar. Zytomegalievirus (CMV)-Erkrankungen sind die häufigste virale Erkrankung und machen bis zu 25 % der infektiösen Erkrankungen aus. Das höchste Infektionsrisiko besteht innerhalb der ersten 8 Wochen nach der Transplantation, bedingt durch bakterielle und fungale Infektionen. Die häufigste Ursache für Infektionen in dieser frühen postoperativen Phase sind chirurgische Komplikationen, d. h. Wundinfektionen, nosokomiale Pneumonien oder katheterassoziierte Infektionen. Die Phase mit den lebensbedrohlichsten Infektionen liegt zwischen dem 2. und 6. postoperativen Monat. In dieser Zeit stehen opportunistische, nichtbakterielle (Viren, Protozoen) Infektionen im Vordergrund. Die häufigste Infektion in dieser Phase ist eine Zytomegalievirusinfektion, das am häufigsten infizierte Organ ist die Lunge. Zwei Gruppen von CMV-vermittelten Effekten können unterschieden werden: direkte Effekte durch virale Organschäden (Pneumonie, Myokarditis, Hepatitis, Kolitis, Gastroösophagitis, Retinitis, Dermatitis, Thrombozytopenie und hämolytische Anämie) und indirekte Effekte wie die Begünstigung einer akuten Abstoßungsreaktion, der Transplantatvaskulopathie, des Auftretens von lymphoproliferativen Erkrankungen und eine Schwächung des Immunsystems mit Auftreten anderer opportunistischer Infektionen.
Das Zytomegalievirus gilt aufgrund seines Einflusses auf die Morbidität und Letalität von Patienten nach Herztransplantation als einer der wichtigsten Krankheitserreger und eine aktive CMV-Infektion stellt deshalb immer eine Behandlungsindikation dar.
Da bei über 50 % der Bevölkerung Antikörper gegen CMV vorliegen und das Risiko einer CMV-Infektion nach Herztransplantation durch die Konstellation positiver Spender/negativer Empfänger deutlich erhöht ist, wird der CMV-Status der Spender und Empfänger vor der Transplantation bestimmt. Bei positivem Spender/negativem Empfänger besteht unmittelbar nach Transplantation die Indikation zu einer antiviralen CMV-Prophylaxe.
Zum Nachweis einer CMV-Infektion stehen verschiedene Laborverfahren zur Verfügung: IgM-Nachweis im Serum, Nachweis des pp65-Antigens (Matrixprotein des CMV) in Leukozyten, qualitative oder quantitative PCR zum Nachweis der CMV-DNA, der Nachweis von pp67-mRNA in Leukozyten oder die Virusisolierung. Die Prophylaxe einer Pneumocystis-carinii- und einer Toxoplasma-gondii-Infektion erfolgt in den meisten Zentren für mehrere Monate nach Transplantation mit Trimethoprim/Sulfamethoxazol.
Aufgrund eines erhöhten Infektionsrisikos bei immunsupprimierten Patienten ist nach der Transplantation bis auf einzelne Ausnahmen grundsätzlich nur die passive Immunisierung mit Totimpfstoffen möglich.

Transplantatvaskulopathie

Transplantatvaskulopathie („cardiac allograft vasculopathy“, CAV) ist eine der häufigsten Komplikationen nach Herztransplantation, die das Langzeitüberleben der transplantierten Patienten limitieren kann. CAV ist eine vaskuläre fibroproliferative Erkrankung des transplantierten Herzens. Die Pathophysiologie der CAV besteht in komplexen Prozessen der Akkumulation der inflammatorischen Zellen, Proliferation glatter Muskulatur, Fettablagerung und Schädigung des Endothels, die im Endeffekt zu einer Intimahyperplasie der Koronargefäße führen. Laut dem aktuellen Forschungsstand werden diese komplexen Veränderungen sowohl durch immunologische zelluläre und humorale als auch durch nichtimmunologische Mechanismen verursacht. Klinische Folgen sind stumme Infarkte, plötzlicher Herztod sowie selten die Ausbildung einer ischämischen Kardiomyopathie.
Aufgrund des Fehlens typischer Ischämiesymptome sollte bei allen Patienten jährlich eine Herzkatheteruntersuchung durchgeführt werden (Empfehlungsgrad I). Dabei spielt intravaskulärer Ultraschall (IVUS) bei der Quantifizierung des Stenosegrades v. a. bei okkulten Stenosen eine ausschlaggebende Rolle. Zu den nichtinvasiven Methoden, die von den aktuellen Leitlinien erfasst sind, gehören Stressechokardiografie, Single-Photon-Emissions-Computertomografie (SPECT) und CT-Koronarangiografie mit jeweils Empfehlungsgrad IIa.
Die Therapie der CAV beschränkt sich auf präventiv-palliative Maßnahmen, die eine weitere Progredienz verlangsamen. Somit spielt die Revaskularisation auch wegen erhöhter Restenoseraten und hoher chirurgischer Mortalität eine untergeordnete Rolle. Eine Retransplantation kommt nur in seltenen Fällen einer fortgeschrittenen CAV in Frage. Zu den Therapiemethoden gehören medikamentöse Behandlungen mit Aspirin (Prävention von Mikrothromben), Statinen (inhibitorische Wirkung gegenüber inflammatorischen und immunologischen Prozessen) und Vasodilatatoren wie Kalziumkanalblocker und ACE-Hemmer (Verbesserung der mikrovaskulären Zirkulation).

Neoplasien

Aufgrund einer Langzeitexposition gegenüber immunsuppressiver Therapie und nicht zuletzt wegen des steigenden Durchschnittsalters der Empfänger zum Zeitpunkt der Transplantation ist die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von Neoplasien nach Herztransplantation deutlich höher als in der Normalbevölkerung. Malignitäten bleiben trotz intensiver Präventionsforschung die häufigste Todesursache nach den ersten 5 Jahren nach der Transplantation. Zu den häufigsten Tumoren, die nach Herztransplantation diagnostiziert werden, gehören Haut- und Schleimhautneoplasien sowie eine spezielle Lymphomform, die sog. lymphoproliferative Erkrankung nach Organtransplantation.

Osteoporose

Das erhöhte Risiko für die Osteoporose nach Herztransplantation ist v. a. auf die Therapie mit Glukokortikoiden sowie Calcineurininhibitoren zurückzuführen. Aus diesem Grund erfolgt nach der Transplantation eine medikamentöse Osteoporoseprophylaxe mit Vitamin D3 (1000 IE/Tag) und Kalzium (1000 mg/Tag). Eine Eskalation der Therapie auf Bisphosphonate erfolgt bei ausgeprägter Osteoporose (T-Wert <−1,5 in der Knochendichtemessung) oder bei bereits aufgetretenen Wirbelkörperfrakturen.

Neue Strategien und Zukunftsperspektiven

Aufgrund des Spenderorganmangels wurden in den letzten Jahren verschiedene Strategien zur Erweiterung des Spenderorganpools etabliert. Dazu gehört die Anwendung der „marginalen“ Spenderorgane (z. B. von älteren Spendern, Spendern mit linksventrikulärer Hypertrophie oder eingeschränkter linksventriukulärer Pumpfunktion). Der Hauptgrund liegt in der potenziellen Reversibilität einiger Formen der Dysfunktionen, die u. a. durch hormonelle und entzündliche Veränderungen während und nach dem Hirntod entstehen. Zusätzlich zu der seit Jahrzehnten angewendeten Methode der kalten kardioplegischen Organkonservierung besteht seit einigen Jahren die Möglichkeit, die Spenderherzen mittels des Organ Care System™ (OCS™) mit normothermem, maschinell oxygeniertem Spenderblut zu perfundieren und im schlagenden Zustand zu transportieren (Abb. 3). Das Perfusionssystem, das von der Firma TransMedics (Andover, USA) entwickelt und in zahlreichen Tierexperimenten geprüft wurde, ermöglicht im Gegensatz zur klassischen Konservierungsmethode die Beurteilung und potenzielle Optimierung von Spenderherzen vor einer Transplantation.
Transplantationsgesetze einiger Länder erlauben auch die Anwendung von Spenderorganen von sog. DCD („donation after cardiac death“)-Spendern. Nach der Etablierung des OCS™ und mehreren tierexperimentellen Studien konnte unter dem Einsatz der normothermen Perfusion im Jahre 2015 die erste Herztransplantation von einem DCD-Spender in Sydney erfolgreich durchgeführt werden. Nach diesem bahnbrechenden Erfolg konnte diese Strategie zur Erweiterung des Spenderorganpools auch in mehreren anderen Zentren weltweit mit guten Ergebnissen umgesetzt werden.
Literatur
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Stewart S, Winters GL, Fishbein MC, Tazelaar HD, Kobashigawa J, Abrams J, Andersen CB, Angelini A, Berry GJ, Burke MM, Demetris AJ, Hammond E, Itescu S, Marboe CC, McManus B, Reed EF, Reinsmoen NL, Rodriguez ER, Rose AG, Rose M, Suciu-Focia N, Zeevi A, Billingham ME (2005) Revision of the 1990 working formulation for the standardization of nomenclature in the diagnosis of heart rejection. J Heart Lung Transplant 24(11):1710–1720. https://​doi.​org/​10.​1016/​j.​healun.​2005.​03.​019CrossRefPubMed